Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht die geplanten Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte kritisch. «Das gehört zur Abteilung "Das müssen wir uns noch mal genauer angucken"», sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. «Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt über die Einigung nicht furchtbar glücklich bin, weil es zu Missverständnissen führen kann.»
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies darauf hin, dass schon jetzt eine gut zweistellige Zahl europäischer Länder versuche, ausländische Fachkräfte in den ersten Jahren mit einer Steuervergünstigung ins Land zu holen. «Diesen Versuch werden wir auch unternehmen», erläuterte der Grünen-Politiker während seiner Sommerreise in Bonn. Heils Aussagen habe er wahrgenommen. «Das wird die SPD untereinander diskutieren.»
Steuerbonus ist Teil der geplanten Wachstumsinitiative
Der geplante Steuerbonus findet sich in der 31 Seiten starken Wachstumsinitiative, die die Spitzen der Koalition in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit dem Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 beschlossen haben. Ziel der darin enthaltenen Maßnahmen ist es, die lahmende deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln.
In dem Papier heißt es: «Um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen, wird die Bundesregierung zudem steuerliche Anreize für die Arbeitsaufnahme in Deutschland einführen. Dazu können neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen.» Für diese Freistellung werde man eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definieren.
Scharfe Kritik der Opposition
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, zeigte sich empört: «Das ist ein echtes Inländer-Benachteiligungsprogramm, das sich die Ampel da ausgedacht hat», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Wie muss man sich das vorstellen? Österreicher oder Holländer zahlen künftig weniger Steuern als Einheimische, wenn sie in Deutschland arbeiten?» Ganz ähnlich sprach BSW-Chefin Sahra Wagenknecht von einer «Politik gegen die eigene Bevölkerung». Sie sagte der dpa in Dresden: «Die Pläne sind ein Schlag ins Gesicht für den Normalbürger, der hier schon immer brav seine Steuern und Abgaben zahlt.»
Regelung soll nur für Fachkräfte gelten
FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte deutlich, dass der Steuervorteil nur für Fachkräfte gelten solle und nicht für Flüchtlinge, wie Wagenknecht unterstellte. Die Ampel-Koalition habe ein neues Einwanderungsrecht mit klaren Kriterien und schnellen Visaverfahren geschaffen. «Dennoch bleiben wir ein Land mit bürokratischen Hürden und hohen Steuern. Deshalb ist es völlig richtig, steuerliche Anreize als Anwerbeprämie für gut ausgebildete Fachkräfte anzubieten», sagte Dürr der dpa.
Arbeitsminister Heil betonte allerdings, solche Anreize seien nicht der entscheidende Punkt, wenn Deutschland für Fachkräfte wirklich attraktiv sein wolle. «Es geht eher um die Frage, ob wir anwerben, ob wir auf die Stärken unseres Landes hinweisen», sagte der SPD-Politiker. «Das ist ein bisschen unsicher formuliert in diesem Papier», ergänzte Heil bei seiner Sommertour in Sigmaringen. «Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es auch gar nicht drin gewesen.»
Kritik auch aus der Ampel
Kritische Stimmen waren auch aus den Ampel-Parteien SPD und Grüne zu hören: «Ich verstehe vollkommen, wenn das die Leute irritiert», sagte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) dem «Tagesspiegel». Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke sagte der Zeitung: «Es gibt aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht.» Dies wäre aus ihrer Sicht nicht gewährleistet, wenn bestimmte Gruppen bei gleicher Arbeit durch Steueranreize mehr Geld im Portemonnaie hätten.
Steueranreize seit Jahren ein Thema
Die Bundesregierung hatte bereits 2018 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage 15 EU-Länder mit solchen Steuervorteilen benannt. Der Schwerpunkt lag dabei allerdings auf Führungskräften in Unternehmen und anderen hochqualifizierten und gut bezahlten Zuwanderern. Höhere Steuersätze als in ihrer Heimat schrecken gerade solche Zielgruppen oft von einem Wechsel ins Ausland ab. In den Niederlanden ist seit Jahresbeginn eine ähnliche Regelung wie die von der Ampel-Koalition geplante in Kraft.
Bernd Meurer, der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Alle Schritte, um internationale Kräfte zu einer Tätigkeit in Deutschland zu motivieren, begrüßen wir.» Zugewanderte Arbeitnehmer hätten zudem in der Phase des Ankommens viele zusätzliche Kosten. (dpa)