Der Bundeshaushalt 2024 wird, aller Voraussicht nach, nicht mehr in diesem Jahr vom Parlament beschlossen. Die Steuererhöhung für Speisen in der Gastronomie tritt damit am 1. Januar 2024 automatisch in Kraft. Alle Präsidenten der DEHOGA-Landesverbände und des Bundes richten in einem Offenen Brief einen eindringlichen Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz, an der einheitlichen Besteuerung von Essen mit sieben Prozent festzuhalten.
In einer Nachricht an seine Mitglieder mit dem Offenen Brief schreiben DEHOGA-Präsident Guido Zöllick und Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges, dass man bis zuletzt Hoffnung in die Beratungen im Vermittlungsausschuss zum Wachstumschancengesetz gesetzt habe. Teil dessen wäre ein Antrag Bayerns gewesen, der die Beibehaltung der sieben Prozent beinhalte. Doch nachdem sich die Bundesregierung bislang in Sachen Haushalt 2024 nicht geeinigt habe, kann unter anderem auch das Wachstumschancengesetz im laufenden Jahr nicht mehr auf den Weg gebracht werden.
Der Offene Brief des DEHOGA an Bundeskanzler Olaf Scholz im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
wie bekannt wurde, wird der Bundestag den Haushalt 2024 nicht vor Jahresende beschließen. Die Steuererhöhung für Speisen in der Gastronomie tritt am 1. Januar 2024 automatisch in Kraft. Wir richten heute den eindringlichen Appell an Sie, an der einheitlichen Besteuerung von Essen mit 7% festzuhalten.
Viele Wählerinnen und Wähler haben auf Ihre Worte vertraut, als Sie vor der Bundestagswahl im September 2021 beim Bürgergespräch erklärten: „Wir haben die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie gesenkt und das nochmal verlängert und ich will Ihnen gerne versichern, ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt und der Einführung in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab.“
Wir appellieren an Sie, die wichtige gesellschaftliche Rolle der Gastronomie anzuerkennen und sich für die Fortgeltung der 7% einzusetzen. Die Steuererhöhung trifft insbesondere die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, das kann Ihnen nicht gleichgültig sein.
Die Unternehmen werden die 19% sowie weitere steigende Kosten dem Gast in Rechnung stellen müssen. Die Steuererhöhung trifft unmittelbar unsere Gäste, besonders die vielzitierten Gering- und Normalverdiener!
Dramatische Umsatzeinbußen in der Branche und bei ihren Partnern sind die Folge. Jobverluste, Betriebsaufgaben, Insolvenzen sowie marode regionale Wirtschaftskreisläufe sind vorprogrammiert.
Der erwartete fiskalische Effekt von Mehreinnahmen mit einer Anhebung auf 19% wird genau ins Gegenteil umschlagen, weil durch Umsatzverluste die Erwartung von Mehreinnahmen nicht eintritt. Mindestens 12.000 Betriebe stehen laut DEHOGA-Umfragen vor dem sicheren Aus. Betriebe, die nicht mehr existieren, können auch keine Steuern zahlen.
Essen muss einheitlich mit 7% besteuert werden – egal ob und wie zubereitet und wo und wie verzehrt. Es ist völlig absurd, dass in Zeiten, in denen alle von Nachhaltigkeit und gesunder Ernährung reden, für das frisch zubereitete und auf dem Porzellanteller angerichtete Essen ab 1. Januar 2024 wieder 19% Mehrwertsteuer fällig werden, während für das verpackte Essen zur Mitnahme, To-Go oder Drive-In, die Essenslieferung sowie der Fertigsalat aus dem Supermarkt weiterhin 7% gelten.
Nicht ohne Grund ist der reduzierte Satz für Essen in der Gastronomie derzeit in 23 EU-Staaten Gesetz! So beweist die große Mehrzahl der EU-Staaten Respekt und Wertschätzung für das, was Restaurants und Cafés für Wirtschaft und Gesellschaft leisten. Es kann nicht sein, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz in unserem Land als Subvention diskreditiert wird!
Unsere Restaurants, Gasthäuser und Cafés garantieren Lebensqualität und soziale Teilhabe. Attraktive Innenstädte und lebenswerte ländliche Räume, Tourismus und funktionierende regionale Wirtschaftskreisläufe gibt es nur mit uns. Wer Restaurants und Cafés als „nice to have“ bezeichnet, ignoriert die große wirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und vor allem gesellschaftliche Bedeutung unserer Branche.
Wir erwarten Wertschätzung für das, was die Gastgeber mit ihren Beschäftigten Tag für Tag für unser Land leisten. Vergessen Sie nicht die 16 Millionen Menschen, die täglich von Gemeinschaftsverpflegern und Caterern in Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen und Betriebskantinen abhängig sind.
Aus all diesen Gründen fordern wir Sie auf, dass Sie eine Fortgeltung der einheitlichen Besteuerung von Essen mit 7% durchsetzen.
Steuerfairness heißt, Essen einheitlich mit 7% zu besteuern.
Mit freundlichen Grüßen
Guido Zöllick
Präsident DEHOGA Bundesverband
Fritz Engelhardt
Stv. Präsident, Präsident DEHOGA Baden-Württemberg
Otto Lindner
Stv. Präsident DEHOGA Bundesverband
Stephan von Bülow
Stv. Präsident DEHOGA Bundesverband
Angela Inselkammer
Präsidentin DEHOGA Bayern
Christian Andresen
Präsident DEHOGA Berlin
Olaf Schöpe
Präsident DEHOGA Brandenburg
Detlef Pauls
Präsident DEHOGA Bremen
Michael Conrad
Präsident DEHOGA Hamburg
Robert Mangold
Präsident DEHOGA Hessen
Lars Schwarz
Präsident DEHOGA Mecklenburg-Vorpommern
Florian Hary
Präsident DEHOGA Niedersachsen
Andreas Büscher
Präsident DEHOGA Nordrhein-Westfalen
Patrick Rothkopf
Präsident DEHOGA Nordrhein-Westfalen
Hans-Dietmar Wosberg
Präsident DEHOGA Nordrhein-Westfalen
Holger Lemke
Präsident DEHOGA Lippe
Gereon Haumann
Präsident DEHOGA Rheinland-Pfalz
Michael Buchna
Präsident DEHOGA Saarland
Axel Hüpkes
Präsident DEHOGA Sachsen
Michael Schmidt
Präsident DEHOGA Sachsen-Anhalt
Axel Strehl
Präsident DEHOGA Schleswig-Holstein
Mark A. Kühnelt
Präsident DEHOGA Thüringen
Über den Offenen Brief der Landesverbandspräsidenten und des Bundesverbandes hinaus, haben sich die Landesverbände aus Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz und Sachsen scheinbar dazu entschlossen, kurz vor dem Erscheinen des Schreibens eine weitere Kommunikation herauszugeben, in der, im Falle einer Mehrwertsteuererhöhung eine „Kettenreaktion“ prophezeit, die „alle gesellschaftlichen Bereiche unseres Landes“ erfassen werde und die Branche vor „unlösbare Herausforderungen“ stelle, und weiter: „Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht momentan auf dem Spiel“.
Die Verbände schreiben über die drohende Steuererhöhung auf Speisen in der Gastronomie: „Diese Maßnahme stellt unsere Branche vor unlösbare Herausforderungen, die nicht nur finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen haben werden, sondern auch zu einem erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen führen könnten. Millionen von Menschen in unserem Land werden von dieser Mehrwertsteuererhöhung betroffen sein“, so Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern.
„Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht momentan auf dem Spiel, da Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner der Branche ausdrücklich versprochen hatten, dass der reduzierte Steuersatz auf Speisen beibehalten wird. Die Bevölkerung und unsere Branche haben auf diese Zusagen vertraut“, ergänzt Gereon Haumann, Präsident des DEHOGA Rheinland-Pfalz.
„Die Gastronomie und Hotellerie spielen eine essenzielle Rolle in der deutschen Wirtschaft, mit über 200.000 Betrieben und mehr als 2 Millionen Beschäftigten. Unsere Umfragen zeigen, dass die angekündigte Steuererhöhung zu etwa 15.000 Insolvenzen führen könnte, was wiederum den Verlust von vielen tausend Arbeitsplätzen bedeuten würde“, erläutert Christian Andresen, Präsident des DEHOGA Berlin, der hinzufügt: „Auch Zulieferbetriebe und Nahrungsmittelproduzenten der Branche wären stark betroffen.“
Sachsens DEHOGA-Präsident Axel Hüpkes fügt hinzu: „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie, einschließlich Cateringdienstleistungen in Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen und Werkskantinen, würde eine Kettenreaktion auslösen und alle gesellschaftlichen Bereiche unseres Landes erfassen.“ Hüpkes weiter: „Diese Steuererhöhung würde alle treffen - Unternehmen, Beschäftigte und jeden einzelnen Gast, Eltern, Arbeiter und viele mehr. Die Folgen wären unvermeidliche Preiserhöhungen, Umsatzverluste, eine Reduzierung der Lebensqualität und Insolvenzen.“
Inselkammer: „Wir sind fest davon überzeugt, dass die geplante Steuererhöhung nicht nur die Unternehmen unserer Branche, sondern auch die gesamte Wirtschaft nachhaltig belasten würde, insbesondere aber auch jeden einzelnen Bürger und unsere Gäste, die letztendlich die Mehrwertsteuererhöhung tragen müssten.“
Haumann: „Auch wenn es fünf vor zwölf ist: Wir hoffen auf ein Einlenken seitens der Regierung und sind zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann, die sowohl die Interessen der Branche als auch die der gesamten Wirtschaft und der Bürger berücksichtigt.“