Selbst der größte Bratwurstfan dürfte bei dieser Auswahl an seine Grenzen geraten: Auf dem fränkischen Bratwurstgipfel, der am Sonntag erneut im Städtchen Pegnitz gefeiert wurde, gibt es deshalb das schöne Wort «Versucherla». Das lässt sich wohl am einfachsten mit «Kostprobe» übersetzen. Also ein «Versucherla» von der Käsespätzle-Bratwurst bitteschön, dann eines von der Rosenbratwurst. Und eines von der veganen Wurst. Denn die liegt erstmals auch auf dem Grill, der Zeitgeist eben. Aber dazu später mehr.
In Pegnitz steigt schon seit einigen Jahren der Bratwurstgipfel, zu dem Metzger aus allen drei Regierungsbezirken anreisen, um ihre Kreationen vorzustellen. Bis zu 20 000 Gäste kommen jedes Jahr und drängeln sich um die verschiedenen Grillstände. «Die Bratwurst ist ein fränkisches Kulturgut», sagt Metzger Dirk Freyberger aus Nürnberg.
Zwischen 9 und 31 Zentimeter
Bratwurst ist in Franken aber nicht gleich Bratwurst: Die Nürnberger Bratwurst ist maximal 9 Zentimeter lang, verkauft wird sie in der Fußgängerzone samt Semmel als «Drei im Weggla». Die Coburger Bratwurst kommt auf 31 Zentimeter und wird meist über Kiefernzapfen oder naturbelassenem Buchenholz gegrillt. In Kulmbach wird zur Bratwurst traditionell ein «Stollen» gereicht, eine größere, mit Anis bestreute Semmel.
In früheren Jahren ließ die Bratwurst sogar Rückschlüsse auf die Konfession der jeweiligen Gegend zu, wie es beim Verein «Genussregion Oberfranken» heißt: «So wurde die grobe Bratwurst vor allem in den evangelischen Regionen Oberfrankens angeboten; die mittelgrobe bis feine dagegen stammte aus den katholischen Gebieten.»
«Es darf nicht zu wild werden»
Konfessionsfragen freilich spielen beim Bratwurstgipfel anno 2024 keine Rolle mehr. Eher schon die Frage, ob auch eine vegane Wurst eine echte Bratwurst sein kann. Die vegane Variante läuft außer Konkurrenz, wenn sechs Metzger um den Titel «Bratwurstkönig» kämpfen. Verkauft wird sie vom Bayreuther Gastronom Engin Gülyaprak, der zufrieden ist mit der Resonanz: «Es läuft besser als geplant.»
Ob die etablierten Metzger die vegane Konkurrenz fürchten? «Ich bin da ganz entspannt», sagt Dirk Freyberger. «Wir Franken sind traditionell eingestellt.» Er kredenzt in diesem Jahr neben einer klassischen Bratwurst auch eine Käsespätzle-Bratwurst - in der Spätzle, Röstzwiebeln und eine Käsemischung verarbeitet wurden.
Nebenan bei der Metzgerei Deininger aus Unterfranken liegen traditionelle Winzerbratwürste auf dem Grill - und eine Variante mit Tomate-Basilikum. Nur wenige, ausgewählte Zutaten würden verwendet, sagt Inhaber Stephan Jamm. Gerade bei den kreativen Bratwurst-Varianten sei die Komposition heikel: «Das muss schon eine Bratwurst bleiben, es darf nicht zu wild werden.» Auch er findet: In Franken sei die Bratwurst schlichtweg ein Kulturgut.
Ein Gast aus dem Norden
Dass auch anderswo gute Bratwürste gemacht werden, will Metzger Joey Schwarz beweisen: Er und sein Team sind eigens aus der Nähe von Cuxhaven an der Nordsee angereist - inklusive Pizzabratwurst und Bratwurst mit Zitronennote. Er experimentiere gerne bei den Wurstzutaten, erzählt er, «zum Beispiel auch mit Parmesan in der Bratwurst».
Experimentieren musste auch Metzger Volker Gagel aus Michelau (Landkreis Lichtenfels). Ursprünglich wollte er seine Rosenbratwurst mit getrockneten Rosenblättern verfeinern. Klappte aber nicht. Erfolgreicher sei dann der Versuch mit Rosenblütensecco gewesen, der «gut gekühlt» ins Brät komme.
Der Bratwurstgipfel freilich ist auch eine große Werbeveranstaltung: Die Wurst ist kein Massenprodukt aus dem Supermarkt, sondern handwerklich hergestellt. «Wir alle kommen aus traditionsreichen Handwerksbetrieben», sagt Freyberger, der neben dem Grillen an diesem Tag auch seine Social-Media-Kanäle bespielt und gekonnt über die Gewürze in der Bratwurst fachsimpelt.
Die Branche ist schon seit einigen Jahren unter Druck, nicht nur wegen der Konkurrenz aus dem Supermarkt: Es ist immer schwieriger, Fachkräfte zu finden, Energiekosten steigen - und in der Gesellschaft geht nach Erhebungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) der Fleischkonsum seit einigen Jahren zurück.
Davon ist in Pegnitz an diesem Sonntag nichts zu merken - ob ein «Versucherla» oder eine ganze Semmel mit der BBQ-Chili Cheese-Bratwurst oder einer mit Blaumohn verfeinerten Bratwurst: Die Schlangen vor allen Grillständen sind lang. (dpa)