Thüringen, Sachsen und Bayern: Wo in Deutschland die Corona-Zahlen explodieren

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Petra Köpping geht es wie allen anderen. «Ich habe echt die Nase voll mit Corona», sagte Sachsens Gesundheitsministerin diese Woche. «Aber das interessiert das Virus nicht.» Die Pandemie wütet wieder mit voller Wucht. In ganz Deutschland explodieren die Fallzahlen, doch nirgends so wie in Sachsen, Thüringen und Bayern. «Das sind die drei Hotspots, die wir in Deutschland haben», weiß auch Köpping.

Die Deutschlandkarte des Robert Koch-Instituts zeigt vor allem den Südosten dunkelrot. Bundesweit gab es am Freitag den traurigen Rekord von 37 120 gemeldeten Neuinfektionen. Die Sieben-Tages-Inzidenz erreichte 169,9 - das sind die Corona-Ansteckungen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. In Thüringen aber lag sie mit 386,9 mehr als doppelt so hoch. Sachsen war fast gleich auf mit 385,7, danach Bayern mit 256,8. In etlichen Landkreisen der drei Länder liegt der Wert über 500, im oberbayrischen Landkreis Miesbach sogar über 700.

Die drei Länder wollen mit verschärften Regeln das Ruder herumreißen - vielleicht ein Vorgeschmack auf das, was bundesweit kommt. Die Gesundheitsminister der Länder versuchten am Freitag, sich bei einer Konferenz am Bodensee abzustimmen. Von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kam ein dringender Appell. «Wenn wir uns jetzt zu viel Zeit lassen, endet das im wie im vergangenen Jahr in einem Lockdown», sagte der CDU-Politiker am Freitag im Deutschlandfunk.

Über die Gründe für die dramatische Welle in seinem Land wollte Kretschmer nicht mehr so viel reden. Aber für Experten sind die Zusammenhänge eindeutig. «Das korreliert ganz eindeutig mit dem Impfniveau», sagt der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz, der vor allem die Lage in Sachsen analysiert.

Das Bundesland ist beim Impfen Schlusslicht: 56,9 Prozent der Bevölkerung waren Stand Donnerstag voll geimpft, im Vergleich zu 66,9 Prozent bundesweit. Thüringen lag mit 60,9 Prozent ebenfalls unterm Schnitt, ebenso wie Bayern mit 64,8 Prozent. Scholz kann den Zusammenhang bis ins Regionale herunterbrechen. In Sachsen gebe es Nachbarkreise, die strukturell ähnlich seien und sich nur durch die Impfquote unterschieden, sagt der Fachmann: Niedrige Impfquote bedeute höhere Infektionsraten.

Aber das kann nicht die einzige Erklärung sein, denn auch Brandenburg hat eine schwache Impfrate von 60,8 Prozent, aber längst nicht so hohe Inzidenzen. Bei früheren Corona-Wellen wurde vermutet, dass der hohe Altersdurchschnitt in Sachsen und Thüringen eine Rolle spielen könnte. Die ländlichen Strukturen wurden angeführt, die engeren Familienbande, die gesellige Vereinskultur. Auch der Grenzverkehr zu Tschechien und Österreich könnte eine Rolle spielen, denn in den Nachbarländern ist die Corona-Lage noch schlimmer als in Deutschland. Thüringen aber liegt nicht an der Grenze.

Das Erfurter Gesundheitsministerium sieht neben der niedrigen Impfquote vor allem zwei Gründe für die hohen Zahlen: die Häufung von Corona-Fällen in Kindergärten und Schulen und das späte Ende der Sommerferien. Neben Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg gehörte Thüringen zu den Bundesländern mit dem spätesten Ferienende. Die Inzidenzen bei den 6- bis 17-Jährigen lagen dort nach Angaben des Ministeriums in den letzten Wochen über 600. Drei Effekte könnten zusammenspielen: die späte Reiserückkehr, der Beginn der kalten Jahreszeit und der engere Kontakt in Innenräumen.

In Bayern ist vor allem das Grenzgebiet zu Österreich hart getroffen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte diese Woche, es gebe nicht nur ein bundesweites, sondern auch ein bayernweites Nord-Süd-Gefälle bei den Impfquoten. Allerdings: In Landkreisen mit besonders hohen Inzidenzen liegt die Impfquote teils über dem bayerischen Schnitt.

Rätselhaft bleibt oft auch für die Behörden, wo sich so viele Menschen mit Corona anstecken. «Das Infektionsgeschehen ist diffus», heißt es schlicht aus dem Landratsamt im Hotspot Miesbach. Kontrollieren könne man das nicht mehr, die Zahlen stiegen exponentiell. Kontakte würden nicht mehr nachverfolgt, auch Quarantäne-Anordnungen nicht mehr überprüft.

Nachdem schon mehrere Kommunen in Südostbayern die Corona-Regeln regional verschärft hatten, zog die Staatsregierung am Mittwoch nach: Für Hotspots mit einer Inzidenz von mehr als 300 und einer Auslastung der Intensivstationen von 80 Prozent gelten ab dem Wochenende die schärfsten Regeln der Corona-Ampel im Freistaat. Vieles ist dann nur für Geimpfte und Genesene zugänglich. Ausgenommen sind aber Gastronomie und körpernahe Dienstleister wie Friseure, wo auch ein negativer PCR-Test reicht, sowie öffentlicher Nahverkehr und Handel. Bayernweit müssen Schüler nach den Herbstferien wieder Masken tragen.

Sachsen und Thüringen versuchen ebenfalls, die Zügel zu straffen. Die thüringische Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) setzt auf Einschränkungen für Ungeimpfte, zumal sich auch die Lage in den Kliniken des Landes zuspitzt. In Pflegeheimen will sie die Testpflicht für Beschäftigte ausweiten. Bei den Kommunen pocht sie auf Umsetzung der Regeln in Warnstufe drei. Demnach dürfen nur noch Geimpfte, Genesene oder PCR-Getestete in Gaststätten.

Sachsen will ab Montag sogar durchgängig 2G: In Restaurants oder Veranstaltungen im Inneren dürfen dann nur noch Geimpfte und Genesene, ein Test reicht nicht. Das sei nicht unzumutbar, sagte Ministerpräsident Kretschmer in dem Radiointerview - vor allem im Vergleich zur kompletten Schließung von Geschäften und Restaurants.

Aber bringt 2G die Wende? Epidemiologe Scholz warnt, dass auch Geimpfte sich nicht zu sicher fühlen sollten. Der Impfschutz nehme nach sechs Monaten deutlich ab, am schnellsten bei älteren Menschen. «Die geimpften Risikogruppen sind jetzt wieder gefährdet, da muss man aufpassen», sagt der Leipziger Wissenschaftler.

Deshalb bräuchten Menschen über 70 Jahre jetzt dringend einen «Booster», und auch für alle anderen sei eine solche Auffrischung sinnvoll. «Ich verstehe nicht so ganz, dass man da so lange zögert», sagt Scholz. «Das ist jetzt wirklich höchste Eisenbahn.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Bis zum 23. September können sich auch Hoteliers und Gastronomen um den Deutschen Fachkräftepreis bewerben. Das Bundesministerium für Arbeit zeichnet innovative Lösungen und Beiträge zur Fachkräftesicherung und -gewinnung in insgesamt sieben Kategorien aus.

Vom 29. September bis 6. Oktober 2024 findet wieder die Aktionswoche: Zu gut für die Tonne! des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft statt. Bundesweite Mitmach-Aktionen rund um das Thema „Lebensmittelverschwendung“ sollen zu einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen motivieren.

Azubis werden dringender denn je gesucht: In der aktuellen "Ausbildungsumfrage 2024" meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand bei der Zahl der Betriebe, die nicht genügend Nachwuchs finden. Das Gastgewerbe gehört neben Industrie, Handel, Verkehrsbranche und Baugewerbe zu den am meisten betroffenen Branchen.

Der DEHOGA Bundesverband warnt aktuell vor zwei Betrugsmaschen. So habe der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität Hinweise auf Fake-Rechnungen erhalten. Bei einer zweiten aktuellen Betrugsmasche wird potentiellen Opfern Ware aus der angeblichen Insolvenzmasse eines Getränkemarkts angeboten.

Um das Gehalt aufzustocken, kann sich neben dem eigentlichen Hauptberuf noch ein Minijob eignen. Oder vielleicht sogar mehrere? Folgendes sollten Sie dazu wissen.

Viele der rund 1,2 Millionen Azubis machen einer Umfrage zufolge regelmäßig Überstunden. Angehende Köchinnen und Köche leisten demnach mit durchschnittlich 6,1 Überstunden pro Woche die meiste Mehrarbeit gefolgt von Hotel-Azubis.

Ist der Arbeitsplatz vom Wohnsitz weit entfernt, haben Arbeitnehmer manchmal eine zweite Wohnung in der Nähe vom Job. Welche Kosten für Heimfahrten sie bei der Steuererklärung geltend machen können.

Pizza und Pasta sind nicht nur in Italien in aller Munde: Auch in sechs anderen europäischen Ländern liegt die italienische Küche weit vorn. Am schlechtesten bewerten viele das Essen von der Insel. Das sehen auch die Briten so.

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Ent­spannung nach dem Urlaub hält bei vielen Beschäftigten nicht lange an. Jeder dritte Befragte ist bereits in der ersten Arbeitswoche nach dem Urlaub wieder urlaubsreif.

Frauen waren stets unzufriedener mit dem eigenen Einkommen als Männer. Diese Lücke ist einer Studie zufolge zuletzt zumindest kleiner geworden. Abgefragt wurde auch die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit.