Städte, die niemals schlafen - Nachtkultur zunehmend Thema

| Politik Politik

Die Jobbeschreibung eines «Night Mayors», also Nachtbürgermeisters, klingt einfach: «Ich trinke Bier und muss mir die Namen meiner Gesprächspartner einprägen», sagt scherzend Merlijn Poolman, der in der niederländischen Stadt Groningen offiziell die Fäden der Nachtkultur zusammenhält. Dass diese Arbeit in Wirklichkeit viel Fingerspitzengefühl und Einfallsreichtum erfordert, wird deutlich, wenn man dem Niederländer genauer zuhört beim Besuch in Mannheim. Hier richtet die Stadt die erste «International Night Culture Conference» aus. Bei dem Thema gilt die Stadt im Südwesten der Republik als Pionier. Hier wurde im vergangenen Jahr mit Hendrik Meier der bundesweit erste Nachtbürgermeister gewählt.

Er sitzt direkt neben Poolman auf dem Podium und hört aufmerksam zu, als der schildert, wie er nicht nur zwischen ruhebedürftigen Anwohnern und feiernden Kneipengästen vermitteln muss. Das Problem der sexuellen Belästigung spiele bei der Arbeit eine wichtige Rolle. Aber es gehe auch um Drogenmissbrauch und um die Schwierigkeit, immer wieder ein breitgefächertes Kulturprogramm für viele Menschen zu bieten, bringt Poolman die Herausforderung auf den Punkt. Von wegen Biertrinken. Auch Nachtbürgermeister aus Paris und Zürich sowie die Gründerin einer Initiative für einen Wiener Nachtbürgermeister sind nach Mannheim gekommen und tauschen sich aus.

In Vorträgen, Diskussionen und Workshops geht es an diesem Montag und am Dienstag um verschiedene Aspekte des urbanen Nachtlebens. Eine Notwendigkeit, wie es Nachtbürgermeister Meier darstellt. Seiner Meinung nach muss dringend stärker über seine Arbeit aufgeklärt werden. Schließlich komme es darauf an, dass die Kommunalpolitiker die Bedeutung der Nachtkultur stärker in den Fokus nehmen.

So sieht es auch die venezolanische Stadtplanerin Andreina Seijas, die an diesem Montag in Mannheim zu Wort kommt. Sie erforscht die verschiedenen Ausprägungen der Nachtkultur in großen Städten. «Dabei geht es nicht nur um kulturelle und wirtschaftliche, sondern auch um die soziale Bedeutung der Nachtkultur für die schnell wachsenden Großstädte», sagt sie.

«Die Nacht gehört allen», unter dieser Formel lässt sich der Vortrag der lateinamerikanischen Forscherin zusammenfassen. Denn unabhängig von Alter, Geschlecht oder mit Blick auf den sozialen Hintergrund sollten alle am Nachtleben teilhaben können, fordert Seijas. Für sie steht außer Frage, dass die dunkle Tageszeit künftig stärker von den Menschen beansprucht wird: Immer mehr Frauen und Männer würden nachts arbeiten, «immer mehr Dienstleistungen stehen rund um die Uhr zur Verfügung». Dies allein sorge schon dafür, dass die Städte der Nacht mehr Aufmerksamkeit widmen müssen.

Dafür seien eine wirksame Beleuchtung und aussagekräftige Wegweiser in düsteren Straßen genauso wichtig wie ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen Gruppen und Interessen. Letzterer könne aber nicht alleine von Sicherheitsbehörden oder Stadtverwaltungen geleistet werden, stellt Seijas klar. Daher bleibe Kommunen langfristig nichts anderes übrig, als stärker auf die Selbstverwaltung der Bürger zu setzen. Und bei diesem Plan spielen die Nachtbürgermeister eine wichtige Rolle - die ehrlichen Makler, die nicht für eine bestimmte Gruppe stehen, sondern eben jenen Ausgleich schaffen sollen.

In Mannheim jedenfalls wird die Arbeit des bundesweit ersten Nachtbürgermeisters positiv bewertet. Aktuell gehe man davon aus, dass die befristete Anstellung vom Nachtbürgermeister Hendrik Meier verlängert wird, sagt der zuständige Leiter für die Kulturelle Stadtentwicklung, Matthias Rauch, am Rande der «International Night Culture Conference». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die erste Tarifrunde für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern blieb ohne Ergebnis. Die Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaft liegen noch weit auseinander.

Während der Fußball-EM dürfen Berliner Restaurants, Kneipen und Biergärten, die Spiele übertragen, ihre Außenbereiche bis zum Spielende öffnen. Eine entsprechende Verordnung erließ Umweltsenatorin Ute Bonde.

MV-Tourismusminister Meyer sorgt sich um die Auslandswerbung der Deutschen Zentrale für Tourismus. Die Bundesmittel sollen gekürzt werden, sagt er. Dagegen macht er jetzt mobil.

Der Zoll ist am Samstag in Hotels und Gaststätten bundesweit gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vorgegangen. Insgesamt seien rund 2400 Beschäftigte aller Hauptzollämter im Einsatz, teilte die Generalzolldirektion am Abend in Bonn mit.

Frust im Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP: Bei der Europawahl hängt die Union die Konkurrenz ab, die AfD landet mit großem Plus auf Platz zwei. Im Osten liegt sie sogar vorn.

Angesichts der Herausforderungen zählen mehr denn je Vernetzung, das Bündeln der Kräfte und das Schaffen von Synergien. Vom 2. bis 4. Juni kamen dazu in Warnemünde die deutschsprachigen Verbände der Hotellerie und Gastronomie zu ihrem traditionellen Jahrestreffen zusammen.

Deutsche Bahn und S-Bahn München sprechen mit einer Recruiting-Kampagne gezielt Mitarbeiter aus der Gastronomie an. Nach Protesten des DEHOGA Bayern zieht die Bahn das Kampagnenmotiv jetzt zurück.

Auch Hoteliers und Gastronomen sind von dem Hochwasser in Bayern betroffen. Angesichts der schweren Schäden hat das bayerische Kabinett gestern ein Soforthilfe-Paket beschlossen. Dieses soll eine Summe von „100 Millionen plus x“ umfassen. Was es zu beachten gibt.

Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude soll im Tarifstreit in der bayerischen Gastronomie vermitteln. Der Dehoga sieht aktuell aber keinen Bedarf für einen Schlichter. Vielmehr sei ein Angebot der Arbeitgeber an die NGG gegangen.

Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt plant eine Image-Kampagne. Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotellerie und die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertag- und Nachtzuschlägen soll gerettet werden. Beides sehen die Lobbyisten in Gefahr. Ich halte diese Kampagne für brandgefährlich. Ein Kommentar von Marc Schnerr.