Das Institut der deutschen Wirtschaft wurde am Wochenende mit der These zitiert, dass manche vom Teil-Lockdown betroffenen Betriebe nun mehr Geld verdienten, als wenn sie geöffnet hätten. Inzwischen hagelt es Protest aus Gastronomie und Veranstaltungsgewerbe. Das Institut zeigt sich nun verwundert.
Die November- und Dezemberhilfen des Bundes würden, Berechnungen des Instituts zufolge, demnach um zehn Milliarden Euro höher ausfallen als notwendig. Die gemutmaßte Überkompensation gelte aber keinesfalls für alle Unternehmen, sagte IW-Steuerökonom Tobias Hentze am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt natürlich auch Bereiche, die haben hohe Fixkosten - zum Beispiel Kinobetreiber.» Insgesamt habe die Bundesregierung eher großzügig als knapp kalkuliert. Dies betreffe vor allem Gastronomie und Veranstaltungsgewerbe.
Zuerst hatte der Hotelverband Deutschland scharf reagiert und geschrieben, dass in vielen Betrieben von der „Novemberhilfe“ kaum etwas übrig bleiben werde. In einem Blogpost warf Hauptgeschäftsführer Markus Luthe dem Institut oder der Welt am Sonntag vor nicht mit erforderlichen Sorgfalt und Genauigkeit zu agieren.
Es stellt sich doch die Frage, ob den IW-Berechnern entgangen sei, dass bei der „Novemberhilfe“ den Unternehmen das Kurzarbeitergeld (Kug) abgezogen werde? Dies sei im personalintensiven Gastgewerbe das Gros der variablen Kosten.
Der DEHOGA Bundeverband konterte mit Zahlen und schrieb an das Institut. Hier argumentiert der Verband, dass die Betriebe am 20. Dezember dann für vier bis viereinhalb Monate in diesem Jahr geschlossen sein werden. Clubs, Discotheken und Eventcaterer hatten mehrheitlich seit März keine Umsätze.
Die Pauschale bei den November- und Dezemberhilfen in Form der 75 Prozent Umsatzerstattung vom jeweiligen Vorjahresmonat solle sicherstellen, dass die Gelder auch schnell und unbürokratisch fließen würden, sagt der DEHOGA, auch wenn eine Einzelfallgerechtigkeit von so einer Pauschale nicht gewährleistet sei. Dennoch bewegten sich die die Fixkosten im Gastgewerbe mehrheitlich zwischen 50 und 75 Prozent. Die Personalkosten seien darin logischerweise enthalten. Das Kurzarbeitergeld werde von den Hilfen jeweils abgezogen. Auch insoweit seien die Ausführungen des IW nicht zutreffend gewesen.
Auf die Frage, welche Hilfen das Gasgewerbe denn in diesem Jahr sonst noch bekommen habe, teilt der DEHOGA mit: „Soforthilfen: Von März bis Mai in Höhe von 13,7 Milliarden Euro für alle betroffenen Branchen. Das Gastgewerbe hat rund 10 Prozent erhalten: 1,37 Milliarden Euro. Überbrückungshilfe I: Für die Sommermonate Juni bis August wurden für Antragsteller aller betroffenen Branchen 1,4 Milliarden Euro Überbrückungshilfe bewilligt. Die Zahl der Antragsteller aus dem Gastgewerbe lag bei 27 Prozent. Insoweit schätzt der DEHOGA die bewilligte Summe für Gastronomie, Hotellerie und Cateringwirtschaft auf rund 450 Millionen Euro geschätzt. Diese Zahlen belegten, dass von einer Überkompensation nicht die Rede sein kann, so der DEHOGA.
„Das Wasser steht bis zum Hals“
Auch der Leaders Club, ein Netzwerk größere Gastronomen, geht das Institut frontal an. „Wer pauschal erklärt, wir hätten in Zeiten der Schließung keine variablen Kosten und führen dank der umsatzbezogenen Entschädigungen auf Steuerzahlerkosten satte Gewinne ein, verkennt die Realität in unserer Branche“, sagt der Gastronom und langjährige Leaders Club-Präsident Roland Koch. Die angeführten Rechenbeispiele seien ausgesuchte Einzelfälle, aber nicht auf die gesamte Gastronomie übertragbar. „Es geht jetzt nicht nur darum, mit den Hilfsgeldern unseren 2,4 Mio. Mitarbeitern ein einigermaßen schönes und hoffnungsvolles Weihnachtsfest zu ermöglichen. Für viele Unternehmen sind die Novemberhilfen die erste Unterstützung, die sie seit Beginn der Pandemie erhalten. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals!“
Der Leaders Club ist der Bundesregierung dankbar, dass die Novemberhilfen in Höhe von 75 Prozent der Vorjahresumsätze abzüglich sonstiger Unterstützungsleistungen seit der vergangenen Woche ausbezahlt werden. „Für größere Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern sind die Abschläge von bis zu 10.000 Euro in der Woche allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, macht Leaders Club-Vorstand und Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan deutlich. „Wir haben keine Reserven mehr, unsere Liquidität wurde in den vergangenen Monaten völlig aufgezehrt.“
„Institut der Deutschen Wirtschaft auf Abwegen“
In einer realitätsfernen Stellungnahme kämen Institutsmitarbeiter zu dem Fehlschluss, dass ausgerechnet die von Masseninsolvenz bedrohte Veranstaltungswirtschaft der unlautere Gewinner der Novemberhilfen sei, kritisiert die Veranstaltungswirtschaft. „Nur wer blind die letzten Monate seit März ignoriert, kann zu den falschen Schlüssen des Instituts der Deutschen Wirtschaft kommen. Durch derart undifferenzierte Betrachtungen entstehen fatale Neiddiskussionen, die völlig fehl am Platze sind. Es ist eine Respektlosigkeit gegenüber allen Soloselbständigen, Kleinunternehmen und Mittelständlern, die zum Wohle des Bevölkerungsschutzes ihre Tätigkeit eingestellt, ja ihre Altersvorsorge und ihren Erwerbsbetrieb geopfert haben. Anstatt die Akteure in unserem Wirtschaftszweig als ‚übergefördert‘ zu diffamieren, sollte vielmehr der von uns geleistete Beitrag gesellschaftlicher Solidarität hervorgehoben werden“ stellt Alex Ostermaier fest, Mitinitiator der Initiative #AlarmstufeRot, die sich für die wirtschaftliche Rettung der Veranstaltungsbranche einsetzt.
Institut zeigt sich verwundert
Der DEHOGA Bundesverband zitiert aus dem Antwortschreiben des Institut: “[…] Auf Basis von Jahresabschlussdaten der Deutschen Bundesbank habe ich eine überschlägige Rechnung für die Dienstleistungsbranche angestellt und dabei nach fixen und variablen Kosten unterteilt. Meine Aussage war, dass die jetzige Regelung unbürokratisch und schnell umsetzbar ist. Gleichzeitig ist sie in der Höhe mit Blick auf November und Dezember großzügig, da sie im Durchschnitt zu mehr als der Deckung der anfallenden Kosten in diesen beiden Monaten reicht. Dabei habe ich auch betont, dass es große Unterschiede zwischen einzelnen Bereichen gibt. Auf die Frage, welche Alternative es für die Erstattung gebe, habe ich auf eine Orientierung an den Fixkosten plus Gewinnmarge verwiesen. In keiner Weise ging es mir darum, die Hilfen infrage zu stellen.
Zudem habe ich in einem einordnenden Zitat darauf hingewiesen, dass die jetzt stark betroffenen Branchen wie die Gastronomie – anders als die Industrie – nach dem ersten Lockdown nicht richtig gut in Gang gekommen sind und dies eine befristete Großzügigkeit rechtfertigen kann. Die Welle und auch der Tenor der medialen Berichterstattung hat mich auch überrascht.”