Kaum noch bezahlbarer Wohnraum, völlig überfüllte Städte und einst verschlafene Dörfer, die nun von Touristen überrannt werden: Italien leidet am Massentourismus wie nie zuvor. In Rom, Venedig und Florenz sowie an vielen anderen Orten prägen verstopfte Straßen und volle Attraktionen das Bild. Wer noch das authentische Italien erleben will, muss entweder viel früher als die anderen aufstehen oder in alten Fotobüchern blättern.
Die Tourismuszahlen der vergangenen Jahre sprechen eine deutliche Sprache. So viele Touristen wie im Jahr 2023 hat es nach offiziellen Zahlen in Italien noch nie gegeben: Das vor allem bei Deutschen beliebte Urlaubsland verzeichnete rund 134 Millionen Urlauberankünfte mit etwa mehr als 451 Millionen Übernachtungen in Hotels und sonstigen Unterkünften.
Die Leidtragenden sind nicht nur die Alteingesessenen, sondern auch Touristen. Um die Authentizität ihrer Innenstädte und Attraktionen zu bewahren, greifen mehrere italienische Urlaubsziele durch - mit Zugangsbegrenzungen, Gebühren und Verboten. Ein Überblick:
Rom erwägt Eintrittsgeld für Trevi-Brunnen
Er ist ein Klassiker beim Rom-Besuch: der Trevi-Brunnen mitten im historischen Zentrum der italienischen Hauptstadt. Das Selfie vor dem blauen Wasser und der Münzwurf über die Schulter gehören dazu. Doch der wohl berühmteste Brunnen der Welt ist ständig überfüllt.
Die Stadtverwaltung und mit ihr Anwohner und Geschäftsleute haben genug davon: «Wir wollen den Besuch zu einem echten Erlebnis machen und nicht zu einem chaotischen Gedränge auf der Suche nach dem besten Selfie», heißt es. Im Gespräch sind eine Zugangsbegrenzung sowie eine Eintrittsgebühr. Beschlossen ist allerdings noch nichts.
Einen Vorgeschmack bekommen Besucher schon jetzt. Der Brunnen wird derzeit für das Heilige Jahr 2025 restauriert. Der Bereich am Becken ist abgesperrt und seit Samstag ist der Brunnen über einen Steg begehbar, um ihn trotzdem aus der Nähe betrachten können. Allerdings mit einer begrenzten Besucherzahl, um den Andrang besser zu drosseln.
Archäologiepark in Pompeji führt Besucher-Limit ein
Allein im Sommer dieses Jahres besuchten rund vier Millionen Menschen die versunkene Stadt Pompeji. Zu viel für die Leitung des Archäologieparks. Diese führt ein Besucher-Limit ein. Ab kommender Woche soll die Zahl der Besucher auf 20.000 pro Tag begrenzt und personalisierte Eintrittskarten eingeführt werden, um den Ansturm besser einzugrenzen.
So soll der «Druck der Menschen auf die Stätte verringert werden, der sowohl für die Besucher als auch für das einzigartige und zerbrechliche Erbe ein Risiko darstellen könnte», heißt es vom Park. Beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 wurde Pompeji unter Asche begraben. Knapp 2000 Jahre später muss nun das Weltkulturerbe geschützt werden.
Eintritt für Venedig wird teurer
Die Lagunenstadt Venedig gilt als Musterbeispiel für das Phänomen des Massentourismus. Der Strom an Besuchern bringt der Stadt zwar viel Geld ein, bereitet aber auch große Probleme. Heute leben im Zentrum mit seinen Kanälen keine 50.000 Einwohner mehr. Dafür gibt es mehr als 50.000 Gästebetten. Pro Jahr kommen mehr als 15 Millionen Besucher. Venezianer bemängeln ihre Verdrängung und den «Erlebnispark Venedig» seit langem.
Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig seit diesem Jahr Eintritt von Kurzbesuchern: bislang fünf Euro. Ein Versuch der Abschreckung, der jedoch kaum wirkte. Künftig kann es deswegen doppelt so teuer werden. 2025 werden bis zu zehn Euro fällig, um ein paar Stunden durch das Zentrum spazieren zu dürfen. Venedigs Einwohner müssen nicht zahlen.
Florenz will Kurzzeit-Vermietungen verbieten
Ferienwohnungen für nur wenige Tage findet man in Florenz wie Sand am Meer. Manche Statistiken gehen gar davon aus, dass 30 Prozent der Wohnungen im Zentrum der Stadt auf der Plattform Airbnb angeboten werden. Die Mieten in der Innenstadt sind demnach seit 2016 um 42 Prozent gestiegen - Einheimische können sich das kaum leisten und ziehen weg.
Touristen bleiben in der Stadt mit dem prachtvollen Dom, den Uffizien und der David-Statue zwar nur für wenige Tage, zahlen aber deutlich mehr als konstante Mieter. Die neue sozialdemokratische Bürgermeisterin will nun gegen Kurzzeit-Vermietungen vorgehen. Die Pläne sehen vor, dass die Registrierung neuer Airbnb-Unterkünfte verboten werden soll.
Nur 400 Menschen auf «Liebesweg» in den Cinque Terre
Die «Via dell'Amore», der «Liebesweg», im beliebten Urlaubsgebiet Cinque Terre in Ligurien war einst ein Rummelplatz für schnelle Selfies. Vor einem Erdrutsch im Jahr 2012 besuchten rund 3,5 Millionen Menschen jährlich den romantischen Weg. Mehr als zehn Jahre dauerte die Wiederinstandsetzung. Seit August ist der Weg wieder offen - aber er kostet etwas.
Zudem sind nur 400 Personen pro Stunde auf dem «Liebesweg» an der italienischen Riviera zugelassen. Alle 15 Minuten werden nur 100 Besucher zugelassen. Vor 19.00 Uhr ist der Weg mit einem Ticket zugänglich, mit einem Aufschlag in der Hauptsaison. So soll der Ansturm auf die Cinque Terre, die insgesamt nur 3500 Einwohner zählen, massiv eingedämmt werden. (dpa)