Wie Hotels und Restaurants auf den Nordseeinseln mit dem Personalmangel kämpfen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Ob in der Küche, im Service oder an der Rezeption - die Nordseeinseln klagen über Personalmangel im Gastgewerbe und im Tourismusgeschäft. Ein Problem, mit dem auch Betriebe auf dem Festland zu kämpfen haben. Doch die Bedingungen auf den Inseln erschweren laut Experten die Suche nach Fachkräften zusätzlich. «Es ist einfach noch schwieriger Leute zu überzeugen, von zuhause weg und auf eine Insel zu ziehen», sagt die Vorsitzende des Dehoga-Bezirksverbandes Ostfriesland, Birgit Kolb-Binder.

Auch auf der etwa 60 Kilometer vom Festland entfernten Hochseeinsel Helgoland heißt es: «Die Situation ist schwierig, denn bei uns kann man nicht pendeln», sagt Bürgermeister Jörg Singer. «Deshalb muss man hier leben können.» Im Tourismusbereich fehlen nach Angaben des Bürgermeisters derzeit bis zu 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Gemeinde versuche viel, um Anreize zu schaffen. «Heute bekommt man Fachkräfte, wenn man ein gutes Paket bietet, weil die Mitarbeiter sich die Stellen aussuchen können», betont Singer.

«Das ist aber nicht nur ein Problem auf den Inseln, das ist auch ein Problem auf dem Festland», sagt die Tourismusreferentin der IHK Ostfriesland/Papenburg, Kerstin Kontny, mit Blick auf den Personalmangel. Auf den Inseln sei das Geschäft aber stark auf die Saison ausgerichtet. Dass mache es für Betriebe schwieriger, insbesondere ungelernte Arbeitskräfte zu halten.

«Die Situation hat sich noch einmal verschärft», berichtet Hotelier Detlev Rickmers, dessen Hotels auf Helgoland seinen Angaben zufolge einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent haben. «Wir müssen sogar unser Geschäftsmodell anpassen, um handlungsfähig zu bleiben. So haben wir die Dienstleistungen der einzelnen Hotels zentralisiert.» Eine seiner Maßnahmen gegen Personalprobleme: Er beschäftige zunehmend ganzjährig Mitarbeiter, auch wenn keine ausreichende Arbeit vorhanden sei, sagt Rickmers.

Auf Sylt berichtet Dirk Erdmann, Vorsitzender der dortigen Dehoga und Inhaber des Hotels Rungholt in Kampen, die Lage sei noch schwieriger als in den Vorjahren. Er selbst hat noch genug Mitarbeiter, beschäftigt allerdings Ganzjahreskräfte und nur im Notfall Saisonkräfte. In seinem Haus gebe es noch keine Einschränkungen, er wisse aber von Kollegen, bei denen dies anders sei, die etwa zusätzliche Ruhetage einführen, sagt Erdmann.

Auch auf den Ostfriesischen Inseln fehlen viele helfende Hände. «Wir haben mit diesem Problem seit Jahren zu kämpfen, aber Corona hat es noch einmal verstärkt», sagt Kolb-Binder, die auch Vizepräsidentin des Dehoga Niedersachsen ist. Während der Corona-Pandemie, als viele Restaurants und Hotels nicht oder nur eingeschränkt öffnen konnten, wanderten viele Arbeitskräfte nach Angaben von Experten ab.

Das fehlende Personal hat laut Kolb-Binder Folgen für Urlauber, die dieses Jahr an die Küste und auf die Inseln kommen: Viele Hotels und Restaurants setzen ihren Angaben zufolge auf Ruhetage, schränken Öffnungszeiten ein und reduzieren Angebote, etwa indem sie den Mittagstisch streichen.

Die Branchen-Vertreter betonen, wie wichtig attraktiver Wohnraum sei, um Personal zu gewinnen. Doch gerade das ist ein Problem auf den Inseln. Auf der Hochseeinsel Helgoland fehlt es nach Angaben des Bürgermeisters an Flächen für den Bau neuer Wohnungen. Auch auf Sylt und Amrum ist die Situation für die Beschäftigten angespannt, wie Ernst-Oliver Schulte, Gewerkschaftssekretär im Landesbezirk Nord der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) sagt. Dort müssten Beschäftigte meist vom Festland aus auf die Insel pendeln, wenn sie nicht von den Arbeitgebern Unterkünfte gestellt bekämen.

Auf den Ostfriesischen Inseln kommt das Pendeln meist nicht in Frage, sagt Kolb-Binder, die auch ein Hotel auf Langeoog hat. Zum einen, da viele Inseln ohnehin tideabhängig seien - der Fährplan sich also nach den Gezeiten richtet. Zum anderen fehlten aber auch späte oder frühe Fährverbindungen, die beispielsweise Restaurantkräfte zu ihren Schichten nutzen könnten. Viele Betriebe stellten ihren Beschäftigten daher Unterkünfte, sagte Kolb-Binder. «Ich habe mehr Betten für Mitarbeiter als ich Betten für Gäste habe.» Nicole Hesse vom Hotel Seeblick in Norddorf auf Amrum, aktiv im dortigen Dehoga, hat eigenen Angaben zufolge von ihren 14 Ferienwohnungen sechs aus der Vermietung genommen und als Personalwohnungen umgestaltet.

Hesse hat aktuell noch genügend Mitarbeiter, die meisten sind fest angestellt und arbeiteten das ganze Jahr bei ihr. Aber natürlich sei der Fachkräftemangel angekommen. Hesse wirbt dafür, mehr auszubilden und gut mit seinen Leuten umzugehen. «Wir reden vom Fachkräftemangel, aber wenn keiner mehr ausbildet, wird es auch nicht besser.»

Um Personal zurückzugewinnen und die Berufe des Gastgewerbes attraktiver für Berufsanfänger zu machen, müsse man mittelfristig zu besseren Arbeitsbedingungen kommen, sagt Schulte von der Gewerkschaft NGG. Zwar sei mit den letzten Tarifabschlüsse bei Gehältern schon nachgebessert worden. «Das wird in der mittelfristigen Perspektive im Wettbewerb mit den anderen Branchen aber nicht reichen.»

Zudem müsse über Arbeitszeiten, Urlaube und Freizeitoptionen gesprochen werden. «Da hängt in der Branche noch vieles im Argen», meint Schulte. Junge Leute hätten heute andere Vorstellungen von der Vereinbarkeit von Arbeitszeiten und Freizeit als frühere Generationen. Die Zahl der Berufsanfänger im Gastgewerbe sinke daher stark. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Mit einem Kraftakt könnte es einem Modell zufolge bis 2035 gelingen, rund 1,5 Millionen 55- bis 70-Jährige für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. In Personalnot-Zeiten eine enorme Zahl.

Wenn Daten zu Einkommen und Krediten nahezu offen im Internet stehen, ist das eine Einladung für Kriminelle. Ein IT-Experte und der Chaos Computer Club haben womöglich Schlimmeres verhindert und Datenlecks bei Check24 und Verivox aufgedeckt. Check24 bezeichnet sich selbst auch als größtes deutsches Reiseportal, das auch Hotelzimmer vermittelt.

Bürobeschäftigte in deutschen Metropolen fahren einer Umfrage zufolge wieder öfter zur Arbeit ins Unternehmen. Angestellte in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart kamen zuletzt im Schnitt an 3,6 Tagen pro Woche ins Büro. Damit nähere sich die Büroanwesenheit dem Vor-Corona-Niveau an.

Die Digitalisierung und damit unter Umständen auch Beschleunigung im Prozess der Beantragung von Arbeitsmarktzulassungen für ausländische Beschäftigte schreitet weiter voran. Welche Neuerungen es gibt.

538 Euro - mehr dürfen Minijobberinnen und Minijobber im Monat nicht verdienen, sonst werden Sozialabgaben fällig. Es gibt aber Zahlungen, die für diese Verdienstgrenze unerheblich sind.

Im vergangenen Jahr 2023 mussten die Arbeitgeber 76,7 Milliarden Euro für die Entgeltfortzahlung ihrer erkrankten Beschäftigten aufbringen. Damit haben sich die Kosten binnen 14 Jahren verdoppelt. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet.

Der DEHOGA hatte in der Vergangenheit wiederholt über unwirksame Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen von „Pseudo-Ärzten“ berichtet. Dank der Hinweise von Arbeitgebern aller Branchen sind mittlerweile weitere mutmaßliche Ärzte namentlich bekannt, die Bescheinigungen ausstellen sollen.

In Deutschland sind die Chancen für ausländische Arbeitnehmer gestiegen, dass ihre beruflichen Abschlüsse anerkannt werden. Gut zwei von drei positiv entschiedenen Anerkennungsverfahren drehen sich um medizinische Berufe.

Wer Fotos oder Videos im Internet veröffentlicht, auf denen im Hintergrund eine Fototapete zu sehen ist, verletzt damit gemeinhin keine Urheberrechte. In einem der vorliegenden Fälle wurde eine solche Tapete in einem Hotelzimmer verwendet.

In Deutschland waren 25- bis 64-Jährige mit mittlerem Bildungsabschluss im Jahr 2023 deutlich häufiger erwerbstätig als im OECD-Durchschnitt. Die höchsten Quoten für Personen mit mittlerem Bildungsstand wiesen Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen auf.