Geschwätzigkeit hat ihre Grenzen

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Wenn Mitarbeiter oder Führungskräfte in der Öffentlichkeit über ihren Arbeitgeber lästern oder gar Geheimnisse ausplaudern, kann sie das ihren Job kosten. Denn Verschwiegenheit ist nicht nur eine Stilfrage, sondern auch ein rechtlicher Anspruch.

Neulich im ICE nach Hamburg: Im Großraumwagen der ersten Klasse schimpften zwei Manager wie die Kesselflicker über ihren Arbeitgeber in einer Lautstärke, dass die Mehrheit der Mitreisenden immer spitzere Ohren bekam. Der (namentlich benannte) Vorstandsvorsitzende sei ein inkompetenter Vollidiot, der seit seinem Amtsantritt nur unfähige Leute um sich geschart habe und durch seinen unmöglichen Führungsstil die alte Kultur des Unternehmens langsam, aber sicher zerstören würde. So der O-Ton der Beiden. Ich gestehe, ich konnte mir beim Aussteigen die Bemerkung zu den Lästerern nicht verkneifen, ich hätte in den nächsten Tagen ohnehin mit ihrem Vorstand zu tun und würde ihm gern von ihren „Beschwerden“ berichten. Sie hätten die roten Köpfe der Ertappten sehen sollen. Das sprach Bände. Angeschwärzt habe ich sie natürlich nicht.

Hättest Du geschwiegen...

Gewiss haben auch Sie schon mal ähnliche Beispiele von Wichtigtuerei und Geschwätzigkeit erlebt. Da werden im Restaurant oder auf Kongressen die neuesten Entwicklungen oder Personalien lauthals zum Besten gegeben. „Ham‘ se schon gehört…?“ Die Gerüchteküche wird angeheizt. Die Geschwätzigkeit kennt keine Grenzen. In der Politik erleben wir das immer wieder, wenn Informationen aus geheimen Sitzungen an die Presse „durchgestochen“ werden.

„Si tacuisses, philosophus mansisses“, so wussten schon die alten Römer, dass Verschwiegenheit zu den wichtigsten Tugenden der intelligenten Kommunikation gehört: „Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben“. Und das ist nicht nur eine Frage des guten Stils und der Seriosität. Rechtlich bewegen sich plaudernde Arbeitnehmer auf einem sehr schmalen Grat, oft, ohne sich darüber bewusst zu sein. Schließlich sind sie verpflichtet, über Interna des Arbeitgebers Stillschweigen zu bewahren. Dazu gehören nicht nur Betriebsgeheimnisse, Personalien, Geschäftsvorfälle, Vergütungsfragen oder neue Entwicklungen. Es gilt vor allem für Informationen über das Unternehmen, die nur einem kleinen (eingeweihten) Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Dazu gehören nicht nur Aussagen über die prekäre finanzielle Situation des Arbeitgebers, geplante Lohnkürzungen oder aber Fusionspläne, Betriebsübernahmen, geplante Entlassungen und neue Expansionsprojekte. Sogar locker dahin gesagte Sprüche von Verkäufern über die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden zählen dazu. Keine Verschwiegenheitspflicht besteht dagegen, wenn jeder ohne Schwierigkeiten an die Informationen selbst herankommen könnte. Was in der Bilanz des Unternehmens oder bereits im Internet zu finden ist, ist also kein Geheimnis. Aber wen interessiert das schon? Es gilt, wenn wir ehrlich sind, das Motto „Nichts riecht so süß wie die Leichen im Keller der anderen“.

Schwieriger sind die Fälle, in denen der Mitarbeiter keine Geheimnisse weitergibt, sondern über seinen Arbeitgeber öffentlich lästert. Natürlich gehört zur Meinungsfreiheit auch das Recht, negative Wertungen über seinen Chef oder Arbeitsplatz abzugeben. Die Grenze liegt aber da, wo die Geschäfts - oder Rufschädigung beginnt, wo sie „öffentlichkeitswirksam“ werden - abgesehen davon, dass der Lästerer sich selbst ein Eigentor schießt. Denn er betreibt ganz offensichtlich Nestbeschmutzung. Das gilt übrigens auch für Bewerbungsgespräche, wo auf die Frage nach der Wechselmotivation des Kandidaten Lästertiraden gegen den Noch-Arbeitgeber erwidert werden. Welcher neue Chef fragt sich dann nicht unweigerlich: „Wann redet der so über mich?“


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Jobverlust für Wichtigtuer

Ob eine lästerliche Äußerung in der Öffentlichkeit, ein unverschämter Leserbrief in der Zeitung mit Schimpftiraden gegen den eigenen Arbeitgeber oder ausgeplauderte geheime Informationen - Mitarbeiter, die gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen, schaden mit ihrer Geschwätzigkeit nicht nur ihrer eigenen Reputation. Sie setzen ihren Ruf als jemand aufs Spiel, dem man etwas anvertrauen kann, der verschwiegen und verlässlich ist. Mehr noch: Wer nach dem Motto „Herr Lehrer, ich weiß was…!“ verfährt, um sich wichtig zu machen, riskiert seinen Job. Bei mangelnder Loyalität, Geheimnisverrat oder bewusst geschäftsschädigendem Verhalten kann der Arbeitgeber dem Mitarbeiter kündigen – oft sogar fristlos. In klaren Fällen bedarf es nicht einmal einer Abmahnung. Jetzt mag sich mancher Lästerer in Sicherheit wiegen, weil sein Verhalten später nicht nachweisbar sei. Wie das Beispiel aus dem ICE gezeigt hat, hätte das für die Beteiligten auch schief gehen können.

Ein weiteres Beispiel aus Praxis mag die ganze Tragweite des Themas verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, ein wichtigtuerischer Headhunter begründet unter Branchenkollegen, warum er Sie als Bewerber für eine wichtige Position aus dem Rennen gekickt hat. Oder ein indiskreter Personalchef plaudert am Stammtisch darüber, dass er den Auftrag hat, Ihre derzeitige Position neu zu besetzen oder gar den Personalabbau eines ganzen Werkes vorzubereiten. „Nicht möglich!“ sagen Sie? Alles schon da gewesen. In Kreisen seriöser Personalberater gelten daher extrem strenge Spielregeln, mit denen sichergestellt wird, dass vertrauliche Informationen über Kundenunternehmen oder Bewerber grundsätzlich nicht an Unbefugte weitergegeben werden dürfen. Dazu verpflichtet er auch seine Klienten. Kein Wunder, dass der Berater oft im Erstkontakt mit Ihnen „Ross und Reiter“ (den Namen seines Auftraggebers) noch nicht nennen kann. Umgekehrt behandelt er auch Ihre Informationen diskret und muss von Ihnen erwarten können, dass Sie die Ihnen anvertrauten Zahlen, Daten, Fakten über sein Suchmandat und seinen Auftraggeber ebenso vertraulich behandeln. Dieser Code of Conduct dient dem Schutz der Diskretion für alle Beteiligten. Ein Verstoß dagegen bedeutet die „rote Karte“ für jeden Plauderer. Und glauben Sie mir: Personalberater haben Gedächtnisse wie Elefanten.


Autor
Albrecht von Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung
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