Bundesarbeitsgericht: Arbeitnehmer können dauerhaft ins Ausland versetzt werden

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Eigentlich ging es dem Ryanair-Piloten aus Nürnberg nur darum, dass seine Versetzung ins italienische Bologna für rechtswidrig erklärt wird. Das hat er mit seiner Klage durch alle deutschen Arbeitsgerichtsinstanzen nicht erreicht. Aber er sorgte am Mittwoch in Erfurt für ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sehr viele Arbeitnehmer in Deutschland betreffen kann - vor allem, wenn sie in einem Unternehmen beschäftigt sind, das weltweit agiert.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Arbeitnehmer können dauerhaft ins Ausland versetzt werden, wenn im Arbeitsvertrag nicht etwas anders vereinbart ist, entschieden die höchsten deutschen Arbeitsrichter. Das Weisungsrecht von Arbeitgebern zum Arbeitsort gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Standorte international. Es müsse jedoch eine Einzelfallprüfung geben, ob die Versetzung in ein anderes Land für den Arbeitnehmer zumutbar sei.

Die Entscheidungsbegründung

Die Quintessenz ihres Urteils formulierten die Richter so: «Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist.» Vor einer Versetzung ins Ausland müsse es eine zweistufige Prüfung geben, sagte ein Gerichtssprecher. «Ist die Versetzung rechtlich zulässig? Und ist sie im konkreten Fall zumutbar?» Juristen sprechen von einer Billigkeitsprüfung, die erfolgen müsse.

Der Knackpunkt

Letztlich ging es «um die Auslegung von Paragraf 106 der Gewerbeordnung», sagte der Vorsitzende Richter, Rüdiger Linck, in der Verhandlung. Er regelt das Weisungsrecht von Arbeitgebern - seine Anwendung bezüglich des Arbeitsortes ist unter Arbeitsrichtern umstritten. Der Anwalt des Piloten hielt die vertraglich vereinbarte Versetzungsklausel im Vertrag seines Mandanten für unwirksam, weil seiner Meinung nach die Gewerbeordnung nur eine Versetzung innerhalb Deutschlands zulasse. Mit dieser Argumentation konnte er nicht punkten.

Klarheit geschaffen

Mit seinem Urteil schuf das Bundesarbeitsgericht Klarheit bei der Auslegung des Passus in der Gewerbeordnung. «Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen», so die Bundesarbeitsrichter. Der umstrittene Paragraf 106 besagt: «Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.»

Der Fall

Den Präzedenzfall für das Urteil lieferte ein Pilot einer Tochterfirma der irischen Fluggesellschaft Ryanair. Der Flugkapitän klagte bis zur höchsten Arbeitsgerichtsinstanz gegen seine dauerhafte Versetzung von Nürnberg, wo die Fluggesellschaft ihre Station schloss, zum Flughafen im italienischen Bologna. Er wollte die Rücknahme der Versetzung nach Italien erreichen, die im Mai 2020 erfolgte. Sein Anwalt verwies darauf, dass sein Mandant dadurch auch Gehaltseinbußen von einigen zehntausend Euro hatte. Im Arbeitsvertrag des Klägers war vereinbart, dass der Pilot auch an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden kann, und dass sich seine Vergütung dann nach dem dort geltenden System richtet.

Die Konsequenzen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat nach Meinung des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing weitreichende Auswirkungen. Die Arbeitswelt werde immer internationaler. «In vielen Arbeitsverträgen ist kein Arbeitsort festgelegt.» Dieser könnte von Arbeitgebern nach betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt werden - «allerdings muss den Interessen des Arbeitnehmers hinreichend Rechnung getragen werden.» (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Azubis dringend gesucht – mehr denn je ist das leider für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand für die Zahl der Betriebe, die nicht genug Nachwuchs finden.

Sie haben Ihren Urlaub geplant, doch dann trifft eine unerwartete Urlaubssperre durch den Chef ein? Aus welchen Gründen kann das möglich sein und wie lang darf eine Urlaubssperre andauern?

Zum Jahresbeginn 2025 tritt der neue Gefahrtarif der Berufs­genossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) in Kraft. Auf dieser Grundlage berechnet die BGN die Beiträge für ihre Versicherungs- und Betreuungsleistungen.

Ausbildungsplatz sucht Azubi - so kann man die Lage vieler Betriebe inzwischen beschreiben. Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm - und die Firmen müssen kreativ werden.

Von Zuhause aus zu arbeiten, hat viele Vorteile: Man spart sich den Weg ins Büro und kann am Schreibtisch ungehemmt snacken. Damit das Homeoffice wirklich gut klappt, ist noch etwas wichtig: Lüften.

Laptop einstecken und heimlich im Urlaub arbeiten? Eine Befragung zeigt: für ein Drittel der Beschäftigten ein No-Go. Ist arbeiten aus dem Ausland überhaupt erlaubt und welche Konsequenzen drohen?

Bei einer Kündigung stellt sich auch immer die Frage: Was passiert jetzt eigentlich mit dem Resturlaub? Stehen dem Gekündigten die Urlaubstage noch zu? Muss der Arbeitgeber sie ausbezahlen? Und was, wenn der Arbeitgeber den Resturlaub verweigert?

Für Fraport gibt es im zweiten Quartal ein Plus bei Umsatz und Gewinn. Die Probleme von Boeing wirken sich allerdings auch auf den Flughafenbetreiber aus. Und auch bei Airbus läuft es nicht ganz rund.

Mehr als 1,3 Millionen der 18,6 Millionen Altersrentnerinnen und -rentner in Deutschland arbeiten zusätzlich. Wichtige Beweggründe für das Arbeiten im Alter sind Spaß an der Arbeit, Sinnstiftung und Kontakt zu anderen Menschen.

Den Metalllöffel aus Versehen mit in die Mikrowelle gestellt? Dann fliegen gleich die Funken. Oder vielleicht auch nicht? Ein Experte erklärt, was in die Mikrowelle darf und was besser draußen bleibt.