Früher US-Marine, heute Sternekoch: 25 Fragen an Björn Swanson vom Restaurant Golvet

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Früher US-Marine, heute Sternekoch: 25 Fragen an Björn Swanson vom Restaurant Golvet

Kurz nach der Jahrtausendwende begann Björn Swanson seine Ausbildung zum Koch im Alten Zollhaus in Berlin von Herbert Beltle. Dass es dazu kommen würde, war jedoch alles andere als sicher: Der Sohn einer deutschen Mutter und eine amerikanischen Vaters landete nach der Schule zunächst bei den US-Marines, entschied sich dann allerdings, doch lieber Aromenbomben zu zünden.

Nach der Schule zu den US-Marines

Dass es für Swanson zu einer kulinarischen Karriere kommen würde, war zunächst nicht geplant: Der heutige Sternekoch zog in der Kindheit viel mit der Familie um und hatte „Probleme mit seinem Temperament“, wie er der Berliner Morgenpost verriet. Die festen Strukturen einer Küche hätten ihm deshalb sehr geholfen.

Nach der Schulzeit ging Swanson für zwei Jahre zu seinem Onkel in die USA. Dort meldete er sich freiwillig zu den US-Marines. Ein Dreivierteljahr später verletzte er sich jedoch und wurde kurz vor dem Beginn des Irakkriegs entlassen. Anschließend kehrte er zurück nach Deutschland. Nach seiner Lehre ging es für Swanson zunächst ins Bayerische Haus in Potsdam zu Alexander Dressel. Anschließend folgten das „Fischers Fritz“ unter Christian Lohse, die „Weinbar Rutz“ von Marco Müller und das „Facil“ von Michael Kempf. Nach weiteren Stationen, unter anderem im Relais & Châteaux Gutshaus Stolpe, erhielt er dann die Möglichkeit, seinen Traum vom eigenen Restaurant zu verwirklichen: Im Mai 2017 eröffnete in Berlin das „Golvet“, nur sechs Monate später folge der Eintrag im Guide Michelin.

 

2019 wurde Swanson als Berliner Meisterkoch ausgezeichnet. Die Jury lobte seinerzeit: „‚Kontrastreich, spannend, wild‘ nennt unser ‚Meisterkoch 2019‘ seine Küche, mit der er sich temperamentvoll konsequent und in nur zwei Jahren an die Berliner Spitze gekocht hat. Kalbskopf und Königskrabbe kombiniert er mit Gulaschsaft und Peperonata. Gereifter Cheddar wird mit Kapern, Artischocke und Grüne Tomate-Anis-Eis zur Aromenbombe.“

Weder Casual noch Fine Dining

Das Golvet ist ein Widerspruch in sich: Weder Casual noch Fine Dining. Regional, aber strikt europäisch. Klassisch französisch und „richtig gekocht“, aber mit Lust auf amerikanische Akzente, wie es auf der Webseite heißt. Auch das Restaurant selbst ist ein echter Widerspruch: Golvet heißt „Boden“. Dennoch befinden sich die 80 Plätze im 8. Stock, 32 Höhenmeter über der Stadt.

Dort trifft Sucuk auf Petersilienwurzel, Jakobsmuschel auf Erdnuss, Rotkohl auf PX-Sorbet. Was Berlin, Brandenburg und Europa kulinarisch ausmacht, landet im Golvet in ungewöhnlicher Begleitung und Kombination auf dem Teller. Sommelier und Restaurantleiter Benjamin Becker und Barchef Andreas Andricopoulos setzen dazu am 13 Meter langen Tresen mit Wein- oder alkoholfreien Getränkebegleitungen und ungewöhnlichen Drinks eigene Akzente. Die Spiegelwand bietet Platz genug für ausgesuchte, häufig in kleinen Manufakturen hergestellte, Spirituosen. Besonders hoch im Kurs stehen Aquavite – mit mehr als 30 Sorten führt das Golvet die größte Auswahl deutschlandweit.

 

25 Fragen an Björn Swanson

Bitte beschreiben Sie Ihr Restaurant und den Stil Ihrer Küche kurz und knapp

Björn Swanson: Das Golvet ist aus meiner Idee entstanden ein Restaurant zu erschaffen, in dem an erster Stelle ich mich selbst als Gast wohlfühlen würde. Laut, hektisch, weltoffen, detailversessen, irgendwie Casual (irgendwie aber auch nicht), sehr Gast orientiert und mit einer der besten Bars in Berlin. Das Golvet ist irgendwo ein Widerspruch in sich und genau das macht es so spannend. Wir spielen mit der Erwartungshaltung der Gäste, die am Anfang nie so recht wissen, was sie erwartet und wo die Reise hingeht. Dazu kommt, dass wir mit 90 Sitzplätzen für ein Gourmet Restaurant ohnehin ungewöhnlich sind.

Sagen Sie in einem Satz, was Ihre Küche besonders macht…

Björn Swanson: Produktversessenheit und ein Hang zu vermeintlich einfachen Lebensmitteln – die aber spannend und unerwartet präsentiert und eingesetzt werden.

Ihre gastronomische Philosophie in drei Worten?

Björn Swanson: Wir sind Wir!

Welches sind Ihre bevorzugten Produkte, welches Ihre Auswahlkriterien?

Björn Swanson: Ich liebe Fische wie Hecht, Maränen oder Heringe – Fische, die oftmals unter dem Rader vieler Kollegen schwimmen, die vielleicht lieber Steinbutt, Kaviar & Co bevorzugen. Ich bin auch ein großer Freund von Innereien bzw. von Teilstücken, die nicht unbedingt für Sterne Esprit stehen. Am Ende des Tages steht und fällt aber alles mit der Produktqualität und der Herkunft. Ich brauche kein Kobe aus Japan und keinen Kaisergranat aus Südafrika. Europa bietet alles, was wir brauchen.

Wo haben Sie kochen gelernt?

Björn Swanson: Die Lehre habe ich bei Herbert Beltle im Alten Zollhaus in Berlin absolviert. Richtig kochen habe ich aber bei Christian Lohe, Michael Kempf und Paul Urchs gelernt.

Womit und wie beginnt Ihr Arbeitstag?

Björn Swanson: Mit dem ersten Blick auf das Handy und dem checken der Mails. Danach geht es immer erst kurz in den Laden und dann ins Büro. Abends mache ich dann den Pass, wenn es erforderlich ist. Aber ich habe ein sehr gut aufgestelltes Team und mit meinen beiden Sous Chefs Max und Jonas zwei extrem starke Männer in der Küche, die es mir erlauben, mich auch anderen Projekten zu widmen.

 

Wie würden Sie sich als Chef beschreiben?

Björn Swanson: Fair, ehrlich und sehr Team orientiert

…und wie sehen das Ihre Mitarbeiter?

Björn Swanson: Da müssten wir sie fragen. Aber ich denke, dass sie meine Einschätzung teilen würden.

Was war Ihr Lieblingsgericht als Kind?

Björn Swanson: Jetzt komme ich aus einer deutsch/amerikanischen Familie, bei der nie sonderlich viel Wert auf Kulinarik gelegt wurde, daher ist die Frage schwierig. Ich habe als Kind, egal wo wir Essen waren, eigentlich immer dasselbe bestellt: Entrecôte mit grüner Pfeffer Sauce & Pommes – finde ich übrigens immer noch sehr lecker ;)

Was war als Kind Ihr Traumberuf?

Björn Swanson: Ich wollte eigentlich immer Berufssoldat werden. Die Gastronomie hat mich, bevor ich in ihr gelandet bin, eigentlich nie interessiert. Ist dann aber doch ganz gut gelaufen.

Was ist heute Ihr Lieblingsrestaurant (neben dem eigenen)?

Björn Swanson: Es gibt zu viele tolle und sehr gute Restaurants. Aber nachhaltig in Erinnerung ist mir die Schwarzwaldstube noch unter Harald Wohlfahrt geblieben.

Wen würden Sie gerne einmal bekochen?

Björn Swanson: Donald Trump (aber vorher muss ich seinen Vorkoster ausschalten ;)  

Ärgern Sie sich über Kritik?

Björn Swanson: Kritik ist für die eigene Entwicklung immens wichtig, aber natürlich ärgert man sich auch darüber, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder sich darin nicht wiederfindet. Sich dann dazu zu äußern oder zu beschweren sieht dann immer so aus, als ob man bockig oder nicht kritikfähig ist. Konstruktive Kritik hingegen empfinde ich als etwas sehr Positives.

Am meisten nerven mich der Gault&Millau, der Schlemmer Atlas oder der Varta. Ich wüsste gerne, warum die so viel Macht von uns Gastronomen bekommen haben und weshalb das bis heute noch so ist – den Gästen ist es nämlich scheißegal, ob wir 13, 14 oder 18 Punkte (Diamanten, Bestecke etc.) haben. Es gab bei knapp 45.000 Gästen in den vergangenen drei Jahren niemanden, der aufgrund unserer G&M-Bewertung zu uns gekommen ist. Geschweige denn, uns auch nur einmal darauf angesprochen hat. Also vielleicht hören wir als Branche einfach mal auf, unseren Hintern zu verkaufen.

Was war ihr größter beruflicher Erfolg?

Björn Swanson: Das wir nach knapp 1,5 Jahren sehr schwarze Zahlen schreiben.

Und welche berufliche Entscheidung würden Sie gerne rückgängig machen?

Björn Swanson: Keine! Ohne meine getroffenen Entscheidungen wäre ich nicht dort wo ich jetzt bin.

Worüber regen Sie sich auf?

Björn Swanson: Dummheit, Verschwendung und nochmal Dummheit 

…und was bringt andere an Ihnen in Rage?

Mein Dickkopf, mein Stolz und meine Impulsive-Art

Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?

Das kommt auf den Menschen an. Aber es gibt schon einige, die ich bewundere.

Auf welche drei Dinge könnten Sie niemals verzichten?

Björn Swanson: Meine Familie, mein Auto und meinen Ehrgeiz

Wenn Sie für einen Tag den Job eines anderen übernehmen könnten – welcher wäre das?

Björn Swanson: Der von Marc Zuckerberg

Sie stehen in einer Karaoke-Bar auf der Bühne und müssen vor allen Mitarbeitern ein Lied singen. Welchen Song stimmen Sie an?

Björn Swanson: Das kommt ganz gewaltig auf den Pegel an. Aber vielleicht „Davon geht die Welt nicht unter“ – Zarah Leander

Drei touristische Geheimtipps: Was sollten Gäste unbedingt sehen/erleben, die in Ihre Region kommen?

Björn Swanson: Das Bodemuseum bzw. die Museumsinsel, den Reichstag und die Gedenkstätte Deutscher Wiederstand.

Was haben Sie zu Hause immer im Kühlschrank?

Björn Swanson: Sucuk (Türkische Knoblauchwurst), Riesling & Bourbon 

Und was wäre Ihre Henkersmahlzeit?

Björn Swanson: Ochsenbäckchen mit Kartoffelpüree und Gemüse – schnell und einfach (wir müssen es ja nicht länger rausziehen als nötig) J

Geht Liebe wirklich durch den Magen?

Björn Swanson: Kommt darauf an wie gut man kocht….

 


 

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