Lauterbach: "Die Gastronomie ist ein Problembereich"

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Im Kampf gegen die anschwellende nächste Corona-Welle kommen einheitliche strengere Auflagen für Besuche in Restaurants und Cafés in Sicht. Vor Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten am Freitag sprachen sich mehrere Politiker von Bund und Ländern dafür aus, dass Geimpfte und Genesene (G2) künftig zusätzlich einen negativen Test oder eine Auffrischungsimpfung nachweisen sollten. Es werde eine gemeinsame Regelung zu 2G plus im Kernbereich der Gastronomie geben, sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in der ARD. Er verwies außerdem auf eine dringende Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken im öffentlichen Personennahverkehr und im Einzelhandel.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), sagte im Fernsehsender «Welt»: «In Innenräumen, wo man keine Maske trägt, muss man getestet sein oder geboostert. Das wird jetzt überall gleichgestellt werden.» In Restaurants sei man gemütlich. «Da wird gegessen, getrunken, die Maske ist ab. Also muss man den maximal verfügbaren Schutz anderer Art eben haben. Und das heißt geboostert zu sein. Und das, finde ich, ist schon zumutbar. Wir bieten es ja jedem an», betonte Wüst.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Donnerstagabend bei RTL gesagt, für Innenräume der Gastronomie sei angedacht, dass man dort nur eintreten könne, wenn man zweimal geimpft und getestet oder aber geboostert sei. Das sehe eine Vorlage vor. Konkret sollen laut einer Vorlage mit Stand von Donnerstagnachmittag Geimpfte und Genesene einen tagesaktuellen Test vorzeigen müssen - oder den Nachweis einer Auffrischimpfung, und zwar schon ab dem Tag der Booster-Impfung. Die dafür meist nötige dritte Spritze haben inzwischen mindestens 34,6 Millionen Menschen - den für 2G nötigen vollen Grundschutz mit zwei Spritzen mindestens 59,6 Millionen.

Lauterbach: "Die Gastronomie ist ein Problembereich"

Greifen könnte die Neuregelung laut Vorlage spätestens ab 15. Januar, es gab dazu aber noch keine Verständigung. Lauterbach sagte: «Die Gastronomie ist ein Problembereich. Da sitzt man ohne Maske oft für Stunden. Und wenn sich die Menschen dort dann gegenseitig infizieren, wie wir es bei Omikron sehr viel sehen, dann brauchen wir einen besseren Schutz, daher 2G plus, also geimpft und zusätzlich eben getestet.» Mancherorts gilt eine solche Regelung schon. Bundesweit seit längerem vereinbart sind bereits 2G-Zugangsregeln ohne Test für Gaststätten, Kinos, Theater und viele Geschäfte.

Vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) kam scharfe Kritik. «Flächendeckend 2G plus wäre eine Katastrophe für Kneipen und Restaurants», sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der «Bild»-Zeitung (Freitag). Wirte dürften nicht die Leidtragenden sein, wenn die Regierung «offenbar Anreize für die dritte Impfung» schaffen wolle. Stattdessen gelte es, Impf- und Testkapazitäten ausbauen, damit diese «zermürbende Situation» schnellstmöglich beendet werde.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erläuterte, das «Plus» in 2G plus werde nun definiert als entweder getestet oder geboostert. Das sei eigentlich eine Verbesserung. «Denn wir werden in wenigen Tagen die Hälfte der Berliner Bevölkerung geboostert haben. Die werden dann ohne Test auch in die Gaststätte weiter gehen können», sagte sie im rbb-Inforadio. «Man muss immer sehen: Die Alternative ist die komplette Schließung. Und das will der Gaststättenverband definitiv auch nicht.»

Erstmals seit gut zweieinhalb Wochen stieg die Sieben-Tage-Inzidenz wieder über die Marke von 300. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Freitag mit 303,4 an. Er war zuletzt stetig gestiegen, wobei das RKI von einer Untererfassung der Neuinfektionen wegen weniger Tests und Meldungen im Zuge der Feiertage und der Ferien ausging. Der Anteil der ansteckenderen Virusvariante Omikron nimmt schnell zu.

Bovenschulte rechnete mit keinen großen Streitpunkten in der Bund-Länder-Runde. «Es liegt ein Beschlussvorschlag vor. Und ich erwarte eigentlich, dass wir uns auf dieser Linie, die da vorgezeichnet wird, auch einigen können.» Ein Überblick:

Quarantäneregeln

Über Änderungen bei Quarantäneregeln wird diskutiert, um massenhafte Personalausfälle insbesondere in wichtigen Versorgungsbereichen zu vermeiden. Bund und Länder haben Vorschläge vorgelegt. Gemeinsamkeit: Die Quarantäne für Kontaktpersonen und die Isolierung Infizierter sollen verkürzt und vereinfacht werden. Bisher kann Quarantäne und Isolierung je nach Virusvariante, Impf- und Genesenenstatus für bis zu 14 Tage gelten. Wenn es sich etwa um Omikron handelt, gibt es auch für Geimpfte keine Ausnahmen. Nun könnten die Fristen je nach Vorschlag auf fünf bis sieben Tage mit Freitestung und zehn Tage ohne Test verkürzt werden. Für «Geboosterte» könnte Quarantäne wegfallen.

Das Expertenvotum

Der Expertenrat der Bundesregierung hatte eine neue Stellungnahme vorgelegt, die bei den Beratungen eine wichtige Rolle spielen dürfte: Trotz abklingender Delta-Welle und gesunkener Patientenzahlen in Kliniken sei die Belegung der Intensivstationen weiter auf hohem Niveau, teils seien Kapazitäten auch «dauerhaft ausgelastet». Die Omikron-Variante werde «zeitnah» dominant sein. Es sollten umgehend Stufenkonzepte zur Aktivierung zusätzlicher Versorgungsbereiche für infektiöse Patienten erarbeitet werden. Zudem sollten in allen Ländern Vorbereitungen zur Reduktion planbarer Eingriffe getroffen werden, die bei starker Belastung ad hoc aktiviert werden könnten.

Kontaktbeschränkungen

Lockerungen der kurz vor Weihnachten verschärften Beschränkungen wurden nicht erwartet. Seitdem dürfen sich auch Geimpfte und Genesene nicht mehr unbegrenzt treffen, sondern maximal zu zehnt, Kinder nicht mitgezählt. Für Treffen, an denen auch nur ein Ungeimpfter oder nicht Genesener beteiligt ist, gilt schon länger: Es dürfen nur Leute des eigenen und maximal zwei Personen eines anderen Haushalts dabei sein, Kinder nicht mitgezählt. Mögliche zusätzliche Verschärfungen von Kotaktbeschränkungen empfahl der Expertenrat vorerst nicht. (dpa)


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