Baden-Württemberg: Ungeimpften Erwachsenen drohen Kontaktbeschränkungen

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In Baden-Württemberg drohen ungeimpften Erwachsenen schon Anfang September neue Kontaktbeschränkungen. Das Sozialministerium in Stuttgart will schnell gegensteuern, wenn - wie derzeit erwartet - immer mehr Covid-19-Patienten in Kliniken auf die Intensivstationen müssen. Uwe Lahl, Amtschef im Ministerium, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wenn 200 bis 250 Intensivbetten belegt sind, erwägen wir erste Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Erwachsene zu erlassen.» Nach Prognosen des Landesgesundheitsamts könnten diese Grenzwerte schon Ende kommender Woche überschritten werden.

Ministerium sieht keine Alternative zu Einschränkungen

Zu den geplanten Eingriffen sagte Lahl: «Das sind Maßnahmen, die man schon aus den Lockdowns der zweiten und dritten Welle kennt, etwa dass sich nur zwei Familien treffen dürfen.» Das Ministerium rechnet damit, dass ungefähr drei Millionen ungeimpfte Erwachsene im Land von diesen Einschränkungen betroffen wären. «In dieser Situation muss man als Landesregierung etwas machen. Ich sehe keine Alternative.» Das Konzept müsse aber noch in der grün-schwarzen Regierung abgestimmt werden.

Vor allem wegen der Reiserückkehrer aus dem Ausland rechnet das Land mit stark steigenden Inzidenzen und deutlich mehr Intensivpatienten bis Mitte September, wenn die Schulferien enden. «Wenn die Zahl von 300 Intensivbetten überschritten ist, könnten wir, so unsere Überlegungen, für einige Zeit 2G für Ungeimpfte einführen. Das würde bedeuten, dass nur noch Geimpfte oder Genesene ins Restaurant oder ins Konzert dürfen», erläuterte der Ministerialdirektor.

Zahl der Intensivpatienten verdoppelte sich zuletzt

«Ich kann Nicht-Geimpfte nicht zum Impfen zwingen. Deshalb muss man andere Schutzmaßnahmen ergreifen, damit die Intensivstationen nicht überlaufen», rechtfertigte Lahl die Pläne des Ministeriums. «Wir müssen, wenn Überlastung droht, die Kontakte unter den Nicht-Geimpften solange reduzieren, bis die Überlastung nicht mehr droht.» Die jüngste Entwicklung gebe Anlass zur Sorge. «In den vergangenen zwei Wochen ist die Zahl der belegten Intensivbetten von gut 50 auf etwa 100 gestiegen. Diese Entwicklung ist durch Nicht-Geimpfte verursacht.»

Der Entwurf für eine neue Rechtsverordnung solle in der kommenden Woche in der grün-schwarzen Regierung abgestimmt werden. Die Länder müssen reagieren, weil der Bund angekündigt hat, die 50er-Inzidenz als Leitwert aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen. «Es wird voraussichtlich einen bundesweit einheitlichen Indikator geben», erklärte Lahl. «Der Bund will die Zahl der ins Krankenhaus eingewiesenen Covid-19-Patienten festlegen, wir wollen lieber die Zahl der belegten Intensivbetten heranziehen.» Es sei aber klar, dass die Länder die «Schmerzgrenze» der Überlastung selbst festlegen.

«Wir waren im Vorhof von Triage.»

«Wir wollen Anfang September handlungsfähig sein. Sobald die Krankenhäuser Alarm schlagen, werden wir handeln müssen», kündigte der Amtschef des Gesundheitsministeriums an. Die Krankenhäuser könnten nicht mehr so belastet werden wie zu Zeiten der zweiten und dritten Corona-Welle im Januar und April. «Wir hatten zu Hochzeiten über 600 Intensivbetten belegt. Das war ein riesiger Kraftakt aller Beteiligten.»

Lahl berichtete weiter: «Die Experten sagen uns, dass wir maximal 300 Intensivpatienten mit Covid-19 behandeln können.» Hintergrund dafür sei: «Die über 600 waren unzumutbar und unerträglich. Wir waren im Vorhof von Triage. Wir waren kurz davor, die infizierten Patienten in andere Bundesländer auszufliegen.» Bei Triage wird abgewogen, welche Patientin oder welcher Patient ein Intensivbett bekommt und welcher nicht.

Hoffen auf mehr Impfungen

Das Ministerium setzt darauf, dass die Impfbereitschaft noch stärker anzieht als zuletzt schon. «Ich gehe davon aus, dass sich im September noch viele Menschen impfen lassen», sagte Lahl. «Dann könnte die Quote der Geimpften innerhalb der impfbaren Bevölkerung, also ohne Kinder unter 12 Jahren, von jetzt etwa 68 Prozent auf dann etwa 78 Prozent steigen.» Das würde bedeuten, dass von möglichen Einschränkungen ungefähr noch drei Millionen Menschen in Baden-Württemberg betroffen wären.

Aus Sicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, schießt das Sozialministeriums mit der sogenannten 2-G-Regelung «deutlich übers Ziel hinaus». Diese Regelung sei nicht verhältnismäßig und schließe auch Menschen aus, die sich nicht impfen lassen könnten, teilte Rülke am Samstag mit. Es werde eine abstrakte Gefahr an die Wand gemalt, nämlich die mögliche Überlastung des Gesundheitssystems. Durch den Impffortschritt sei diese aus heutiger Sicht gar nicht zu erwarten. (dpa)


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