Führen: Ohren auf Empfang

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Gastbeitrag von Albrecht von Bonin

Wie wichtig das Thema ZUHÖREN beim Führen von Mitarbeiter, in Meetings, aber auch im Umgang mit Gästen, Kunden und Lieferanten ist, zeigt sich besonders deutlich bei Führungskräften und im Vertrieb. Doch es scheint, als fehle oft das aufrichtige Interesse am Gegenüber.

Führungskräfte sind gute Sender – aber gute Zuhörer sind sie in der Regel nicht. Angeblich aus Zeitmangel. Doch das ist natürlich ein Trugschluss. Wir haben in jungen Jahren gelernt zu sprechen, zu schreiben, vor großen Gruppen zu reden, zu singen, – aber ZUHÖREN stand nie auf dem Stundenplan. Kein Wunder, dass sich viele damit schwertun. Dabei ist doch die wichtigste Tugend von Managern und Vertriebsspezialisten das Zuhören.

Lassen Sie uns die Probe aufs Exempel machen: Wie viele Manager aus Ihrem beruflichen und privaten Umfeld würden Sie spontan als gute Zuhörer bezeichnen? Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir. Sie können sie an einer Hand abzählen. Die meisten Menschen drehen sich um sich selbst. Das Interesse an Wünschen, Zielen, Erwartungen und Empfindungen anderer genießt nicht oberste Priorität. Weshalb ist das so?

Senden, senden - immer nur senden

Haben wir uns zu immer oberflächlicheren Egoisten entwickelt, die sich rund um die Uhr nur mit sich selbst beschäftigen? Liegt es am fehlenden Willen, dem anderen die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken? Ist das Management etwa zu einer Zunft von Schwätzern verkommen? Nein, sicher nicht.

Es lohnt sich, beim berühmten Schriftsteller Gottfried Keller nachzulesen:
"Mehr zu hören als zu reden, solches lehrt uns die Natur.
Sie versah uns mit zwei Ohren, doch mit einem Munde nur".

Ein Blick in den Spiegel genügt und wir werden auf sanfte Weise an eine der wichtigsten Aufgaben im Managementberuf erinnert! Zuhören sollte die natürlichste Sache der Welt sein, oder? Das können wir doch von frühester Kindheit an. Wirklich? Zuhören ist viel mehr als lediglich zu schweigen. Die Gabe des Zuhörens ist nicht nur unter Verkäufern eine der seltensten Tugenden, auch bei Führungskräften. Ein Grund mag darin liegen, dass wir es weder in der Schule noch im Studium lernen. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn wir beim Zuhören Defizite aufweisen?

Unser Gegenüber fühlt sich nicht ernst genommen, deshalb findet kein richtiger Vertrauensaufbau statt.
Weil wir weder richtig zuhören noch nachfragen, interpretieren wir nur die Reaktionen des Anderen, wirklich kennen tun wir sie nicht. Das Resultat: Missverständnisse. Wir reden aneinander vorbei.

Unser „Angebot“ – sei es die vakante Stelle, die wir als Arbeitgeber dringend besetzen wollen, oder die Qualifikation, die ein Bewerber in die Waagschale werfen will, die Erwartung des Chefs an seinen Mitarbeiter - oder das Produkt des Verkäufers – diese Botschaften treffen ins Leere.
Das Ergebnis: Chancen gehen verloren.

Ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag: Alle Kollegen haben längst mitbekommen – Meier, der Abteilungsleiter, steht auf der Abschussliste. Sein Vorgesetzter hat mehrere Kritikgespräche mit ihm geführt. Der Flurfunk hat es verbreitet. Doch Meier hat nie zugehört, sondern nur wortreich mit Schuldzuweisungen auf andere reagiert. Kein Wunder, dass ihn die Kündigung wie der Blitz traf. Alle wussten Bescheid – nur er nicht.

Aus dem Vertrieb wissen wir - heutzutage gehen mehr Aufträge wegen schlechten Zuhörens des Verkäufers verloren, als wegen zu hoher Preise oder der mächtigen Konkurrenz! Wenn wir schon wissen, dass mangelhaftes oder unkonzentriertes Zuhören Probleme bereitet, warum hören wir dann nicht besser zu? Mögliche Gründe sind:

Körperliche Anstrengung

Zuhören ist mehr als nur still sein, im Gegenteil. Ein Mensch, der aktiv zuhört, spürt die Konsequenzen auch körperlich: der Blutdruck steigt, der Puls erhöht sich und er beginnt selbst im Winter zu schwitzen. Die Konzentration auf das Gegenüber, statt auf sich selbst, kann für manche Menschen in Schwerstarbeit ausarten. Insbesondere dann, wenn der Gesprächspartner nicht auf den Punkt kommt.

Informationsmüll

Täglich kämpfen unzählige Medien – insbesondere Social Media - um unsere Aufmerksamkeit. Diese Reizüberflutung macht es nötig, dass wir selektieren, Informationen ausblenden, die wir als unwichtig einstufen. Das hat aber den Nachteil, dass wir leichter auch Dinge ausblenden, die für eine nachhaltige Arbeitsbeziehung, im Job mit dem Mitarbeiter, oder mit dem Kunden oder Gast wichtig wären. „Ins linke Ohr rein – aus dem rechten raus!“

Aktionismus

Viele Manager lieben es, möglichst schnell zur Tat zu schreiten. Management by Django nennen wir das: „Nicht lange Fackeln, ohne Zögern aus der Hüfte schießen“. Bereits nach wenigen Sätzen glauben sie zu wissen, wo den Anderen der Schuh drückt. Sie unterbrechen ihn, präsentieren im Brustton der Überzeugung die Lösung, anstatt sich die Zeit zu nehmen, ihr Gegenüber ausreden zu lassen, ihm aufmerksam zuzuhören. Denn meist ist er oder sie noch meilenweit davon entfernt, den eigenen Bedarf, oder das Problem zu schildern oder für das angebotene Super-Produkt zu "glühen"!

Mangel an Training

Wie gesagt: Zuhören findet sich auf keinem Stundenplan. Doch man kann es trainieren. Studien zeigen: Eine in puncto ZUHÖREN schlecht trainierte Führungskraft versteht und behält nur etwa 50 Prozent eines Gesprächs. Dieser Wert fällt nach 3 Tagen bereits auf bescheidene 10 Prozent zurück. Das bedeutet, sie kann sich nur noch unvollständig und meist unrichtig erinnern. Kein Wunder, dass so manche Botschaft an der Zielgruppe vorbeigeht. Das Resultat: Das Gegenüber empfindet wenig Wertschätzung, Anerkennung, Respekt. Die Folge: Ablehnung (z.B. des Kunden), Fluktuation, Krankenstand, Demotivation (der Mitarbeiter) steigen. Dabei redet alle Welt von Empathie. Wo ist sie?
Wie können wir unser Zuhören verbessern?

Konzentration

Konzentrieren wir uns auf den Gesprächspartner und nur auf ihn. Zeigen wir aufrichtiges Interesse. Das ist nicht leicht. Doch wenn wir präsent sind, so ist das ein Geschenk für den Zuhörer. Und wenn er sich beschenkt fühlt, bringt er sich selbst ein und öffnet sich für unsere „Botschaft“. So einfach kann das sein.

Anerkennung

Wir zeigen dem Gegenüber, dass wir ihn respektieren Wir bringen seinen Ausführungen mit den Signalen des „Aktiven Zuhörens“ echtes Interesse entgegen. Ein Zeichen der wertschätzenden Unternehmenskultur - und Empathie!.

Informationen

Wir sammeln (z. B. im Bewerber-Interview) Informationen über den Dialogpartner und seine Situation, indem wir Fragen stellen. Wenn wir nicht sicher sind, ob wir ihn richtig verstanden haben, fragen wir nach. „Wer fragt, führt“, heißt es. Doch besser müsste es eigentlich heißen: „Wer führt, fragt“. Wir vermeiden einen der häufigsten Fehler, den Manager häufig begehen: Sie interpretieren nur die Aussagen des Gesprächspartners anstatt faktenbasiert zu urteilen und zu entscheiden.
Einfühlungsvermögen

Wir beobachten unser Gegenüber genau und spüren nonverbale Botschaften aus seiner Körpersprache. Klar, das braucht Übung, doch das sind wir ja gewohnt. Lebenslanges Lernen gehört zum Beruf jeder Führungskraft. Das schließt auch aufmerksames ZUHÖREN ein. Umgekehrt achten wir auch darauf: Hat der Gesprächspartner Fragen – welche? – oder redet er nur drauflos – „ohne Punkt und Komma“?

Struktur

Wir strukturieren die Informationen, die wir gehört, gesehen, notiert haben und ziehen erst danach unsere Schlüsse daraus. Entgegen landläufiger Meinungen erspart uns aufmerksames Zuhören viel Zeit! Der Gesprächspartner signalisiert uns dann, ob wir ihn überzeugt haben bzw. ob unsere Botschaft angekommen ist. Manchmal über seine Stimme, manchmal über seinen Körper, oder beides. Wir müssen den Prozess nur sorgsam beobachten, genau zuhören und nachfragen.
Stellen Sie also Ihre Ohren auf Empfang! Es lohnt sich.

Ich wünsche Ihnen viele positive Erkenntnisse beim aufmerksamen und wertschätzenden Zuhören.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Sind haben sich krankgemeldet - und plötzlich steht jemand von der Firma vor der Tür? Was absurd klingt, soll in einigen Unternehmen gängig sein. Ob das zulässig ist, steht auf einem anderen Blatt.

Wer backt in Deutschland eigentlich warum und wie viel, zu welchem Anlass und vor allem, wie? Die aktuelle Dr. Oetker Backstudie 2024 liefert Einblicke in die heimischen Rührschüsseln und Backöfen.

E-Mails statt Briefe, Cloud-Ablagen statt Aktenschränke – immer mehr Unternehmen in Deutschland verzichten auf Papier. 15 Prozent der Unternehmen arbeiten inzwischen komplett papierlos. Das sind fast doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren.

Die Erwartungen an die Wiesn und das Geschäft für Gastronomen und Händler in ganz München - nicht nur in den Zelten - sind hoch. Eine Analyse zeigt: Cafés und Restaurants verbuchten deutlich weniger Einnahmen als im letzten Jahr.

Zahlreiche Umfragen besagen, dass junge Leute von heute keine Lust auf Führungspositionen haben. Doch die Gelegenheiten, Chef zu werden, sind vielfältig. Die Risiken, die Chance zu vermasseln, sind es allerdings auch. Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Zum fünften Mal vergibt die Bundesregierung den CSR-Preis und zeichnet Unternehmen aus, die sich durch sozial und ökologisch verantwortungsvolles Wirtschaften hervorheben. Bis zum 30. September können Sie sich mit Ihrem Unternehmen jetzt noch darum bewerben.

Wer einen Arbeitsvertrag unterschreibt, weiß in der Regel welche Tätigkeiten der Job beinhaltet. Kleine Abweichungen sind meist unproblematisch. Doch was, wenn die oder der Vorgesetzte plötzlich verlangt, eine völlig neue Aufgabe zu übernehmen, die offenbar nichts mit den ursprünglichen Tätigkeiten zu tun hat?

In Deutschland muss die Arbeitszeit erfasst werden – soweit die Theorie. Aber wie sieht die Praxis aus? Was ist wirklich Vorschrift? Und was ist mit Vertrauensarbeitszeit? Die Rechtslage im Überblick.

In der neusten Folge von „Das geht! – Ein DRV-Podcast“ erzählt der Chef von über 600 Beschäftigen wie er noch vor dem Einstieg bei Upstalsboom den künftigen Mitarbeitern ihre Talente und Fähigkeiten abseits der fachlichen Qualifikation entlockt. 

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Betriebsrenten attraktiver machen. Das geht aus einem Entwurf hervor, den das Bundeskabinett am Mittwoch abgesegnet hat. Es soll für Unternehmen Anreize schaffen, mehr Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung anzubieten.