Mit Scheitern umgehen: Auch Seepferdchen schlucken Wasser

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Gekündigt? Verluste erlitten? Die Chance einer Biografie des Scheiterns war nie so groß wie heute. Zumindest müssen Führungskräfte und Unternehmer mit temporären Einbrüchen in der beruflichen Schönwetterkurve rechnen. Wie geht man damit um? 

Erinnern Sie sich? Als Sie so etwa vier oder fünf Jahre alt waren, machten Sie gerade Ihr „Seepferdchen-Abzeichen“. Zur Erklärung für die nicht mit der Erziehung von Kindern befassten Mitmenschen: Man versteht darunter ein Schwimmabzeichen für die Jüngsten. Ihre stolzen Eltern durften am Beckenrand mit fiebern, was die kleinen Wasserratten aus den Unterweisungen des Bademeisters für dem Umgang mit dem kühlen Nass so gelernt hatten: Am Anfang kräftig strampeln, sich nicht davon abschrecken lassen, wenn man ab und zu mal etwas Wasser schluckt, erkennen, dass es mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen besser geht, und wenn alle Stricke reißen: Einfach laut um Hilfe rufen! 

Wenn Sie mich fragen: Hier handelt es sich um echtes Basiswissen, dass so manchem Manager gut zu Gesicht stehen würde. Glauben Sie einem erfahrenen Headhunter und Management Coach: Auch so genannte Karriere -und Erfolgspfade verlaufen längst nicht immer so geradlinig, wie es uns die Karrieremedien weismachen wollen. Will heißen: Oft endet der wagemutige Sprung ins kalte Wasser statt mit eleganten Bahnen durch das Becken mit einem schmerzhaften Bauchklatscher. Nur wird davon in den Führungsetagen selten erzählt. Scheitern gilt nicht, gehört nicht zum Vokabular der Erfolgreichen.

Schade eigentlich! Denn sich einzugestehen, dass man gescheitert ist, ist ja nur die eine Seite. Viel entscheidender ist doch, was jemand aus Niederlagen gelernt hat, wie er mit Rückschlägen umgeht. Verharrt man in der Ecke des Jammerns oder Schmollens? Besser nicht! Aus dem Desaster heraus Überlebensstrategien zu entwickeln, die einem persönlich weiterhelfen, ist doch die eigentliche Herausforderung für jeden von uns. Im Coaching erlebe ich häufig, dass Menschen daran enorm wachsen und aus der Krise gestärkt heraus gehen. 

 


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


 

 

Die Erfahrung eines Gescheiterten

Ein hochrangiger Konzernmanager aus der #Touristik berichtete mir neulich darüber, wie es ihm erging, als man ihm kündigte. „Ich wurde nach der Sitzung zu meinem Vorgesetzten gebeten. Dort eröffnete er mir, dass man sich nach 12 Jahren von mir trennen werde. Mich traf förmlich der Blitz. Schließlich hatte ich eine sehr gute Erfolgsbilanz vorzuweisen. Völlig konsterniert fragte ich nur noch, mit wem ich über die Ausstiegskonditionen verhandeln solle und bin gegangen.“ Gleich nach dem Gespräch rief er seine Frau an und berichtete ihr das Geschehene. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht die ganze Tragweite realisiert. 

Wie seine Kollegen reagiert haben, will ich wissen. In seinem unmittelbaren Umfeld habe betretenes Schweigen geherrscht, sagt er. Da er häufig international tätig war, wurde er von vielen Kollegen aus dem Ausland angerufen, die ihm Unterstützung anboten. Ob er diese Angebote angenommen habe? Nein, sagt er, er wollte einfach erstmal abtauchen, wieder mehr Zeit für Familie und Kinder haben. Kleinlaut gibt er zu, dass er diese Zeit auch brauchte, die eigenen Wunden zu lecken, seinen gekränkten Stolz zu überwinden. Ehrlich gesagt, er empfand den #Rauswurf als Schmach, als persönliche Niederlage. Am liebsten hätte er seinen Zorn auf allen medialen Kanälen hinausgeschrien in alle Welt. Gottlob hat er darauf verzichtet. Erst nach Wochen war er fähig, sich neu zu sortieren, versuchte sein eigenes Profil niederzuschreiben. Welche Assets habe ich eigentlich, die ich einem neuen Arbeitgeber bieten könnte? Das war gar nicht so leicht, denn er hatte sich ja jahrelang nicht bewerben müssen. Heute sagt er, es sei eine große Hilfe gewesen, in dieser Phase einen objektiven Coach an seiner Seite zu haben, einen, der nicht mit ihm Wunden leckte („Ach, Du Armer!“), sondern sachlich, analytisch, pragmatisch – aber auch verständnisvoll – Lösungswege aufzeigte. Das war harte Arbeit. 

Mit Hercules durchs Tal der Finsternis

Das alles erinnert sehr an Herkules. Er war bekanntlich ein starker Mann. Aber auch eine tragische Figur. Er hatte einen schlimmen Flop gelandet. Sein Ruf war ruiniert wegen seiner unbeherrschten Wutausbrüche und deren Folgen. Außerdem hatte er Schulden und seine Gesundheit war in katastrophalem Zustand. So erlebte der bis dahin erfolgsgewohnte Held seine erste Pleite. Um wieder auf die Beine zu kommen, brachte er allen Mut auf und ging in die Sklaverei. Nach Jahren im Tal der Tränen hatte er seine Lektion gelernt und wurde wieder der kraftstrotzende Held – bereit zu neuen Taten. Zwar hat nicht jeder die Auswirkungen einer Karrierekrise – wie Herkules – durch eigenes Verschulden selbst verursacht, doch gilt seine Geschichte wie keine andere als Metapher für den Mut, mit dem es immer wieder gelingen kann, selbst die größten Hürden oder Tiefen im Business-Leben zu nehmen. 

Das Stigma des Scheiterns

Anders als im angloamerikanischen Raum, wo es fast zum guten Ton gehört, mindestens einen Job oder ein Unternehmen in den Sand gesetzt zu haben, wird berufliches #Scheitern hierzulande mit einem Stigma belegt. Der Gescheiterte wird bedauert – mit einer Portion Schadenfreude, dass einem selbst die Schmach erspart blieb – vielleicht sogar gemieden (Achtung! Erhöhte Ansteckungsgefahr!), im schlechtesten Falle an den medialen Pranger gestellt („Bad news is good news“). Gescheiterte werden aus bestimmten Kreisen ausgeschlossen. Somit wird Scheitern nicht nur zu einer höchst persönlichen, sondern auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Erfahrung. Einige ehemalige Kollegen trifft man später irgendwann mal zufällig auf der Straße. „Ich wollte Dich eh schon längst mal anrufen und hören, wie es Dir geht“ Das wirkt unehrlich. Ich bin überzeugt, was ein Gekündigter am wenigsten braucht, ist Mitleid. 

Flucht ist keine Lösung

Als Konsequenz entwickeln Führungskräfte einen Fluchtmechanismus. Mit viel Kreativität verdrängen sie das Erlebte und entscheiden sich für die Flucht aus der vermeintlichen Misere: Scheitern wird verschwiegen, im Lebenslauf übertüncht, verharmlost oder schöngeredet. Meist sind die Anderen schuld für die eigene Niederlage. Nicht selten wird ein Scheitern als Wink des Schicksals interpretiert, es bloß nie wieder zu versuchen. Resignation ist die Konsequenz. Es entsteht der verzweifelte Versuch, nur kein Risiko mehr einzugehen. Viele Manager entscheiden deshalb gar nichts mehr. Und genau das kostet oft viel mehr als an Schaden vermieden wird. Flucht ist also keine Option – es sei denn, es ist die Flucht nach vorn! 

Der Druck des Wandels

Die zunehmende Dynamisierung der Wirtschaft – egal ob Hospitality, Finanzwesen, Bauwirtschaft und viele andere - führt dazu, dass die einmal erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen künftig nicht mehr ausreichen, um in der Berufs -und Arbeitswelt ein Erwerbsleben lang bestehen zu können. Analog dazu entwickeln sich ständig kürzere Produktzyklen und neue Dienstleistungsangebote in Industrie und Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Menschen permanent neu orientieren und weiterentwickeln, um die sich bietenden Chancen nutzen zu können. Auf der anderen Seite werden wir immer häufiger die Erfahrung machen, dass Fehler dabei nahezu unvermeidbar sind, dass die einmal beschrittenen Wege von einem auf den anderen Tag abrupt zu Sackgassen werden können, weil sich die Erfordernisse des Marktes schlagartig geändert haben. Aktuell geltender State of the Art ist bereits nach kurzer Zeit angestaubt. Diese Geschwindigkeit kann Menschen ganz schnell mal überfordern. 

Erfolg durch Scheitern

Der moderne Mensch bewegt sich in einem hochkomplexen und diffizil vernetzten, dynamischen System. Die Resultate kennen wir inzwischen alle. Sie heißen „Patchwork-Biografie“, „Arbeitsnomadentum“ oder gar „Burnout“. Was schließen wir daraus? Wenn man Scheitern nicht mehr grundsätzlich ausschließen kann, sollte man es besser gleich von vornherein einplanen. Denn die Einflüsse, die die Rahmenbedingungen von Karrieren definieren, sind für viele Menschen nicht mehr greifbar – und daher nicht beeinflussbar. 

In jahrzehntelanger Beobachtung von Führungskräftekarrieren stellen wir zunehmend fest, dass Manager, die schon mal gescheitert sind, beim zweiten Anlauf erfolgreicher sind. Das heißt auch: die Wahrscheinlichkeit, wieder zu scheitern ist erheblich geringer geworden. Die Betroffenen haben inzwischen ein Gefühl dafür entwickelt, an welcher Weggabelung sie abbiegen müssen – selbst auf die Gefahr hin, kurz darauf festzustellen, dass es die falsche Richtung war. „Umwege erhöhen die Ortskenntnisse“ sagte neulich ein Betroffener. Die Art, wie jemand mit Flops umgeht, ist für mich der Indikator für seinen mutigen Umgang mit dem unkalkulierbaren Wandel. Manager von heute haben es mit Märkten zu tun, die kaum berechenbar sind. Da sind Niederlagen oft unvermeidbar. Unternehmen müssen sich fragen, ob sie statische Bewahrer oder mutige Veränderer im Management wollen.  

Was können wir daraus lernen? Die meisten Gescheiterten (Unternehmer wie Führungskräfte) sind durch den Absturz noch besser geworden. Sie haben Mut bewiesen und die Kunst des Scheiterns gemeistert. Wer das begriffen hat, ist vom „Seepferdchen“ zum „Freischwimmer“ avanciert. Er hat vielleicht immer mal wieder Wasser geschluckt, aber er ist bestimmt nicht abgesoffen.


Autor

Albrecht von Bonin

avb Management Consulting

www.avb-consulting.de

VON BONIN + PARTNER Personalberatung

www.von-bonin.de


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Betriebsferien ermöglichen es Arbeitgebern, einen Zeitraum festzulegen, in dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Urlaub nehmen müssen. Aber: Einfach so und spontan geht das nicht.

In der Corona-Pandemie haben zahlreiche Beschäftigte von zu Hause gearbeitet. Trotz aktueller Debatten über die Rückkehr ins Büro zeigt eine neue Studie: In vielen Firmen ist das Homeoffice etabliert.

Azubis dringend gesucht – mehr denn je ist das leider für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand für die Zahl der Betriebe, die nicht genug Nachwuchs finden.

Sie haben Ihren Urlaub geplant, doch dann trifft eine unerwartete Urlaubssperre durch den Chef ein? Aus welchen Gründen kann das möglich sein und wie lang darf eine Urlaubssperre andauern?

Zum Jahresbeginn 2025 tritt der neue Gefahrtarif der Berufs­genossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) in Kraft. Auf dieser Grundlage berechnet die BGN die Beiträge für ihre Versicherungs- und Betreuungsleistungen.

Ausbildungsplatz sucht Azubi - so kann man die Lage vieler Betriebe inzwischen beschreiben. Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm - und die Firmen müssen kreativ werden.

Von Zuhause aus zu arbeiten, hat viele Vorteile: Man spart sich den Weg ins Büro und kann am Schreibtisch ungehemmt snacken. Damit das Homeoffice wirklich gut klappt, ist noch etwas wichtig: Lüften.

Laptop einstecken und heimlich im Urlaub arbeiten? Eine Befragung zeigt: für ein Drittel der Beschäftigten ein No-Go. Ist arbeiten aus dem Ausland überhaupt erlaubt und welche Konsequenzen drohen?

Bei einer Kündigung stellt sich auch immer die Frage: Was passiert jetzt eigentlich mit dem Resturlaub? Stehen dem Gekündigten die Urlaubstage noch zu? Muss der Arbeitgeber sie ausbezahlen? Und was, wenn der Arbeitgeber den Resturlaub verweigert?

Für Fraport gibt es im zweiten Quartal ein Plus bei Umsatz und Gewinn. Die Probleme von Boeing wirken sich allerdings auch auf den Flughafenbetreiber aus. Und auch bei Airbus läuft es nicht ganz rund.