Überfordert? Bloß nicht zugeben!

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Haben Sie das selbst schon erlebt? Die Anforderungen an Unternehmenslenker und ihre Führungskräfte steigen. Der wachsende Leistungsdruck verändert die Unternehmenskultur. Der Umgangston ist schärfer geworden. Ängste und Orientierungsverlust sind nicht selten die Folge. Aber niemand spricht offen darüber. Sind Manager überfordert? Und wenn ja - was läuft hier schief?

„Management ist wie Hollywood, sagte neulich ein bekannter Headhunter. „Die Mehrheit der Stars würde sich lieber die Zunge abbeißen als zuzugeben, dass sie überfordert sind. Alle sind nach außen hin immer super drauf und erfolgreich. Aber hinter den Kulissen fliegen die Messer tief. Die Managementwelt ziehe vor allem jene Charaktere an, die sich selbst für besonders hart und tapfer halten. Schwächen einzugestehen oder zu akzeptieren, überfordert zu sein, kommt für diese Menschen nicht infrage. Stress wandelt sich in Aggression und Verlust der rationalen Selbsteinschätzung. Damit kommen viele nicht klar. Ihre Glaubenssätze sind erschüttert, Geschäftspraktiken, die früher üblich waren, gelten heute als „old school“. In unserer Managementkultur gilt es noch immer als Schwäche, Überforderung zuzugeben oder um Hilfe zu bitten.

Rascher Technologiewandel, zunehmende Digitalisierung, KI, das Führen von Remote-Teams, hohes Tempo, harter Konkurrenzkampf um Kunden und Mitarbeiter bestimmen heute den Alltag von Managern und Unternehmern zusehends. Der Druck wächst. Scheitern ist nicht erlaubt. Das führt zu wachsender Verunsicherung – nicht zuletzt auch zu Vereinsamung in den Chefetagen. Da ist Überforderung vorprogrammiert.

Sind Führungskräfte einsame frustrierte Wölfe?

Nicht nur angestellte Top Manager, sondern auch die sogenannte „Fugenmasse“ in der mittleren Führungsebene und – man glaubt es kaum – immer mehr auch mittelständische Unternehmer spüren, dass die Welt des Managements komplexer geworden ist. Die Krisen unserer Zeit mit ihren Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben haben Unsicherheit und Orientierungslosigkeit ins Unerträgliche gesteigert.

Was sind die Gründe dafür? Die meisten Protagonisten in den Führungsetagen sind zwar fachlich gut aufgestellt, aber in Management- und Führungsfragen fehlt es oft an fundierter Expertise. Führen ist kein Studienfach. Es mangelt den Betroffenen an modernen Leadership-Kompetenzen – und letztlich – an Verständnis für die nachwachsende Mitarbeiter-Generation. Selbstreflexion und Empathie bleiben dabei auf der Strecke. Und im Mittelbau der Unternehmen beklagen viele Manager fehlende Ressourcen, anspruchsvolle Erwartungen der Mitarbeiter, lange Arbeitszeiten, fehlende Unterstützung oder gar Anerkennung aus der Top Etage. Sie fühlen sich „zwischen den Fronten“. Druck von oben und von unten – allein gelassen. In gewisser Weise sind mittlere Führungskräfte das Schmieröl, das die Strategien der Unternehmensspitze in individuelle Aktionen übersetzt, damit die Mitarbeiter an der Basis sie ausführen. Aber dieses Schmieröl löst sich langsam auf, weil es immer mehr Druck gibt, der auf das Middle Management einwirkt. Da Unternehmen bei Gehaltserhöhungen und Beförderungen zurückhaltender werden, sind mittlere Führungskräfte oft die Überbringer schlechter Nachrichten.

Eine weitere Herausforderung: Durchsetzung von „Zurück-ins-Büro“-Richtlinien. Einige sagen, dass der Job sich nicht mehr lohnt – und suchen nach einem Ausweg. Fragt man diese Manager, vermissen die meisten den vertraulichen persönlichen Dialog mit ehrlichem konstruktivem Feedback. Die Situation wird von Betroffenen oft als ausweglos empfunden. Denn meist kann das unmittelbare Umfeld dem Ratsuchenden nicht unvoreingenommen zur Seite stehen. Interessenskonflikte weit und breit: „Meine Familie versteht mich nicht – mein Chef legt es als Schwäche aus, mein Kollege verwendet es vielleicht zum eigenen Vorteil gegen mich und mein bester Freund hat eigene Probleme“. So ist häufig die Antwort der Betroffenen. Da darf man keine Achillesferse zeigen. Der Interessenskonflikt ist vorprogrammiert. „Ich habe niemanden, der mir objektiv und kompetent Antworten auf meine Fragen geben kann – und das auch noch streng vertraulich“.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Jammern auf hohem Niveau?

Müssten Manager und Unternehmer ihre Probleme nicht selbst lösen können? Schließlich werden sie dafür exzellent bezahlt. Das ist leicht gesagt. Nicht selten entstehen heute Probleme und Fragestellungen, für die es bisher noch gar keine Erfahrungswerte oder Lösungen gibt. Viele flüchten dann aus ihrer Überforderung in immer mehr Aktionismus. Quälende Fragen und Selbstzweifel bleiben ungelöst und führen zu Leistungsabfall, Entscheidungshemmnissen, Frustration, in Härtefällen zu Krankheit, Depression, Burn-Out – Flucht aus dem Job – oder gar in Suizid-Gedanken. Unternehmen, die dafür nicht sensibilisiert sind, erleiden, ohne es zu merken große Verluste an Produktivität und Know-how. Wenn z. B. die Unternehmensspitze zu viel Transformation zur gleichen Zeit fordert, können Mitarbeiter und Führungskräfte auf der Strecke bleiben. Die damit verbundenen Unsicherheiten führen dann zu Leistungsabfall, Überforderung oder Kündigungen, wenn dafür nicht genügend Zeit und Unterstützung bereitgestellt wird.

Die brennendsten Fragen der Manager

Ein Unternehmen, das sich der sozialen Verantwortung für seine Mitarbeiter bewusst ist, sollte auch das Management-Team im Auge behalten. Wie begegnen die Führenden den Herausforderungen des raschen Wandels? Ist unser derzeitiges Management darauf vorbereitet, die Herausforderungen der Zukunft in den Griff zu bekommen? Wo müssen wir unterstützen? Verändert sich ihr Führungsverhalten? Welche Fragen treiben sie um? Das Spektrum ist nach meiner Beobachtung bei den Betroffenen weit gefächert: Wird meine Leistung immer noch geschätzt? Ist meine Position noch sicher? Wie kann ich meine Performance weiter steigern? Stimmt etwas mit meinem Führungsstil nicht? Wie sollte ich meine Karriere weiter gestalten? Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Was bremst mich? Und bei Best Agern auf Führungsebene: Was kann ich tun, um im Transformationsprozess nicht als altes Eisen abgestempelt auf dem Abschiebegleis zu landen?

Gab es das alles nicht schon immer? Sicher! Doch die Geschwindigkeit in unserem Leben hat sich vervielfacht. Wir sprechen heute nicht umsonst von Speed Management. Hinzu kommen wachsende Anforderungen durch wirtschaftliche und politische Unsicherheiten; Compliance, Komplexität und Geschwindigkeit der Veränderungsprozesse, wachsenden Konkurrenzdruck – am Markt und in eigenen Reihen – das fordert die Leute in hohem Maße.

Und im Mittelstand? Da ist dann noch die Ungewissheit des Senior-Unternehmers bei seiner Nachfolgeregelung, der Stabwechsel auf den Junior, der sich am Anfang überfordert fühlt. All das war früher auch – aber nicht mit dem heutigen Tempo. Das baut Druck auf. Und es schreit nach Lösungen, die die Betroffenen oft nicht mehr allein finden. Ganz abgesehen von dem Wunsch nach mehr Work-Life-Balance, weil der Druck der Familie wächst und einem bald die Puste ausgeht.

Im Tal der Finsternis

Die meisten Fälle haben eines gemeinsam: Da ist das Gefühl zwischen Baum und Borke zu schweben, orientierungslos zwischen beruflichen, existenziellen Anforderungen und privater Erfüllung. Diesen Teufelskreis beobachten wir bei zahlreichen Manager-Karrieren, die es verzweifelt von Wechsel zu Wechsel treibt. Ob man dieses leistungsorientierte Wertverständnis nun richtig, notwendig oder bedauerlich findet – es bleibt die Tatsache, dass es viele Betroffene zum Ignorieren von Frühwarnsignalen einlädt. Die hohe Dunkelziffer von Depressionen im Management hat viele Gründe. In letzter Konsequenz lösen oft erst intensive körperliche oder geistige Störungen (Erschöpfung, Herzinfarkt, schwere Fehlleistungen etc.) einen Sinneswandel aus. Es kommt unweigerlich zu schwierigen Situationen.

Heroes don’t cry!

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass davon Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Während letztere sich leichter tun, über ihre Situation mit ihrem vertrauten Umfeld zu sprechen, sich frühzeitig Hilfe suchen, fressen Männer lange Zeit ihre Probleme in sich hinein. Auffallend oft betonen sie die nett gemeinte Frage „Na, wie geht‘ s?“ mit der spontanen Antwort „Alles bestens! Alles super!“ um weiteres Interesse ihres Gegenübers abzublocken und Schwäche zeigen zu müssen.

Ein mittelständischer Unternehmer hat es in diesem Konflikt noch schwerer: Er kann nicht mal eben den Job wechseln oder seinen Betrieb verlagern. Außerdem ist bei jedem Überforderten zu beobachten: Irgendetwas nagt im Inneren. Die Folgen: Rückzug aus dem sozialen Leben, Funkstille, Sprachlosigkeit, Dünnhäutigkeit, Aggressivität, Verzweiflung. Oft führt all das zu selbst gewählter Isolation, zum Totalverlust der Beziehungen in Job und Privatleben – am Ende nicht selten zu Suchtverhalten. Eine gewisse Überheblichkeit als Schutzmechanismus macht sich breit. Das Umfeld geht auf Distanz.

Gibt es Lösungswege aus der Misere?

Als Prophylaxe empfiehlt sich, mehrfach im Jahr eine ganz persönliche SWOT Analyse durchzuführen. Das ist wie eine ehrliche Bestandsaufnahme für das eigene Ich. Es geht darum, sorgsam mit sich selbst umzugehen, nicht ständig über seine Schwächen und Fehler zu grübeln, sondern sich seine Stärken bewusst zu machen und sie zu multiplizieren. Das zehrt weniger Kraft und bringt schnellere Ergebnisse. Wem aber schon die Luft zum Atmen fehlt, der sollte schnellstens gemeinsam mit einem neutralen Gesprächspartner seines Vertrauens Lösungen erarbeiten. Bestenfalls ist dies ein professioneller Coach oder Psychotherapeut

Was kann der neutrale Gesprächspartner hier als Mehrwert leisten?

Unternehmenslenker finden in ihm den diskreten Dialogpartner auf gleicher Augenhöhe – von Unternehmer zu Unternehmer. Angestellten Führungskräften ist ein Coach der objektive Dialogpartner für die persönliche Lebens- und Laufbahnentwicklung mit ganz anderen Fragestellungen: Wenn jemand nicht mehr leisten kann oder gar unter den Belastungen seiner Führungsaufgabe zusammenzubrechen droht, stellt sich die Frage, ob er noch auf der richtigen Position sitzt. Ist ein Jobwechsel jetzt die Lösung? Vielleicht sogar im derzeitigen Unternehmen? Oder sollte er für seine Position kämpfen? Andere wiederum treiben Fragen um wie: Wo liegen meine offenen Lernfelder? Wie kann ich mein Selbst Management verbessern? Wie geling mir als junger Chef der Einstieg in Führungsverantwortung für ein Team, das größtenteils älter ist als ich? Was mache ich ab 50? Habe ich bereits das Beste aus meinen Fähigkeiten gemacht? Und: Wie verhindere ich, mein soziales Umfeld zu verlieren?

Zugegeben - dieser Dialog erfordert Mut zur Selbstreflexion. Hier geht es „ans Eingemachte“. Er analysiert die Ursachen für Überforderung, ermöglicht aber auch den Blick auf bisher unerkannte Zukunftsoptionen, neue Perspektiven und Karrierechancen, setzt neue Kräfte frei und liefert Antworten auf brennende Fragen rund um die eigene Persönlichkeit, Selbst Management, Führungsverhalten, Beruf und Karriere. Das ist harte Arbeit – aber sie lohnt sich. Eine Investition ins eigene ICH. „Weil ich es mir wert bin!“


Autor
Albrecht von Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Freitags immer frei und trotzdem wie in einem Vollzeit-Job bezahlt werden: Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Verfechter von so einer Vier-Tage-Woche halten das aber für praxistauglich.

Das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern hat im ersten Halbjahr weniger Umsatz gemacht als ein Jahr zuvor - obwohl mehr Gäste im Land waren. Der Tourismusverband sieht mehrere Gründe dafür.

Schon jetzt machen sich viele bei Dunkelheit auf den Weg zur Arbeit. Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)​​​​​​​ rät deshalb zu erhöhter Vorsicht im Straßenverkehr. Und das aus gutem Grund.

Macht bald die Künstliche Intelligenz meinen Job? Und werde ich im Homeoffice komplett abgehängt? Den schnellen Veränderungen in der Arbeitswelt blicken viele mit Sorge entgegen, so eine Umfrage.

Das Jahr 2025 bietet, dank der Feiertage am Donnerstag und Freitag, viele Möglichkeiten für ein langes Wochenende. Mit einer geschickten Planung können Arbeitnehmer ihre freie Zeit maximieren - es sei denn, der Chef setzt andere Prioritäten.

Eigentlich sind Arbeitgeber verpflichtet, für Arbeitnehmer bei Reisen ins EU-Ausland eine A1-Bescheinigung einzuholen. Arbeitnehmer haben diese mitzuführen. Jetzt hat das Ministerium für Arbeit und Soziales ein Merkblatt hierzu aktualisiert und sieht „keine unionsrechtliche Verpflichtung besteht, eine A1-Bescheinigung in dem EU-Mitgliedsstaat mitzuführen“.

Wer immer wieder zu spät kommt oder unentschuldigt fehlt, riskiert eine Abmahnung vom Arbeitgeber - mit potenziellen Folgen. Sie wird in der Regel in die Personalakte aufgenommen, kann die Chancen auf eine Beförderung beeinträchtigen und im Wiederholungsfall sogar zur Kündigung führen. 

Während sich viele mit dem Eintritt in den Ruhestand am gesetzlichen Renteneintrittsalter orientieren, zeigt die aktuelle SumUp-Händlerumfrage, dass ein erheblicher Teil der Selbstständigen plant, auch über dieses Alter hinaus zu arbeiten.

Die Umsatzlage im Gastgewerbe blieb im gesamten ersten Halbjahr 2024 angespannt. Das zeigen die zeitverzögert veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts: Auch wenn die Umsätze nominal 10,7 Prozent über dem Vorcoronaniveau des ersten Halbjahrs 2019 lagen, blieb unter dem Strich ein reales Umsatzminus von 12,1 Prozent.

Nach einem aktuellen Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sind gezahlte Zuschüsse im Rahmen der Corona-Soforthilfen beitragspflichtig. Das gilt selbst dann, wenn die Soforthilfen später zurückgezahlt werden müssen, weil die Voraussetzungen für die Zahlung der Sofort-Hilfen nicht gegeben waren.