Städte nach Urteil zu Verpackungssteuer noch zögerlich

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Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten der Verpackungssteuer in Tübingen zeigen sich Städte in Deutschland noch zögerlich, dem Beispiel aus Baden-Württemberg zu folgen. Als Gründe nannten Kommunen in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zumeist den Wunsch nach einer städteübergreifenden Lösung und die noch nicht vorliegende Urteilsbegründung.

Seit Anfang 2022 hat Tübingen eine Verpackungssteuer - für Einweggeschirr und Einwegverpackungen wird eine Gebühr fällig. Das soll Müllberge in der Stadt vermeiden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das in einem Grundsatzurteil Ende Mai für rechtmäßig erklärt. Geklagt hatte die Betreiberin einer Tübinger McDonald's-Filiale. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

In der Stadt Berlin steht eine Verpackungssteuer derzeit nicht auf der Agenda. Aus Sicht Berlins sollte eine mögliche Verpackungssteuer wenn überhaupt nur auf Bundes- oder europäischer Ebene eingeführt werden, teilte eine Sprecherin der Umweltverwaltung mit. Eine kommunale Einführung würde zu einer zerklüfteten Steuerlandschaft führen. Die Stadt befürchtet zudem «Beschwerden hinsichtlich Gleichbehandlung und Wettbewerb». Zugleich teilte die Sprecherin mit: «Eine solche Verpackungssteuer würde wahrscheinlich den Verbrauch von Einwegprodukten deutlich mindern.»

In Düsseldorf wird das Urteil laut einem Sprecher «mit Interesse verfolgt». Konkrete Pläne, es Tübingen gleich zu tun, gibt es aber nicht. Die Stadt verweist unter anderem darauf, dass seit Jahresbeginn bereits die sogenannte Mehrwegangebotspflicht in Deutschland gelte.

Die Stadt Stuttgart zweifelt die Wirksamkeit der Steuer an. Wie eine von der Universität Tübingen veröffentlichte Studie zeige, sei es umstritten, ob eine derartige Steuer tatsächlich zur Reduktion von Verpackungsmüll führt, teilte ein Sprecher mit. Gemeinsam mit der Gastronomie sollen deshalb Mehrwegsysteme untersucht werden, die die Kundschaft auch annehme.

Auch in den Städten Augsburg, Hildesheim und Bautzen gibt es derzeit keine Pläne für eine Abgabe auf Einwegverpackungen.

In Trier gab es dagegen bereits 2019 einen Antrag zur Einführung der Steuer. Wegen des laufenden Verfahrens aus Tübingen kam es bislang zu keiner Entscheidung. Das Urteil und die Begründung sollen nun geprüft werden, hieß es von der Stadt.

Mehrere bayerische Städte erwägen Verpackungssteuer

Die Stadt München zeigt sich für eine ähnliche Lösung grundsätzlich offen. Nach Einschätzung der Stadtkämmerei sei eine Einführung rechtlich möglich, teilte eine Sprecherin mit. Für alles weitere möchte die Stadt zunächst die schriftliche Begründung des Urteils aus Leipzig abwarten. Zugleich liegen Anträge von zwei Stadtratsfraktionen vor, es der Stadt Tübingen gleich zu tun.

Im Bamberg soll bis Ende des Jahres Klarheit herrschen, wie die Verpackungssteuer umgesetzt werden kann, wie der zweite Bürgermeister Jonas Glüsenkamp sagte. In Bamberg gebe es viele Touristen, aber auch sehr viel Müll. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe er sich deshalb mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer getroffen, um über die dortige Umsetzung zu sprechen. Dabei sei klar geworden, dass für den Verwaltungsaufwand weiteres Personal notwendig sei.

Glüsenkamp ist dennoch überzeugt, dass nun viele Städte nachziehen werden und verweist auf die Rechtslage der Kommunen. Diese müssten grundsätzlich alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen. Und damit nun auch die Verpackungssteuer einführen, ist er überzeugt. Um einen möglichen Flickenteppich lokal unterschiedlicher Vorgaben zu vermeiden, wünscht sich Glüsenkamp städteübergreifende Vorgaben. «Solange es diese nicht gibt, werden sich viele Kommunen wohl an der Tübinger Satzung orientieren, die vor Gericht Bestand hatte.»

Auch in Nürnberg soll die Einführung der Verpackungssteuer geprüft werden. Sie halte die Lenkungs- und Anreizfunktion, die mit der Verpackungssteuer verbunden werde, für sehr sinnvoll, teilte Umweltreferentin Britta Walthelm mit. Doch auch hier möchte die Verwaltung zunächst auf die schriftliche Begründung des Urteils warten. Eine «Insel-Lösung» nur für Nürnberg mache zudem keinen Sinn. Referentin Walthelm sieht den Bund am Zug, die Gesetzgebung zu erweitern und die Sonderabgabe für Produkte aus Einwegplastik auch auf Pizzakartons, Aluminiumschalen und Kaugummis auszudehnen.

Die Stadt Passau sieht sich mit einem im Sommer 2021 eingeführten Mehrwegbecher-System in der Gastronomie bereits auf einem guten Weg. Zudem würden derzeit mehrere weitere Maßnahmen zur Abfallvermeidung geprüft, teilte ein Sprecher mit. Dazu zählt demnach auch die Verpackungssteuer.

Keine Überlegungen dazu gibt es bislang in Augsburg und Rosenheim. Als Grund wird unter anderem die noch ausstehende schriftliche Urteilsbegründung genannt. (dpa)


 

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