Eintritt für Venedig? Kein Ende beim Dauerstreit in der «Serenissima»

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Prächtige Paläste mit Blick aufs Wasser, verwinkelte Kanäle mit Gondeln, Museen mit weltberühmter Kunst: Venedig ist einzigartig, Sehnsuchtsort - und ein gewaltiger Touristenmagnet. Die Stadt in Norditalien, die Schriftsteller Thomas Mann einst als «die schmeichlerische und verdächtige Schöne» beschrieb, zieht Jahr für Jahr Millionen Besucher aus der ganzen Welt an. Weil die «Serenissima» ihre Heerscharen an Touristen kaum noch bändigen kann und die rund 50 000 Bewohner im Kern der Lagunenstadt die Nase voll haben, wollte die Stadt handeln.

Die Lösung: Eintritt verlangen. Im Sommer dieses Jahres stellte die Kommune Medienvertretern aus Italien und der Welt ihren Plan vom Contributo di Accesso (Zutrittsabgabe) vor. Neu war der Vorschlag nicht, schon seit 2019 geisterten Ideen durch die Politik in der Stadt des Unesco-Weltkulturerbes. Bislang scheiterte die Einführung.

Nun aber sollte es endlich losgehen. Ab dem 16. Januar 2023 sollten Tagestouristen ihren Besuch in Venedig online buchen und dafür je nach Auslastung in der Stadt drei bis zehn Euro pro Person abdrücken. Doch aus den Plänen wird erstmal nichts. Es fehle die abschließende Zustimmung des Kommunalrats, erklärt Kulturassessor Simone Venturini. Das Inkrafttreten ist damit vertagt, Venedig bleibt vorerst gratis.

Die Stadt erklärt die ausgebliebene Entscheidung im Rat mit einer Befragung der Bürger, die online noch bis zum 7. Januar ihre Vorschläge zum Eintritt einbringen können. Tatsächlich könnte das Venedig-Ticket damit erst frühestens im Sommer 2023 eingeführt werden. Denn Anfang kommenden Jahres will Venedigs Politik das Vorhaben verabschieden, und dann vergingen noch sechs Monate bis zum Inkrafttreten, erklärt ein Sprecher der Stadt.

Marco Gasparinetti glaubt, dass das Eintrittsgeld nie kommen wird. «So wie die Verordnung geschrieben ist, ist sie nicht anwendbar und tatsächlich sind wir schon bei der fünften Verschiebung», sagt der Lokalpolitiker. Trotz Massentourismus durch Tagesausflügler und Kreuzfahrer ist die Regulierung der Besucher mithilfe des Eintrittsgeldes unter den Einheimischen hoch umstritten.

Sprechen Touristen von Venedig, ist jener Teil in der Lagune mit der historischen Altstadt samt dem berühmten Markusplatz, der Rialto-Brücke und dem Canal Grande sowie vielen kleineren Inseln gemeint. Dafür will die Stadt Eintritt verlangen. Für den Teil auf dem Festland gilt das nicht. Durch die Tickets könnten die Behörden besser abschätzen, wie viele Menschen in die Stadt kämen und etwa öffentliche Verkehrsmittel darauf abstimmen, hieß es noch im Sommer.

Sechs Millionen Euro an Einnahmen versprach sich die Stadt für 2023 mit den Eintritten, wie Haushalt-Assessor Michele Zuin sagt. In den Jahren danach sogar 13 Millionen Euro. Das Geld wollte Venedig dazu verwenden, die Müllabgaben für die Bewohner zu senken und die Umsetzung des Eintrittsgeldes zu finanzieren. Denn am Bahnhof - einem Hauptzugangspunkt - sollten nicht etwa Drehkreuze wie im Fußballstadion stehen, sondern Ordnungskräfte sollten die Einhaltung des Eintritts in der Stadt kontrollieren.

Bezahlen sollten vor allem Tagesausflügler und die ungeliebten Kreuzfahrer. Wer in Venedig ein Hotel reserviert, hätte den Scan-Code für den Venedig-Zutritt mit der Buchung erhalten. Bewohner der Stadt waren sowieso von der Maßnahme ausgenommen. Wer jemanden zu Gast bei sich einlud, hätte den Code im Vorfeld beantragen können, was Kritiker als Eingriff in den Datenschutz und die Privatsphäre sahen.

Manche Venezianer finden, die Stadt sollte die Besuchermassen anders bändigen. Mit dem Eintritt werde Venedig zu einem «Freizeitpark», sagt Matteo Secchi, der eine Pro-Venedig-Webseite betreibt. Er empfindet vor allem die Tagestouristen als Problem, die die Straßen verstopften und kaum Geld in der Stadt ließen. Wegen der vielen Touris gelten in Venedig ohnehin schon viele Verbote: Man darf zum Beispiel nicht in Badekleidung oder oberkörperfrei herumlaufen oder sich auf den Boden zu setzten, um zu essen oder zu trinken. Geldstrafen bis zu 500 Euro sind für manche Vergehen möglich.

Secchi fürchtet, mit dem Ticket-Zwang würden sich die Touristen nicht besser benehmen, denn sie hätten dann ja bezahlt. Er hält eine Extra-Steuer auf Produkte, die in Venedig verkauft werden, für den besseren Weg. Wer etwa eine Flasche Wasser kauft, zahlt mehr, aber das Geld gehe dann an die Stadt. Gasparinetti befürwortet, «aus Gründen der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der Unversehrtheit der Menschen» eine Auslastungsgrenze festzulegen - vor allem an Wochenende mit Brückentagen, wenn besonders viele Menschen kommen wollen. Diese sollten dann ihren Besuch reservieren, aber gratis.

«Über die Auslastungsgrenze wird seit 20 Jahren gesprochen. Ich bin sicher, dass die Tourismusanbieter und in erster Linie die Touristen verstehen werden, dass ein endlicher Raum nicht unendliche Massen aufnehmen kann», sagt Gasparinetti. Er nannte in dem Zusammenhang auch die Gefahr von Massenpaniken wie im koreanischen Seoul oder in Turin im Juni 2017. (dpa)

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