Schluss mit Aufschieben: Wie ungeliebte Arbeiten endlich erledigt werden

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

«Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen»: Mit dem vielzitierten Sprichwort können Menschen, die zum Prokrastinieren neigen, erdenklich wenig anfangen.

Der Diplom-Psychologe Florian Becker beschreibt Prokrastination als «das irrationale Verzögern oder Unterlassen einer Tätigkeit ohne Rücksicht auf die zu erwartenden negativen Konsequenzen».

Das geschieht nicht aus Unwissenheit oder Faulheit. Sondern, weil sich Menschen mit Hang zur Prokrastination schlichtweg nicht dazu aufraffen können oder lieber andere Dinge tun. Jemand lernt nicht, obwohl er weiß, dass bald eine Klausur ansteht. Oder jemand surft lieber im Internet, obwohl er weiß, dass die Führungskraft auf die Quartalszahlen wartet.

Viel Freiraum bietet Spiel für Prokrastination

Besonders anfällig für Prokrastination seien Menschen, die das Glück haben, in ihrem Job viel Handlungsfreiraum zu haben, sagt Anna Höcker, Psychologin, Buch-Autorin und Coachin. Führungskräften kann es da genauso gehen wie Studierenden. Hier ist gute Selbststeuerung gefragt. «Funktioniert sie nicht oder ist sie nicht gut trainiert, steigt das Risiko für Prokrastination.»

Besonders schwierig ist das im Homeoffice. Anna Höcker hat zehn Jahre lang die Prokrastinationsambulanz der Universität Münster geleitet und dort einen Selbsttest zur Prokrastination entwickelt. «Gelegentliches Aufschieben ist in der Regel unproblematisch, und nicht jeder, der gelegentlich mal aufschiebt, hat ein Problem», sagt sie.

Die inneren Alarmglocken sollten aber schrillen, wenn man sich wegen des Verschiebens immer wieder über sich selbst ärgert und nur noch selten entspannt seine Freizeit genießen kann. Etwa, weil man ständig an die aufgeschobene Arbeit denkt. Oder wenn Deadlines - wenn überhaupt - nur unter großem Druck eingehalten werden können.

Wenn Aufschieben zum Problem wird

«Aufschieben wird dann zum Problem, wenn es chronisch und exzessiv wird und sich immer wieder negativ auf Ihr Wohlbefinden und Ihre Zufriedenheit auswirkt», sagt Höcker. Bei vielen geht es soweit, dass auch persönlich wichtige Ziele beeinträchtigt sind.

Zudem leidet die Arbeitsfähigkeit. «Menschen, die ständig aufschieben, haben nicht nur Stress und Schuldgefühle, sie sind auch weniger erfolgreich im Studium und im Beruf, sie leisten weniger, sie verdienen weniger und sie sind eher single», sagt Wirtschaftspsychologe Florian Becker.

Anfällig können zum Beispiel Menschen sein, die sich schnell langweilen oder eine schwach ausgeprägte Impulskontrolle haben. «Eher immun sind diejenigen, die an die eigene Kompetenz glauben und selbstbewusst sind», sagt Becker.

Sobald Prokrastinierer vor einer Aufgabe stehen und Druck spüren, suchen sie unbewusst nach einem Ausweg: «Sie betäuben entweder ihr Gefühl durch Ablenkung oder suchen eine andere Aufgabe, die ihnen ein schnelles Erfolgserlebnis gibt.» Das heißt: Sie räumen den Schreibtisch auf, vertiefen sich in ein Computerspiel oder chatten durch soziale Netzwerke.

Mit Faulheit hat das nichts zu tun. Eher mit mangelnder Impulskontrolle und damit, dass man jedem Reiz sofort nachgibt. «Das Perfide ist, dass das Gehirn lernt: Wenn du Druck hast, hilft mir das. Aber wenn der Druck weiter steigt, dann musst du noch mehr Netflix schauen, noch mehr Computerspielen ...», so Becker.

Den Teufelskreis durchbrechen

Wie aber schafft man es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen? «Es mag sich trivial anhören», sagt der Wirtschaftspsychologe. «Aber es bedeutet: Anfangen, einfach starten. Denn genau das ist ja das Problem.» Und wenn es nur fünf Minuten sind, die man lernt oder an den neuen Zahlen sitzt: Wichtig ist, überhaupt diesen Anfang zu schaffen.

Dabei hilft natürlich, die systematischen Ablenkungen abzustellen. Etwa, indem man die eigene Zeit auf sozialen Medien reduziert oder ein festes Zeitfenster für die Nutzung festlegt. Nicht zuletzt ist alles eine Frage des Trainings: Je öfter es gelingt, mit einer aufgeschobenen Tätigkeit anzufangen, desto länger kann man irgendwann durchhalten.

Aufgaben großzügig streichen

Wichtig ist, sich nicht von falschen Glaubenssätzen leiten zu lassen wie: «Das Projekt ist so wichtig, ich kann nur daran arbeiten, wenn ich in der perfekten Stimmung dafür bin!« Oder: »Ich kann nur unter Druck arbeiten!»

Für Anna Höcker sind es genau solche Gedanken die Menschen hindern, mit Leichtigkeit an ihre Arbeit zu gehen. Ihr Tipp: Prioritäten setzen. Was ist wichtig und was nur «nice to have?». Das sei besser als sich in langen Listen und Details zu verzetteln.

«Fragen Sie sich auch, ob Sie die Aufgabe überhaupt erledigen wollen und falls ja, warum», rät sie. «Sollte Sie unwichtig sein, streichen Sie sie doch gleich ganz von Ihrer Liste. Dann müssen Sie auch kein schlechtes Gewissen haben.»

Übrigens: Auch jene Menschen, die sofort immer alles erledigen, die also «prekrastinieren», haben es nicht immer leichter. Im Gegenteil. «Wer immer rein reaktiv ist, verliert oft die Orientierung», sagt Florian Becker. Wenn man im vorauseilenden Gehorsam alles sofort abarbeitet, bedeutet es nicht, dass das die Felder sind, mit denen man am meisten Punkte macht. Anders formuliert: «Du musst wissen, was wirklich wichtig ist.» Und dann anfangen. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Azubis dringend gesucht – mehr denn je ist das leider für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand für die Zahl der Betriebe, die nicht genug Nachwuchs finden.

Sie haben Ihren Urlaub geplant, doch dann trifft eine unerwartete Urlaubssperre durch den Chef ein? Aus welchen Gründen kann das möglich sein und wie lang darf eine Urlaubssperre andauern?

Zum Jahresbeginn 2025 tritt der neue Gefahrtarif der Berufs­genossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) in Kraft. Auf dieser Grundlage berechnet die BGN die Beiträge für ihre Versicherungs- und Betreuungsleistungen.

Ausbildungsplatz sucht Azubi - so kann man die Lage vieler Betriebe inzwischen beschreiben. Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm - und die Firmen müssen kreativ werden.

Von Zuhause aus zu arbeiten, hat viele Vorteile: Man spart sich den Weg ins Büro und kann am Schreibtisch ungehemmt snacken. Damit das Homeoffice wirklich gut klappt, ist noch etwas wichtig: Lüften.

Laptop einstecken und heimlich im Urlaub arbeiten? Eine Befragung zeigt: für ein Drittel der Beschäftigten ein No-Go. Ist arbeiten aus dem Ausland überhaupt erlaubt und welche Konsequenzen drohen?

Bei einer Kündigung stellt sich auch immer die Frage: Was passiert jetzt eigentlich mit dem Resturlaub? Stehen dem Gekündigten die Urlaubstage noch zu? Muss der Arbeitgeber sie ausbezahlen? Und was, wenn der Arbeitgeber den Resturlaub verweigert?

Für Fraport gibt es im zweiten Quartal ein Plus bei Umsatz und Gewinn. Die Probleme von Boeing wirken sich allerdings auch auf den Flughafenbetreiber aus. Und auch bei Airbus läuft es nicht ganz rund.

Mehr als 1,3 Millionen der 18,6 Millionen Altersrentnerinnen und -rentner in Deutschland arbeiten zusätzlich. Wichtige Beweggründe für das Arbeiten im Alter sind Spaß an der Arbeit, Sinnstiftung und Kontakt zu anderen Menschen.

Den Metalllöffel aus Versehen mit in die Mikrowelle gestellt? Dann fliegen gleich die Funken. Oder vielleicht auch nicht? Ein Experte erklärt, was in die Mikrowelle darf und was besser draußen bleibt.