Genau wie deutsche Großstädte ist auch Paris derzeit so leer wie selten. Wer die Metropole besucht, muss nicht in endlosen Schlangen ausharren. Für die Tourismusbranche ist das allerdings katastrophal. Vor allem zahlungskräftige Gäste fehlen.
Paris ist ein Sehnsuchtsort. Die Metropole zählt zu den meistbesuchten Städten der Welt - den Eiffelturm kennt jedes Kind. Dank der Corona-Krise hatten die Pariserinnen und Pariser ihre Sehenswürdigkeiten eine Weile fast für sich allein. Das tröstete aber kaum über die Folgen der Krise hinweg. Wirtschaftlich sind die besonders für die Tourismusbranche enorm. Zwar sind die Touristen seit einigen Wochen zurück. Doch wer durch die Stadt an der Seine streift, erkennt sie an einigen Orten gar nicht wieder.
Im vergangenen Jahr haben den Großraum Paris mehr als 50 Millionen Menschen besucht. Beliebteste Orte waren der Region Paris zufolge die Basilika Sacré-Coeur auf dem Montmartre mit geschätzt elf Millionen Besuchern, der Louvre mit 9,6 Millionen und der Eiffelturm mit rund 6,2 Millionen. Ein Milliardengeschäft.
Klar ist schon jetzt: An diese Zahlen wird Paris in diesem Jahr nicht herankommen. Denn viele vor allem zahlungskräftige Gäste kommen aus den USA, dem Nahen und Mittleren Osten oder asiatischen Ländern wie China. Für diese gelten aber Einreisebeschränkungen. Gerade die Pariser Luxusbranche mit ihren teuren Läden und Luxushotels zählt auf sie.
«Wir können heute sagen, dass etwa die Hälfte der Hotels geschlossen ist», sagt Frank Delveau. Er ist Präsident des Verbands der Hotelindustrie UMIH für den Großraum Paris. Das liege auch daran, dass es kaum Geschäftsreisende gebe. Und wer an den großen Luxustempeln wie den Hotels Le Bristol oder Shangri-La vorbeiläuft, stellt ebenfalls fest: geschlossen - auf jeden Fall bis September. «Es gibt in der Tat einen großen Einkommensverlust beim High-End-Tourismus, bei Spitzenhotels und Sterne-Restaurants», klagt Delveau.
Wer einmal im berühmten Luxuskaufhaus Galeries Lafayette bummeln war, der kennt sie - die Schlangen vor den Edelboutiquen im Erdgeschoss. Dort stehen meist Kundinnen aus Asien geduldig an. Seit Ende Mai hat das Traditionskaufhaus auf dem Boulevard Haussmann wieder geöffnet - die Schlangen vor den Boutiquen sucht man nun aber vergeblich, und auch das Einkaufserlebnis lässt sich fast als angenehm bezeichnen. Kaum Gedränge - aber dafür natürlich Corona-Schutzmaske.
Delveau wirbt für seine Stadt in diesen besonderen Zeiten: «Es ist ein sehr guter Zeitpunkt, um Paris zu besuchen. Es gibt nicht zu viel Verkehr, es gibt keine Schlangen an den Denkmälern, es gibt Platz auf den Restaurantterrassen», sagt er. Und damit hat er recht.
Rund 20 Minuten Wartezeit vor dem Prunkschloss Versailles an einem Wochenende - eigentlich unvorstellbar. Tickets für den Eiffelturm noch für denselben Abend - kein Problem. Nur wer bis ganz hoch auf die Spitze will, muss sich etwas gedulden. Okay, im Louvre gibt es auch wieder Schlangen und Gedränge vor der Mona Lisa. Aber am Eingang der Katakomben von Paris warten nur wenige Besucher - normalerweise muss man dort wirklich Geduld mitbringen.
Und überhaupt, die Stadt wirkt wie eine große Freiluftterrasse - bis Ende September dürfen Restaurants und Brasserien ihren Außenbereich erweitern. Die Straßen und Parkplätze sind voller kleiner Terrassen-Inseln - Autos müssen weichen.
Wichtig für Paris sind die Touristen aus dem Nachbarland Deutschland. Gut 1,5 Millionen Aufenthalte zählte die Hauptstadtregion 2019. Im Schnitt blieben die Deutschen 3,2 Nächte und ließen insgesamt mehr als 550 Millionen Euro in der Stadt - sie machen 6,4 Prozent der internationalen Aufenthalte aus. Bei Gästen aus Europa liegen nur die Briten, Spanier und Italiener vor den Deutschen.
Eine, die deutsche Gruppen durch Paris führt, ist die 42-jährige Nadine Donat aus Leipzig. Sie kam eigentlich 2008 als Showgirl in die Stadt. Eine Verletzung machte der Tänzerin einen Strich durch die Rechnung - sie sattelte um. Jetzt führt sie deutsche Touristengruppen durch Paris. «Während Corona sind mir die Touren natürlich alle weggebrochen», erzählt sie. «Das war schon schwierig - während des Lockdowns musste ich mich dann natürlich um Arbeitslosengeld bemühen, dann musste ich Sozialhilfe beantragen. Das ist alles unbequem zu erzählen, aber das gehört auch dazu.»
Seit Mitte Juni sind die Einreisebeschränkungen zwischen Deutschland und Frankreich aufgehoben - und Donat spürt, dass es nun langsam wieder aufwärts geht. «Man hat das Gefühl, die Leute trauen sich jetzt langsam wiederzukommen - so seit dem 1. Juli etwa sind die Touristen wieder da», sagt sie. Sie schätzt, dass sie im Vergleich zum Vorjahr um die Zeit 40 Prozent der Führungen machen kann.
Kurz vor Corona wollte sie eigentlich mit einer neuen Geschäftsidee starten - romantische Heiratsanträge für Pärchen in der Stadt der Liebe organisieren. «Letztes Jahr hat mich bei einer Stadtführung ein Mann angesprochen, der seiner Freundin einen Heiratsantrag machen wollte. Da hat er mich gefragt, ob ich helfen könne - und so bin ich auf die Idee gekommen.» Nun laufe das Geschäft langsam an.
Paris hatte es in den vergangenen Jahren ohnehin schon schwer. Da waren die islamistischen Terroranschläge, die Frankreich und die Hauptstadt immer wieder getroffen haben. Dann kamen die «Gelbwesten», die monatelang jede Woche die Stadt verwüsteten. Nicht zuletzt der wochenlange Bahnstreik gegen die Rentenreform, der Hoteliers und Gastronomen mitten im Weihnachtsgeschäft traf. Ja, und nun Corona.
Da bleibt Delveau vom Hotelverband eigentlich nur der Blick in die Zukunft. «2021 wird ein gutes Jahr werden und die Leute auf der ganzen Welt werden Lust haben, Paris zu besuchen», sagt er. «Und wir hoffen, dass Paris im Jahr 2021 seinen Touristenrekord übertreffen wird.» (dpa)