Eine Wiesn-Maß und Hendl-Gutscheine für die Polizei: Was früher für viele Unternehmen zum guten Stil gehörte, hat heute ein Geschmäckle - mindestens. Schnell entsteht der Verdacht der Vorteilsgewährung. Schlagwort: «Compliance», gute Unternehmensführung.
An diesem Mittwoch steht der langjährige Sprecher der Wiesn-Wirte, Toni Roiderer, in München vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Vorteilsgewährung in vier Fällen vor. Der Grund: Er hatte Polizisten mehrere Gutscheine für je ein Wiesn-Hendl und eine Maß Bier in seinem Festzelt auf dem Oktoberfest gegeben. Gesamtwert: 4028,59 Euro.
Roiderer bestreitet das gar nicht - sieht aber nicht ein, warum das strafbar sein soll, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagt. Welche Polizisten die Gutscheine letztlich bekommen hätten, wisse er nicht einmal. «Ich kenne ja die Leute gar nicht.» Seiner Ansicht nach hätte das Verfahren gegen ihn längst eingestellt werden müssen - «weil das im Bagatellbereich ist».
Gegen einen Strafbefehl hat er Einspruch eingelegt, «weil ich mir keiner Schuld bewusst bin», wie er betont. Darum kommt es nun zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Gegen den Polizisten, der die Marken in Empfang nahm, wurde nach Angaben eines Gerichtssprechers «im Strafbefehlsweg wegen Vorteilsnahme eine Geldstrafe verhängt», ein anderer Wiesn-Wirt, der ebenfalls wegen des Verteilens von Gutscheinen angeklagt worden war, wurde vor kurzem bereits freigesprochen.
Laut Paragraf 42 des Beamtenstatusgesetzes dürfen Beamtinnen und Beamte - und damit auch Polizisten - keine Belohnungen, Geschenke und sonstige Vorteile für sich oder eine dritte Person in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. «Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Dienstherrn», teilt das bayerische Innenministerium auf Anfrage mit. Es drohten dienstrechtliche Konsequenzen. Darüber hinaus könnten auch strafrechtlich relevante Tatbestände erfüllt sein - wie eben beispielsweise Vorteilsannahme oder sogar Bestechlichkeit.
«Der Themenkomplex Compliance ist keine neue Wissenschaft», schreibt die Münchner Unternehmensberatung Deloitte in der Zusammenfassung ihrer Compliance-Studie 2021. «Doch der stetige Wandel und die Komplexität der Geschäftsvorfälle erfordern eine kontinuierliche Anpassung der Compliance-Strukturen.»
Der Prozess gegen Roiderer ist nicht der einzige, der Münchner Gerichte in dieser Woche beschäftigt und sich ums Oktoberfest dreht: Das Oberlandesgericht muss sich am Donnerstag zivilrechtlich mit der Frage beschäftigen, ob der Handel mit Tischreservierungen «im Wege des Zweitmarkts» zulässig ist oder nicht. Die Betreiber des Festzeltes «Ochsenbraterei» haben einen Händler nämlich verklagt, weil er Reservierungen ihn ihrem Zelt anbot.
Ebenfalls am Donnerstag und ebenfalls am Münchner OLG geht der Blick dann auch in die Ferne: Das Gericht muss sich mit der Frage befassen, ob ein in Dubai geplantes Oktoberfest auch so heißen darf. (dpa)