Von Stechuhr bis Nachtarbeit: Kontroverse um Urteile des Bundesarbeitsgerichts

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Arbeitszeitmodelle wie Homeoffice und mobiles Arbeiten sind nach Auffassung der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Inken Gallner, nach dem «Stechuhr-Urteil» der höchsten deutschen Arbeitsrichter nicht passé. «Das Urteil schafft Vertrauensarbeitszeitmodelle nicht ab», sagte Gallner bei der Vorlage des BAG-Jahresberichts in Erfurt. Sie reagierte damit auf Kritik von Arbeitgeberverbänden wie Gesamtmetall an der BAG-Entscheidung, nach der bereits jetzt eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland besteht. Für dieses Jahr kündigte sie weitere Grundsatzurteile an.

Der Erste Senat, dem Gallner vorsteht, war im September 2022 vorgeprescht und hatte in einem Grundsatzurteil erklärt, in Deutschland bestehe eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Das gelte schon jetzt - unabhängig von der geplanten Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes, betonte Gallner. «Das Ob ist entschieden. Das Wie der Arbeitszeiterfassung liegt in den gestaltenden Händen des Gesetzgebers.»

Auswirkungen habe das Urteil quasi auf alle rund 41 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland. «Die Entscheidung ist ein Politikum», räumte Gallner ein. Die äußerst strittige Debatte derzeit sei darum erwartbar gewesen - zumal das Urteil mit dem deutschen Arbeitsschutzgesetz begründet wurde. Nach Ansicht von Gallner schränkt die Zeiterfassung flexible Arbeitszeitmodelle nicht ein. Auch bei ihnen würden Regeln wie die elfstündige Ruhezeit pro Tag gelten.

Die Gerichtspräsidentin kündigte weitere Grundsatzurteile in diesem Jahr an. Es gehe vor allem um die Höhe von Nachtarbeitszuschlägen, aber auch um Diskriminierungsfälle im Job.

Zu dem Streit um Nachtarbeitszuschläge in Branchen wie der Getränke- und Lebensmittelindustrie lägen allein beim Bundesarbeitsgericht rund 400 Fälle vor. Nach Schätzungen seien es etwa 6000 Fälle bei den Arbeitsgerichten der Bundesländer. Die erste Entscheidung, bei der es um den Getränkekonzern Coca-Cola gehe, werde voraussichtlich am 22. Februar fallen, sagte Gallner.

Beantwortet werden solle die Frage, ob unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Oft deutlich höhere Zuschläge für Arbeitnehmer, die nur selten Nachtarbeit erledigen, sorgen seit Jahren für Auseinandersetzungen in vielen deutschen Unternehmen. «Das wird 2023 eines der großen Themen am Bundesarbeitsgericht», so die Präsidentin.

Mehrere Klagen lägen zum Antidiskriminierungsrecht vor. Es stimme sie hoffnungsvoll, dass sich immer mehr Menschen, die sich diskriminiert sehen, den Weg durch die Arbeitsgerichtsinstanzen nehmen, sagte Gallner. «Arbeitnehmer trauen sich zu klagen.» Das sei möglicherweise auch dem stabilen Arbeitsmarkt zu verdanken.

Es gehe unter anderem um eine Benachteiligung wegen der Religion - konkret um eine Erzieherin, die auf einem Kopftuch bestehe. Ein weiterer Fall befasse sich mit Nachteilen für Teilzeitbeschäftigte bei Betriebsrenten. Bereits im Februar gehe es um eine Frau, die bei gleicher Tätigkeit weniger als ihre männlichen Kollegen verdiene.

Beim BAG waren 2022 insgesamt 1266 Fälle eingegangen - ein Rückgang gebenüber dem Jahr zuvor mit 1521 Fällen. 1283 Fälle - teils aus Vorjahren - wurden erledigt.

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Betriebsferien ermöglichen es Arbeitgebern, einen Zeitraum festzulegen, in dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Urlaub nehmen müssen. Aber: Einfach so und spontan geht das nicht.

In der Corona-Pandemie haben zahlreiche Beschäftigte von zu Hause gearbeitet. Trotz aktueller Debatten über die Rückkehr ins Büro zeigt eine neue Studie: In vielen Firmen ist das Homeoffice etabliert.

Azubis dringend gesucht – mehr denn je ist das leider für viele Unternehmen eines der drängenden Probleme. In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand für die Zahl der Betriebe, die nicht genug Nachwuchs finden.

Sie haben Ihren Urlaub geplant, doch dann trifft eine unerwartete Urlaubssperre durch den Chef ein? Aus welchen Gründen kann das möglich sein und wie lang darf eine Urlaubssperre andauern?

Zum Jahresbeginn 2025 tritt der neue Gefahrtarif der Berufs­genossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) in Kraft. Auf dieser Grundlage berechnet die BGN die Beiträge für ihre Versicherungs- und Betreuungsleistungen.

Ausbildungsplatz sucht Azubi - so kann man die Lage vieler Betriebe inzwischen beschreiben. Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm - und die Firmen müssen kreativ werden.

Von Zuhause aus zu arbeiten, hat viele Vorteile: Man spart sich den Weg ins Büro und kann am Schreibtisch ungehemmt snacken. Damit das Homeoffice wirklich gut klappt, ist noch etwas wichtig: Lüften.

Laptop einstecken und heimlich im Urlaub arbeiten? Eine Befragung zeigt: für ein Drittel der Beschäftigten ein No-Go. Ist arbeiten aus dem Ausland überhaupt erlaubt und welche Konsequenzen drohen?

Bei einer Kündigung stellt sich auch immer die Frage: Was passiert jetzt eigentlich mit dem Resturlaub? Stehen dem Gekündigten die Urlaubstage noch zu? Muss der Arbeitgeber sie ausbezahlen? Und was, wenn der Arbeitgeber den Resturlaub verweigert?

Für Fraport gibt es im zweiten Quartal ein Plus bei Umsatz und Gewinn. Die Probleme von Boeing wirken sich allerdings auch auf den Flughafenbetreiber aus. Und auch bei Airbus läuft es nicht ganz rund.