Dynamische Preisgestaltung - Mit den Fluglinien fing es an

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Heute kostet ein Produkt weniger, morgen mehr und übermorgen vielleicht wieder weniger. Manchmal schwanken die Preise auch stündlich oder minütlich: Was einem bei Käufen und Buchungen im Internet überall begegnet, hat seinen Ursprung bei den Airlines: In den 1980er Jahren haben diese in den USA angefangen, datenbasiert und mittels Algorithmen Preise anzupassen - der Start der dynamischen Preisgestaltung.

Der Wirtschaftshistoriker Guillaume Yon forscht an der RWTH Aachen genau dazu: Wie die Fachleute der Airlines die Systeme einst entwickelten und bis heute verbessern. 

Im Interview erklärt Yon, warum die Fluggesellschaften nicht so gern über die Systeme reden und mitunter selbst deren Analysten nicht sagen können, wie sich die Ticketpreise für einen bestimmten Flug entwickeln werden. Ratschläge für die Buchung hat Yon dennoch.

Herr Yon, Sie haben die Buchungssysteme von Fluggesellschaften analysiert. Können Sie einem Laien erklären, wie sie funktionieren und wie die oft schwankenden Preise für die Tickets zustande kommen?

Guillaume Yon: Die Leute wissen das vielleicht nicht, aber Airlines sind keine sehr profitablen Unternehmen. Ihre Margen sind ziemlich niedrig. Deshalb sind ihre Buchungssysteme extrem wichtig für sie und deshalb reden sie nicht viel über diese Systeme - es ist ziemlich geheim. Weil die Art und Weise, wie diese arbeiten, den Unterschied zwischen Rentabilität und Konkurs machen könnte.

Wenn man über die Systeme spricht, muss man sich klarmachen: Airlines müssen sich etwa ein Jahr im Voraus festlegen, dass ein bestimmtes Flugzeug auf einer Route fliegt. Daher ist die Anzahl der verfügbaren Sitze bereits sehr früh festgelegt. Aber es besteht Unsicherheit darüber, wie viele Personen im Verlauf des Jahres diesen Flug buchen werden.

Mit ihren Systemen versuchen Fluggesellschaften also, zwei Hauptziele zu erreichen: Erstens, das Flugzeug füllen. Zweitens, damit so viel Geld wie möglich verdienen.

Sehr einfach erklärt, gehen sie das so an: Sie versuchen, an Personen, die nicht viel Geld für Tickets bezahlen möchten, eine bestimmte Anzahl von Plätzen zu verkaufen. Zugleich zielen sie auf jene ab, die bereit sind, viel mehr zu bezahlen. Und sie versuchen, diese Personen dazu zu bringen, auch viel mehr zu zahlen. Es geht also darum, die Kapazität effizient auszulasten und den größtmöglichen Gewinn zu erzielen.

Einige Flugportale sagen, basierend auf deren Analysen, dass bestimmte Wochentage besser zum Buchen sind als andere. Manche sagen einfach: Früh buchen ist am günstigsten. Und Sie sagen: Es ist fast unmöglich, eine optimale Buchungsstrategie zu kennen. Warum?

Yon: Ich würde einem Punkt zustimmen: Je früher man bucht, desto günstiger ist es. Das ist eine ziemlich gute Regel. Denn üblicherweise wird der Preis im Verlauf der Buchungsperiode steigen, je näher der Abflug rückt. 

Für die meisten Fluggesellschaften gibt es hier einen entscheidenden Unterschied zwischen Touristen, die früh buchen und ziemlich preisbewusst sind, und Geschäftsreisenden, die später buchen und weniger preissensibel sind.

Allerdings werden Systeme immer reaktiver. Wenn sie während des Buchungszeitraums erkennen, dass die erwartete Nachfrage nicht eintritt, könnten die Preise fallen. Deshalb können Preisalarme von Portalen ein nützliches Werkzeug für flexible Reisende sein. Wenn die Preise fallen, können sie das für sich nutzen.

Wie auch immer: Es gibt einen Grund, warum es meistens unmöglich ist, eine optimale Strategie zu finden, um am meisten Geld zu sparen. Und der ist: Um zu wissen, wann man buchen soll, müsste man wissen, wie voll der Flug voraussichtlich sein wird. Das Verrückte an diesen computergesteuerten Systemen ist: Sie sind so kompliziert, dass selbst die Analysten der Fluggesellschaften nicht sagen können, ob die Preise in den nächsten Tagen oder Wochen steigen oder fallen werden. Weil dies Kenntnisse zu den verschiedenen Passagierströmen und allen Prognosen über diese Ströme erfordern würde.

Übrigens: Verglichen mit Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Finnair haben Billigfluggesellschaften wie Ryanair oder Easyjet oft ein einfacheres System. Die Preise steigen, je näher der Flug rückt, aber nicht so massiv. Womit sie Geld verdienen, sind Extras: Sitzplatzwahl, Gepäck, Priority-Boarding. All diese kleinen Dinge, für die Sie zusätzlich zu den Tickets bezahlen müssen. 

Wir wissen, dass Billigfluggesellschaften etwa 60 Prozent ihres Gewinns durch den Verkauf solcher Extras erzielen. Das ist verrückt: Sie verdienen damit mehr Geld als mit dem Ticketverkauf. Und das ändert das Ziel der Buchungssysteme: Sie wollen das Flugzeug mit so vielen Personen wie möglich füllen, um ihnen solche zusätzlichen Dinge zu verkaufen. 

Also, mit Ihrem Wissen - wie gehen Sie beim Buchen von Flügen vor?

Yon: Ich interessiere mich aus akademischen Gründen dafür. Weil es wichtig ist, zu wissen, wie diese Systeme funktionieren. Airlines nutzen sie bereits seit langer Zeit und sie haben viele der dynamischen Preissysteme inspiriert, die wir heute überall im Internet sehen. 

Aber das Ding ist: Du kannst das System nicht schlagen. Also nutze ich mein Wissen nicht so sehr. Ich weiß nur mit Sicherheit, dass es besser ist, früh zu buchen. Das ist definitiv das Beste, was man tun kann, wenn man günstige Preise haben möchte.

Die Kalkulationen dieser Systeme, insbesondere die Prognose verschiedener Arten von Passagierströmen und wie sie all das über komplexe Netzwerke hinweg optimieren, machen es als Kunde unmöglich, eine Buchungsstrategie zu haben.

Also ja, ich mache das, was wahrscheinlich jeder macht: Ich schaue mir Flugsuchmaschinen wie Google Flights an und versuche, so früh wie möglich zu buchen. 

ZUR PERSON: Dr. Guillaume Yon ist Wirtschaftshistoriker. Sein aktuelles Projekt ist eine Geschichte der Flugpreisgestaltung. Die Entwickler solcher Systeme sprechen zwar nicht im Detail darüber, wie die heute funktionieren, aber sie sprechen gern über die Vergangenheit. Deshalb führt Yon Interviews mit ihnen. 

Erkenntnisse gewinnt er auch aus wissenschaftlichen Arbeiten über diese Systeme, denn: «Es ist sehr technologisch und komplex, daher müssen Fluggesellschaften ihre Erkenntnisse innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft teilen, um ihre Systeme zu optimieren», sagt er. Yon forscht am Käte Hamburger Kolleg: Cultures of Research an der RWTH Aachen. (dpa)


 

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