Talent Management - besser Fritz als Fritzchen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Mehr denn je sind Unternehmen darauf angewiesen, gute Mitarbeiter zu finden und an sich zu binden. Spitzenkräfte können sich ihren Arbeitgeber inzwischen aussuchen. Kluges Talent Management ist daher das Gebot der Stunde.

Der vielerorts beklagte Mangel an Fach- und Führungskräften stellt das HR-Management vor eine Herkulesaufgabe. Wie können Unternehmen die echten Talente erkennen und finden? Wie schafft man den Nährboden, auf dem die Talente gedeihen? Und was sind eigentlich die Grundlagen für eine Organisation, die auf gezieltem Talent Management basiert?

 Vor einigen Tagen traf ich einen internationalen Human Resources Manager nach langer Zeit wieder. An seiner Funktion habe sich nichts geändert, erzählte er. Allerdings stehe jetzt auf seiner Visitenkarte der Titel „Talent Manager“ – das entspräche ja viel eher seiner wirklichen Aufgabe. "Oh, das klingt wichtig!" dachte ich. Er ist kein Einzelfall. Wie so häufig, wenn eine neue Sau durch das Personaler-Dorf getrieben wird, ist das Schlagwortgetöse groß. Weil Talente knapp sind, sei Talent-Management wichtig und umfasse alles, was dazu führe, dass die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit am richtigen Platz die richtigen Ergebnisse im Unternehmen produzieren und gebunden werden. Aber so einfach ist die Sache nicht.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Kein alter Wein in neuen Schläuchen

Talent Management ist keine neue Management-by-Methode, es ist auch keine Revolution des Human Resources Managements, kein neuer Name für High Potential Programme. Talent Management ist im Wesentlichen aus der Erkenntnis gewachsen, dass wirtschaftlicher Erfolg im harten Wettbewerb in hohem Masse davon abhängt, dass Veränderungen im Unternehmen umgesetzt werden. Und dafür braucht es Menschen, die in wirtschaftlichen Zusammenhängen denken können, neugierig und offen sind für neue Märkte, Themen, Produkte, Aufgaben. Talente eben, die über die soziale Kompetenz verfügen, andere zu überzeugen und einen Weg zum gemeinsamen Ziel zu finden.

Diese Kompetenzen stehen nicht nur in den meisten Anforderungsprofilen für Führungskräfte, sondern für alle Positionen und Aufgaben, in denen Leadership gefragt ist – in Projekten, gegenüber Kunden, Gästen, beim Aufbau neuer Märkte oder gar bei Restrukturierungsprozessen. Mehr noch: Wenn ein Unternehmen versäumt, seinen Fokus auch auf die Talente des Lower Levels zu richten, wird seine Pipeline für den Führungsnachwuchs langsam, aber sicher austrocknen. Mühselige, zeitaufwendige und teuere Rekrutierung in der Führungsspitze sind dann die Folge. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnt diese Erkenntnis eine noch höhere Dramatik.

Wie findet man Spitzentalente?

Überdurchschnittliche Leistungsnachweise, z.B. Abiturnoten, Lehrabschluss mit Auszeichnung, Studienabschlüsse, Arbeitszeugnisse lassen zwar den Talent Scout zwar hellhörig werden. Doch stellen Menschen mit außergewöhnlicher Fähigkeit schon Talente dar? Falls wir die Spitzenklasse als Maßstab nehmen, ist die Antwort ein klares „Nein“. Herausragende Fähigkeiten allein genügen nicht. Es muss noch etwas sehr Wichtiges hinzukommen: die Prognose, dass sich dieser Mensch bei konsequenter Förderung, mit Eigeninitiative und zunehmender Erfahrung zum „Weltklasse Performer“ entwickeln wird. Dafür ist vor allem eine überdurchschnittliche Lernfähigkeit zwingend erforderlich. Ein Blick in seinen beruflichen Werdegang zeigt: Wo stand dieser Kandidat vor drei oder fünf Jahren? Wo steht er heute? Welche Eigeninitiativen hat er gezeigt, um sich selbst weiterzubilden? Wie hat er sich danach entwickelt oder tritt er immer noch auf der Stelle? Die Antworten auf diese Fragen bringen uns auf der Suche nach den „Gold Nuggets“ ein großes Stück weiter.

Aber aufgepasst: Das Aufspüren von Weltklassetalenten ist nicht nur einigen wenigen Top Recruitern in den Konzernen vorbehalten. Weltklasse findet man auch bei Kandidaten für ganz normale Jobs in relativ kleinen oder unbekannten Betrieben. Leider werden diese hier aber häufig kaum gefördert. Fehlt es an den finanziellen Möglichkeiten oder am passenden Stellenprofil? Meiner Beobachtung nach sind viel eher andere Gründe dafür verantwortlich: Prüfen Sie doch mal, wer von Ihren Führungskräften in den letzten Jahren Mitarbeiter rekrutiert hat, die sie in der Karriere inzwischen überholt haben. Die Bilanz sieht oft beschämend aus. Die Rechtfertigung dafür lautet: Ein gefördertes Talent könnte ja auf die dumme Idee kommen, am Stuhl des Chefs zu sägen, mehr Geld zu fordern oder zur Konkurrenz abzuwandern. Die Förderung sei kontraproduktiv, ist die Reaktion dieser Chefs. Schließlich könne der so Geförderte ja im eigenen Unternehmen dann nicht mehr lange gehalten werden. Wie kurzsichtig! Das „Fritz-sucht-Fritzchen-Syndrom“ ist leider mehr Realität als die Phrase aus vielen Firmenleitbildern: „Wir wollen nur die Besten“.

 Machen wir uns klar: Entscheidungsträger in der Personalauswahl haben die Aufgabe, intelligentere, leistungsfähigere, talentiertere Menschen zu finden, als sie es selbst sind. Unternehmenslenker, Top Manager und Vorstände sollten sich also nicht allzu wichtig nehmen. Vergessen wir nicht: Verstand ist etwas gänzlich anderes als Vorstand.

 Zum Teufel mit dem Charisma

Zurück zum Aufspüren von Spitzentalenten: Natürlich suchen wir ständig nach Parallelen im Persönlichkeitsprofil erfolgreicher Menschen. Das Resultat ist aber: Es gibt wenig Gemeinsamkeiten – auch wenn wir Hunderte, ja Tausende von Profilen vergleichen. Es gibt sehr viele unterschiedliche Persönlichkeitsbilder, die zu herausragenden Leistungen führen können. Dennoch können wir einige Auffälligkeiten feststellen:

Entscheidende Leute, die im Leben, im Beruf einen echten Unterschied zu anderen gemacht haben sind nicht – charismatisch. Daher mein Tipp für Ihre Suche nach Spitzentalenten: Suchen Sie keine charismatischen Blender. Spüren Sie vielmehr außergewöhnliche Menschen mit außergewöhnlichen Talenten auf, Menschen, die den Rahmen sprengen, die „out of the box“ denken und mutig handeln können. Menschen, die überraschen.

Bedauerlich empfand ich es nur immer wieder, dass so mancher Auftraggeber seinen Personalberater für verrückt erklärte, wenn er ihm derart außergewöhnliche Kandidaten präsentierte. Oft blieb dann dieses Talent auf der Strecke - vielleicht, weil es seinem Arbeitgeber Angst machte?

Erinnern wir uns: „Wie viele Führungskräfte haben in den letzten Jahren Mitarbeiter rekrutiert, von denen sie in der Karriere mittlerweile überholt wurden?“ Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie sich für einen „Fritz“ entschieden statt für ein „Fritzchen“?


Albrecht von Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung

www.von-bonin.de

avb Management Consulting

www.avb-consulting.de


Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Mehr als 1,3 Millionen der 18,6 Millionen Altersrentnerinnen und -rentner in Deutschland arbeiten zusätzlich. Wichtige Beweggründe für das Arbeiten im Alter sind Spaß an der Arbeit, Sinnstiftung und Kontakt zu anderen Menschen.

Den Metalllöffel aus Versehen mit in die Mikrowelle gestellt? Dann fliegen gleich die Funken. Oder vielleicht auch nicht? Ein Experte erklärt, was in die Mikrowelle darf und was besser draußen bleibt.

Unpassendes Schuhwerk, falsche Hosenfarbe oder zu lange Fingernägel: Nicht immer passt Arbeitgebern das Erscheinungsbild von Beschäftigten in den Kram. Aber welche Vorgaben dürfen sie machen?

Wegen Streik oder Unwetter am Urlaubsort gestrandet? Zusätzliche Urlaubstage klingen verlockend, aber nicht, wenn man eigentlich längst wieder arbeiten sollte. Diese Konsequenzen drohen Arbeitnehmern.

Ein deutsches Sprichwort lautet: „Nur Bares ist Wahres“. Mit der Realität beim Bezahlen in Deutschland hat dieser Spruch aber immer weniger gemein. Die Liebe zum Bargeld bröckelt.

In Sachsen-Anhalt haben die Sommerferien in diesem Jahr vergleichsweise früh begonnen. Auch weil das Wetter unbeständig war, lief das Geschäft in Hotels und Gastronomien nicht so gut.

Viele dürften das kennen: arbeiten, bis es nicht mehr geht - oder länger. Sind die Ansprüche, die Menschen an sich stellen, zu hoch, bedeutet das enormen Stress. Doch es gibt noch mehr Ursachen.

Für viele Arbeitnehmer in Deutschland gehören Überstunden zum Arbeitsalltag. Am weitesten verbreitet war Mehrarbeit im vergangenen Jahr in den Bereichen Finanz- und Versicherungsleistungen und Energieversorgung, am niedrigsten im Gastgewerbe.

Eine Abmahnung kann in der Personalakte verbleiben, ohne dass sie je verfällt. Aber trifft das auf alle Abmahnungen zu? Und: Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei unrechtmäßigen Abmahnungen?

Röstaromen sind geschmacklich eine feine Sache. Und für viele Genießer besonders lecker, wenn das Grillgut über Holzkohle lag. Doch steht der Kohlegrill drinnen, kann’s problematisch werden. Die BGN hat passende Tipps parat.