In der letzten Woche hat Prizeotel-Chef Marco Nussbaum mit seiner Ankündigung, die Azubigehälter verdoppeln zu wollen, eine branchenweite Diskussion ausgelöst (Tageskarte berichtete). Romantik-Chef Thomas Edelkamp rüttelte die Hotellerie mit einem kämpferischen Aufruf wach. Jetzt legt Nussbaum nach und spricht von einem massiven Führungskräfteproblem und den oftmals „demotivierenden Arbeitsumfeldern“ in der Branche.
„Wir haben eigentlich gar kein Fachkräfteproblem in der Branche, sondern ein massives Führungsproblem. Es gibt alte Strukturen, verkrustete Hierarchien, Mechanismen von gestern und vorgestern, die Freude an der Arbeit nehmen. Motivierte Menschen finden oftmals ein mehr als demotivierendes Arbeitsumfeld vor“, sagte Nussbaum in einem Interview mit dem Manager Magazin.
Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Fachkräftesituation dramatisiert werde. Es gebe kein Mangel an Fachkräften, sondern an Zahlungsbereitschaft, so die Stiftung. Dem widerspricht der DIHK in seinem Arbeitsmarktreport und behauptet, fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland, 48 Prozent, habe aktuell offene Stellen, die es „längerfristig – im Zweifel gar nicht – besetzen“ könne.
Der Hotelier Nussbaum hatte in der letzten Woche angekündigt, dass seine Design-Budget-Hotelmarke die Vergütungen der Auszubildenden im ersten und zweiten Lehrjahr ab dem 1. September 2018 verdoppelt. Der Prizeotel-Chef schrieb in einem Post auf Facebook, dass das Unternehmen den Schritt gehe, damit alle Auszubildenden von ihrer Ausbildungsvergütung bei Prizeotel auch leben könnten. Denn von dem Geld, das die Azubis nach Tarif verdienten, könnten viele, gerade in den Großstädten, in denen die Immobilienpreise stiegen und stiegen, oft nicht einmal ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft bezahlen. Dies führe zu aberwitzigen Anreisezeiten zur Arbeitsstätte und zurück nach Hause, führte Nussbaum aus.
Nussbaum ernte mit seinem Vorstoß großen Zuspruch in sozialen Netzwerken. Dass sich seine Kollegen aus den Führungsetage der Konzerne und die Tarifparteien bislang allerdings „eher bedeckt“ hielten, bestätigt Nussbaum in dem Interview. Einzig Romantik-Vorstands-Chef Thomas Edelkamp sprang Nussbaum bislang medial bei. „Wir dürfen uns nicht mehr an den Hoteliers messen lassen, die immer nur das Minimum bringen“, sagte Edelkamp in einem Kommentar bei Tageskarte und fordert ein radikales Umdenken: Die Branche müsse endlich aufhören, zu jammern und solle sich auf ihre Stärken besinnen. Sonst werde sich am ramponierten Image des Gastgewerbes nie etwas ändern, so Edelkamp.
In dem jetzt im Manager Magazin veröffentlichten Interview fordert Nussbaum Führungskräfte, die bereit seien, ihre Komfortzone zu verlassen. Mentale Agilität werde zu einer Kernkompetenz.