Welcher Karriere-Typ sind Sie?

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Bedingt durch die aktuellen Krisen müssen wir den Begriff KARRIERE neu denken. Fragt man z. B. die junge Generation in der Hotellerie, so wollen über 90 Prozent Hoteldirektor werden. In anderen Branchen sind es vergleichbare Positionen. Doch nicht jeder ist für diese Führungsposition geeignet. Gibt es Alternativen? Wenn ja, welche?

Vorweg: Was im Nachfolgenden über die Hotellerie beschrieben wird, findet gleichermaßen auch in anderen Branchen statt.

Im Coaching sitzt mir Kandidat B. gegenüber, der auf meine Frage, ob er mit Begeisterung Führungskraft sei, nur mit einem zögerlichen „Ja“ antwortet. Und dann: „Ehrlich gesagt - eigentlich nicht“. Er erzählt: Als er damals in die Hotelausbildung eingestiegen sei, habe man ihm gesagt, er könne in dieser Branche schnell nach oben kommen und Direktor werden. Die Karriere sei dann recht zügig vorangegangen. Er selbst, aber auch seine Vorgesetzten hätten sich nie gefragt, ob er das Zeug dafür hätte, ein guter General Manager zu werden. So stieg er dann mit 25 Jahren zum stellvertretenden Direktor eines 200 Zimmer Hotels auf. Und weil er fachlich gut war, stets für seinen Vorgesetzten ein engagierter, loyaler Mitarbeiter gewesen war, der sich für keinen noch so harten Einsatz zu schade war, hatte die Konzernzentrale ihn bei der nächsten Vakanz für die Position des Hoteldirektors in Kroatien vorgeschlagen. Er war inzwischen fachlich spitze. Aber niemand hatte wahrgenommen, dass er sich mit der Führung von Mitarbeitern schwertat. Eigentlich sei er in die Position hineingelobt worden, gibt er heute zu. Man habe einfach erwartet, dass er „Ja“ sagt. Abzulehnen hätte für ihn das Aus in der Kette bedeutet. „Up or out“ war die Devise des Unternehmens. Dieses Schicksal ereilt viele gute Leute – auch in anderen Branchen.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird

Niemand scheint sich zu fragen, ob der Betroffene wirklich das Zeug mitbringt, ein exzellenter GM, eine echte Führungskraft für die unsicheren, harten Krisenzeiten zu werden. Vielmehr scheint es eher um das schnelle Füllen von Lücken zu gehen als um die talentgerechte und individuelle Karriereentwicklung. So steigt dann eine gute Fachkraft zur ungeeigneten Führungskraft auf und ist unter Umständen überfordert. Vielfach ist der Schaden derartiger Fehlentscheidungen immens. Fachlich qualifizierte High Performer werden zu Chefs befördert – im Grunde gegen ihr Talent und vielleicht auch gegen ihren Willen. Und so sehnt sich auch Kandidat B. heute zu der Zeit zurück, in der er noch wusste, was er tat: ein klar definiertes operatives Problem mit hoher Fachkompetenz lösen – ohne den ganzen Ärger mit den Mitarbeitern am Hals, die nicht das tun, was er ihnen sagt, die ständig wissen wollen, was die Zukunft bringt, die entweder auf Tauchstation gehen, wenn Probleme anstehen, oder Verantwortung zu übernehmen ist – und dann immer nur mehr Geld fordern. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit, eine Krise wie COVID oder den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.

Warum tue ich mir das an?

Zur Beförderung „Nein“ zu sagen, fällt schwer. Statussymbole, mehr Geld, der hohe Erwartungsdruck von Freunden und Familie, Vorgesetzten, nicht zuletzt auch die persönliche Eitelkeit lassen einen kritischen Blick in den Spiegel vergessen. Schon im späten Teenager-Alter hatte B.‘ s Mutter ihn mit dem Kommando „Hopp, hopp, aufstehen, Karriere machen!“ aus dem Bett geholt. Was eher scherzhaft gemeint war, hinterließ bei dem Heranwachsenden nachhaltige Spuren.

„Liegt mir das eigentlich?“ oder „Kann ich das überhaupt?“ und noch viel wichtiger „Will ich mir das wirklich antun?“ Diese Fragen tauchen erst später auf – wenn der Rückzug ohne Gesichtsverlust kaum noch möglich ist.

Hätte ich gewusst, worauf ich mich einlasse…

Mal ehrlich: Haben Sie sich nicht auch schon mal gesagt: „Hätte ich gewusst, worauf ich mich einlasse, hätte ich vermutlich darauf verzichtet, Chef zu werden“. Viele übersehen ganz einfach: Wer zur Führungskraft ernannt wird, muss Führungspotenzial besitzen, der muss auch führen wollen. Führen ist ein anderer Job als eine Fachtätigkeit. Und für Unternehmen gilt: Wenn diese Einsicht erst nach einigen Führungsfehlern zu Tage tritt, wurden auf dem Wege bereits zahlreiche Motivationspflänzchen geknickt, die Kreativität gebremst und der Firma ein großes Stück Wettbewerbsfähigkeit gestohlen. Schuld daran sind Personalverantwortliche und ihre HR-Abteilungen, die nicht in der Lage sind, ihren Leuten eine Orientierung zu geben. Dies gilt besonders in diesen unsicheren Zeiten. Dabei haben die meisten Leute in der Führungsetage keinen niedrigen IQ. Was ihnen fehlt, ist die emotionale Intelligenz, um die veränderten Anforderungen der Mitarbeiter an die Führungskompetenz ihrer Chefs zu erkennen. Sie drehen sich meist nur um sich selbst, anstatt die Talente und Wünsche ihrer Leute im Auge zu behalten. Die kabarettreife Aussage eines Mitarbeiters von Herrn B. lässt die Kluft zwischen Führenden und Geführten erahnen: “Mein Chef versteht mich nicht. Ich verstehe ihn nicht. Ansonsten haben wir nichts gemeinsam“.

Drei Karriere-Wege: Welcher passt zu mir?

Gibt es überhaupt erfolgversprechende Karrierewege, die nicht in der Führungsverantwortung als „Boss“ enden? Ganz sicher. Vielleicht sind hier gerade die Personalabteilungen gefordert, schon rechtzeitig bevor junge Menschen auf den Karriereweg geschickt werden, deren individuelle Talente genau zu ermitteln und ihnen bei Nicht-Eignung für Führungsaufgaben attraktive Alternativen aufzuzeigen. Gleichzeitig ist es die Aufgabe des Unternehmens, alternative Karrierewege nicht abwertend zu behandeln, sondern – im Gegenteil – aufzuwerten. Oft fehlt es hier an der notwendigen Wertschätzung.

Es gibt im Prinzip drei Formen von Karriere. Der Aufstieg in Personalverantwortung (Führungskarriere) ist nur eine davon. Der zweite Weg ist eher geeignet für den fachlichen High Performer, der aber Führungskompetenz und Führungswillen vermissen lässt. Es ist die Spezialistenkarriere. Am Beispiel der Hotellerie kann hier jemand für sein Unternehmen als Top Fachkraft für IT und Digitalisierung, Controlling, Food & Beverage, Revenue Management, Verkauf, Marketing oder ähnliches avancieren, ohne sich mit Mitarbeiterführung herumschlagen zu müssen. Dieser Spezialist ist mit seinem Talent und seiner Expertise in der Lage, für den Betrieb einen hohem Mehrwert zu erbringen.

Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit für Experten, denen es an der nötigen Ausdauer für langfristig angelegte Führungsaufgaben fehlt. Sie wollen sich nicht mit der permanenten Förderung und Entwicklung von Mitarbeitern aufhalten („Sack Flöhe hüten“), sondern mit Kollegen auf gleicher Augenhöhe als „Projektleiter“ fachlich kompetent zusammenarbeiten. Ihr Fokus ist ausschließlich auf das Erreichen des Projektziels gerichtet. Sie sind durchaus in der Lage, einen überschaubaren Kreis von Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen zu koordinieren, auf ein kurzfristiges (Projekt)Ziel einzunorden und Kosten, Termine, Qualität im Griff zu behalten. Aber Routine ist ihnen verhasst. Sie sind hungrig auf das Neue. Auf ihr Talent wartet eine spannende Karriere im Projekt Management mit zeitlich begrenzter fachlicher Steuerung von Projekt Teams – ohne disziplinarische Personalverantwortung. Beispiele dafür hat die Hotellerie vielfältig zu bieten - in der Einführung neuer Betriebskonzepte, im Controlling, im Development neuer Hotelstandorte, bei Betriebsübernahmen, Outsourcing-Projekten, Digitalisierung etc.

Wenn es nun gelingt, die Talente junger Menschen frühzeitig zu analysieren, könnte so verhindert werden, dass falsche Karriereweichen gestellt werden. Wir sind uns sicher einig: Wer kein Talent zum Chef hat, oder keine Freude am Führen zeigt, der sollte erst gar nicht Chef werden können. Mehr noch: Wer dennoch Chef geworden ist, sollte schnell seinen Platz räumen. Dem Betriebsklima und der Unternehmensbilanz tut es sicher gut. Und genau das gilt es, mit offenem, wertschätzendem Feedback zu kommunizieren – und attraktive Alternativen aufzuzeigen.

Aber wer sagt das dem Chef?


Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


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