Ein Kommentar von Marc Schnerr
Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) plant eine Image- und Awareness-Kampagne. Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertag- und Nachtzuschlägen soll gerettet werden. Beides sehen die Lobbyisten in Gefahr.
Offen gesprochen: Ich halte diese Kampagne für brandgefährlich – nicht zuletzt, weil die Denkfabrik riskiert, ein Feuer zu legen, wo heute wahrscheinlich nicht einmal Glut ist.
Hintergrund: Das Handelsblatt veröffentlichte Anfang Mai eine Aufstellung aus dem Finanzministerium mit Sparvorschlägen in Milliardenhöhe. Mit dabei: Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit der Zuschläge. (Tageskarte berichtete: https://bit.ly/3V5xX3F)
Das Schriftstück stammt aus 2022 und tauchte in den Haushaltsberatungen 2024 im letzten Jahr wieder auf. Warum das Papier nun seinen Weg in die Zeitung fand, ist unklar. Einige glauben, es handle sich um einen Testballon aus dem Finanzministerium, andere mutmaßen, es sei von Lindner-Widersachern lanciert worden.
Das Ministerium hat die angeblichen Pläne sofort dementiert, auch gegenüber Dorint-Boss Dirk Iserlohe, wie die Denkfabrik betont. Es dürfte zudem schwer vorstellbar sein, dass eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung im Haushalt für das Wahljahr steuerfreie Zuschläge thematisiert, auch wenn die Finanznot noch so groß ist. Hier geht es um SPD-Kernklientel.
Dennoch plant die DZG eine 400.000-Euro-Kampagne, die verhindern soll, was offenbar derzeit gar nicht zur Diskussion steht.
Die Denkfabrik schreibt in einem Pressetext: „So kursieren in Berlin Sparideen“, man „formiere sich gegen diese Sparziele“ und es gehe um einen „drohenden Steuerschock“. Damit wird eine Drohkulisse aufgebaut, die von einigen Branchenmedien inzwischen als Fakt dargestellt wird.
Die Gefahr: Mit ihrer Kampagne stößt die Denkfabrik wohl irgendwann auch den letzten Politiker darauf, dass es in dieser Branche vermeintliche Milliarden zu holen gibt.
Der Regierung wird es von der DZG wirklich leicht gemacht. Denn Steuererhöhungen werden von der Denkfabrik schon heute als unausweichlich gesehen, noch bevor darüber diskutiert wurde.
Hotelmehrwertsteuer und steuerfreie Zuschläge in einer Pressemitteilung und in einem LinkedIn-Post in die Nähe von Subventionen zu rücken, die die Bundesregierung „unerbittlich“ streichen werde, spielt den Branchenkritikern letztlich voll in die Karten.
Was ist also zu tun?
Meine Zeit im politischen Berlin liegt lange zurück. Ich weiß aber, dass wenn solche Themen drohen aufzukommen, es gilt, auf allen Ebenen die richtigen Politiker davon zu überzeugen, dass derlei Ideen schlechte Ideen sind. Und in der Tat ist Wachsamkeit angezeigt, da es möglich ist, dass im laufenden Haushaltsverfahren, wie immer, viele Sachverhalte auf den Prüfstand kommen könnten. Es gilt, die Abwehrmauern gut zu organisieren.
Effektive Interessenvertretung zeichnet sich dabei allerdings eher nicht durch Lautstärke aus - alles andere könnte ein Spiel mit dem Feuer sein.