Seit Anfang des Jahres präsentieren sich die 25hours-Hotels verstärkt als Arbeitgebermarke und stellen Vorteile für Mitarbeiter in den Vordergrund. Mit der Einführung einer Vier-Tage-Woche geht das Unternehmen jetzt den nächsten Schritt, Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Die Vier-Tage-Woche startete als Pilotprojekt in den beiden Hotels der Marke in Hamburg. Alle Mitarbeiter an den beiden Standorten können – müssen aber nicht – ab November in das neue Vier-Tage-Modell wechseln. Ausgenommen sind die Azubis, weil die ein anderes gesetzliches Modell im Hintergrund haben. Bei der Vier-Tage-Woche verlängern sich die Schichten auf neun Stunden pro Tag. Die Mitarbeiter, die an dem Projekt teilnehmen, arbeiten dann 36 Stunden pro Woche an vier Tagen und haben drei Tage frei. Die restliche Arbeitszeit wandert auf ein Überstundenkonto, dass nach einem Jahr auf Null gesetzt wird. Eine interne Umfrage bei den 25hours-Hotels hatte ergeben, dass sich mehr als 40 Prozent der der Mitarbeitenden eine Veränderung ihrer Arbeitszeit wünschen und gern mehr Freizeit genießen wollen.
“Das alte Motto 'Das geht in unserer Branche nicht.' gibt es nicht mehr. Alles geht! Einerseits gestaltet sich die Personalgewinnung so schwer wie nie und andererseits müssen wir uns mit den Ansprüchen einer neuen Generation von Stellensuchenden auseinandersetzen. Aufgrund des Fachkräftemangels müssen wir bereits Öffnungszeiten anpassen und den Betrieb einzelner Restaurants und Bars tageweise einstellen. Es gibt immer weniger motivierte Branchen-Fans, die in der Hotellerie und Gastronomie Fuß fassen wollen. Auch bei uns ist momentan fast jede dritte Stelle – gruppenweit insgesamt 150 Positionen - unbesetzt und Mitarbeiter*innen werden vermehrt auch branchenfremd abgeworben. Eine internen Umfrage ergab, dass sich mehr als 40 Prozent unserer Kolleg*innen vor allem eine Veränderung ihrer Arbeitszeit wünschen und gerne mehr Freizeit genießen wollen. Dem möchten wir mit dem neuen Arbeitszeitmodell Rechnung tragen. Natürlich erhoffen wir uns damit ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Arbeitsmarkt und einen positiven Impuls für die Branche“, sagt Kathrin Gollubits, Personalchefin bei 25hours.
Um das Projekt umzusetzen benötig 25hours in den Hotels, nach eigenen Berechnungen rund zehn Prozent mehr Personal und eine komplett neue Einsatzplanung. In den beiden Häusern werden dafür gerade 20 neue Mitarbeiter gesucht. Bei den Mitarbeitern kommt das Projekt, laut Kathrin Gollubits sehr gut an. Die Human Resources-Chefin der Marke sagte gegenüber Capital: "Wir erwarten auch eine Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter. Ich glaube, wenn man mehr Freizeitausgleich hat, sind die neun Stunden noch eine Spur produktiver. Außerdem: Wenn wir neue Mitarbeiter finden und dann endlich alle Positionen wieder besetzt haben, gibt sicher auch eine Auswirkung auf unseren Umsatz. Wir werden mehr Zeit haben für die Gäste. Wenn jemand ausgeruht und motiviert ist, merkt das der Gast zuerst. Ich glaube, das hat tatsächlich eine unglaubliche Auswirkung nicht nur auf die Mitarbeitermotivation und Bindung, sondern dann sehr kurzfristig auch auf das ganze Erlebnis."
Sollte das Projekt in Hamburg gut anlaufen kann sich 25Hours vorstellten, das Projekt die Vier-Tage-Woche auch in anderen Standorten anzubieten. Mehr als 80 Prozent der bestehenden Mitarbeiter hätten in einer Pilotphase die Vier-Tage-Option gezogen. Das Unternehmen verzeichne weniger Abwesenheitstage, mehr Bewerbungen und Umsatzsteigerungen durch die erhöhte Mitarbeiteranzahl in den operativen Bereich, so Gollubits.
Wie wird das Ganze in der Praxis umgesetzt?
Mitarbeitende in administrativen oder Management-Positionen, die bereits heute Vertrauensarbeitszeiten haben, werden in Zukunft die Möglichkeit haben, nicht nur wie bisher die tägliche Arbeitszeit, sondern auch die wöchentliche Arbeitszeit flexibel zu ordnen. Etwas mehr Organisation ist im Schichtbetrieb nötig: Mitarbeiter*innen im Service, am Front Office oder in der Küche, die sich für das neue Arbeitszeitmodell entscheiden, arbeitenwerden an vier Tagen pro Woche jeweils neun Stunden eingeteilt. Drei3 freie Tage sindwerden garantiert. Die Differenz von vier 4 Stunden zur vertraglich geschuldeten Wochen-Arbeitszeit wird als Überstundenausgleich vorgehalten. Bruno Marti, Chief Brand Officer bei 25hours, sagt: “Bei 25hours hat der Tag zwar eine Stunde mehr, aber die Arbeitswoche schon bald einen Tag weniger. Wir wollen als womöglich erste Hotelmarke weltweit mit der 3-Tage-frei-Woche ein positives Zeichen setzen und wieder mehr Menschen für einen Einstieg in unsere bunte und großartige Branche begeistern. Machen wir uns nichts vor: In der Hotellerie wird hart gearbeitet, das Gehalt ist anderswo besser, also tun wir wenigstens schon mal etwas für die Work-Life-Balance. Ich erlebe die Generationen Z und jünger weder als arbeitsfaul noch als geldgeil, – aber Zeit für ausgleichende, sportliche oder soziale Aktivitäten bedeutetist ihnen enorm vielwichtig. Arbeit ist nicht alles.“ Kathrin Gollubits ergänzt: „Bis Jahresende testen wir die Akzeptanz und das Interesse sowohl bei den bestehenden Mitarbeiter*innen als auch am Bewerbermarkt. In der operativen Umsetzung heißt das, jeder kann, muss aber nicht.. Wir wünschen uns im Optimalfall eine hohe Beteiligung bei den bestehenden Mitarbeitenden, eine Umsatzsteigerung durch erhöhte Mitarbeiteranzahl in den operativen Bereichen und eine Reduktion der Abwesenheitstage durch Krankheit in der Belegschaft. Wenn das Projekt in Hamburg erfolgreich ist, möchten wir ab dem kommenden Jahr in allen unseren Hotels mit der 4-Tage-Woche planen.“
Vier-Tage-Woche: Wunschvorstellung oder realistisches Modell?
Mehr Freizeit, weniger Stress: Für viele ist die Vorstellung einer Vier-Tage-Woche die Lösung für ein zufriedeneres Berufsleben. Hat die reduzierte Arbeitszeit tatsächlich einen so großen Einfluss? Und was muss man tun, um Vorgesetzte von seinem Wunsch zu überzeugen?
Ganz so einfach funktioniert die Formel «Vier-Tage-Woche gleich glücklicher» natürlich nicht. Es kommt sehr darauf, wie das Modell umgesetzt wird. «Eine Vier-Tage-Woche bedeutet nicht immer, dass ich tatsächlich meine Arbeitszeit reduziere», sagt Prof. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen. Wer 40 Stunden in vier Tage packt, müsse sich darüber klar sein, dass er dann zehn Stunden und mehr am Tag mit Arbeit beschäftigt ist.
Macht die Vier-Tage-Woche wirklich zufriedener?
In manchen Fällen kann eine reduzierte Arbeitszeit zu mehr Belastung führen. «In Deutschland entspricht die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit oft nicht der tatsächlichen Arbeitszeit», sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität Leipzig.
Eine Vier-Tage-Woche kann daher bedeuten, dass sich Arbeit intensiviert oder Erwerbstätige die fehlende Zeit sogar kompensieren müssen. «Gerade für Frauen besteht Gefahr, da in eine Teilzeitfalle zu geraten. Sie erleben dann sogar mehr Stress.» Wichtig sei, von Beginn an zu klären, dass die Aufgaben der vertraglichen Arbeitszeit entsprechen.
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Der erhoffte Teilzeiteffekt
Wer aber seine Arbeitszeit und seine Aufgaben tatsächlich reduzieren kann, und womöglich von 40 auf 32 Stunden geht, wird laut Rump einen Effekt merken. «Das ist dann der ganz normale Teilzeiteffekt.» Wer etwa an drei von sieben Tagen pro Woche nicht arbeitet, habe über 40 Prozent seiner Zeit zur freien Verfügung. «Also Zeit, in der ich Zeit-Souveränität und Zeit-Selbstbestimmung habe.»
Das zeige auch die Studienlage, sagt Arbeitspsychologe Hannes Zacher. «Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Einführung einer Vier-Tage-Woche zu mehr Work-Life-Balance, weniger Burnout und besseren Erholungseffekten führt.» Gerade auf individueller Ebene gibt es positive Effekte. «Viele entlastet es allein, dass sie einen Tag weniger pendeln müssen.»
Der rechtliche Anspruch auf Teilzeit
Genau nach diesem selbstbestimmten Lebensgefühl streben Beschäftigte. Grundsätzlich haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland auch einen Anspruch darauf, in Teilzeit zu arbeiten, wie Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht erklärt. Das gilt zumindest für alle, deren Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Mitarbeitende beschäftigt und deren Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht.
Wichtig sei, dass Arbeitnehmer ihren Wunsch rechtzeitig und richtig vorbringen, so der Fachanwalt. Ablehnen kann der Arbeitgeber ein Teilzeitverlangen nur aus dringenden betrieblichen Gründen. «Da liegt die Latte sehr hoch», so der Arbeitsrechtsexperte.
Kann ich mir das leisten?
Neben den rechtlichen Aspekten spielt die Frage eine Rolle, ob Beschäftigte es sich leisten können, in Teilzeit zu arbeiten. «Die Reduzierung der Arbeitszeit hat natürlich den Effekt, dass ich weniger Geld im Portemonnaie habe», sagt Jutta Rump.
Entsprechend verfolgen vor allem diejenigen den Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche, «die sich eher in der oberen Hälfte der Gehaltsskala bewegen.» Es seien zudem meist Personen, die noch keine eigene Familie haben, in einer Beziehung sind, in der Partner oder die Partnerin ebenfalls Geld verdient oder die noch eher am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen.
«Eine Person, die gleichzeitig familiäre Verpflichtungen hat, denkt meist nur im Kontext der Vereinbarkeit von Beruf und Familie darüber nach, ihre Arbeitszeit und damit ihr Gehalt zu reduzieren», so Rump. «Das ist für ein Modell für ein bestimmtes Segment des Arbeitsmarkts.»
Wie verklickere ich das meinem Arbeitgeber?
Auch wenn es ein Recht darauf gibt, die Arbeitszeit zu reduzieren: Viele scheuen den Schritt, mit dem Wunsch zur Führungskraft zu gehen. Warum? «Es ist tatsächlich schwierig», sagt Hannes Zacher. «Wir haben in Deutschland eine ausgeprägte protestantische Arbeitsethik.»
Viele würden sich stark über ihre Arbeit oder ihren Beruf identifizieren. «Es ist verpönt, weniger arbeiten zu wollen», sagt der Arbeitspsychologe. Erwerbstätige hätten oft Angst, als faul zu gelten und nehmen stattdessen zum Beispiel Leerlaufzeiten in Kauf, in denen eigentlich gar nichts zu tun ist.
«Neben der Präsenzkultur gibt es in Deutschland auch immer noch eine starke Vollzeitkultur.» Es sei verbreitet, dass die Anzahl der Arbeitsstunden mit Leistungsbereitschaft und Engagement gleichgesetzt wird. «Die Forschung würde dagegen sagen, es ist sogar effektiver, fünf Stunden am Tag fokussiert zu arbeiten, als acht Stunden, von denen man drei gar nicht wirklich etwas zu tun.»
Die Effekte der Pandemie
Und vielleicht sind diese Ansichten mittlerweile auch schon weiter verbreitet - nicht zuletzt durch die Veränderungen, die Corona in der Arbeitswelt angestoßen hat. «Ich glaube schon, dass die Pandemie noch mal zu einer Veränderung führen wird. Gerade die Frage, wie viel Bedeutung wir der Arbeit beimessen wollen, haben sich in den vergangenen Monaten viele gestellt», sagt Hannes Zacher.
Auch Jutta Rump rät: «Versucht es doch einfach! Was kann schon passieren?» Nie seien die Zeiten so günstig wie jetzt gewesen, an das Thema heranzugehen, «alleine durch die Diskussion um das Thema Homeoffice.»
Zacher empfiehlt, einen Gesprächstermin mit der Führungskraft zu vereinbaren. In diesem festgelegten Termin sollten Erwerbstätige die Beweggründe nennen, warum sie ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. «Wichtig ist, Verständnis für die andere Seite zu zeigen, dafür, dass beim Arbeitgeber dann Arbeitskraft fehlt.» Auch bei der Führungskraft sei aber Offenheit gefragt.
Unternehmerisches Denken freut Arbeitgeber
Oft machen sich Beschäftigte schon im Vorhinein viele Gedanken wie: Sind nicht ohnehin alle total gestresst, und gibt es nicht viel zu viel zu tun? Wie wird die Führungskraft da wohl das Anliegen aufnehmen?
Solche Zweifel können sogar hilfreich sein. «Wenn jemand das genau so vorbringt, und sich schon in die Situation des Arbeitgebers versetzt hat und dessen Position wahrnimmt, zeigt das: Die Person denkt unternehmerisch. Darüber kann man sich als Arbeitgeber nur freuen», sagt Rump.
Dann lasse sich gemeinsam an einer Lösung arbeiten, die für beide Seiten passt. Denn auch der Arbeitgeber gewinne in der Regel, wenn sich ein guter Kompromiss finden lässt: Eine hohe Loyalität und Identifikation seitens des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin. «Am einfachsten wird es wohl, wenn man schon eine Lösung parat hat, wie sich die Teilzeit am besten gestalten lässt», sagt Rump.
Wie geht man mit Vorbehalten um?
Oft hadern Beschäftigte nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Vorbehalten aus dem persönlichen Umfeld. Beeinflussen lassen sollte man sich davon nicht. «Hilfreich ist es, ganz klar für sich selbst zu formulieren, was man möchte und das ebenso wie eigene Befürchtungen mit Freunden oder dem Partner zu besprechen», sagt Zacher. Auch Bedenken, dass eine Vier-Tage-Woche letztendlich Kolleginnen und Kollegen mehr belastet, sollten nicht entscheidend sein. «Letztendlich muss das Unternehmen dafür eine Lösung finden.»
Jutta Rump empfiehlt eine SWOT-Analyse. «An diese Fragen muss man klar strukturiert und analytisch rangehen, mit Ratio und nicht nur aus einer Laune heraus.» Das englische Akronym SWOT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken). Diese Faktoren gilt es in einer Analyse abzustecken, und dann zu bewerten: Was sind die Vorteile, was setzt man aufs Spiel? Und ist es das wirklich wert?
Wer nach einer sauberen Analyse dann ein Modell identifiziert hat, das Zufriedenheit verspricht, kann das Gespräch mit der Führungskraft suchen. «Natürlich kann man sich noch Rat einholen», so Rump. «Am Ende des Tages ist es aber Ihre Karriere und Ihr Leben.» (mit dpa)