Früher dachte Tim Raue, dass Menschen mit 50 Jahren alt sind. Jetzt steht auch bei ihm bald die Fünf an erster Stelle, ab dem 31. März, um genau zu sein. Trotz Falten, Geheimratsecken und ein paar grauer Haare fühle sich der Starkoch «definitiv nicht so alt wie gedacht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur anlässlich seines runden Jubiläums. Feiern wird er seinen Geburtstag aber nicht - «wie jedes Jahr».
In Interviews hat er bislang immer erklärt, wie ruhelos und getrieben er im Leben gewesen sei. Die Erinnerung an die Not seiner Kindheit in Berlin-Kreuzberg, gegen die er später mit jedem Teller ankämpfen würde, ist einer größeren Ruhe gewichen. Die existenzielle Angst habe sich verflüchtigt, sagte er. «Ich habe immer noch einen enormen Antrieb, zu leisten, aber die letzten Jahre meinten es beruflich sehr gut mit mir.»
Jetzt reist der diagnostiziert hypersensible Raue mit Kopfkissen und Yogasachen um die Welt, und verzichtet auf Termine an den Tagen, an denen er irgendwo ankommt. Er ist im Jahr viel unterwegs, unter anderem bedingt durch seine Sendung «Herr Raue reist» auf Magenta TV.
Er macht so viel, dass es schwierig ist, bei allem hinterherzukommen: Kürzlich wurde verkündet, dass Raue das Restaurant im Berliner Fernsehturm im Frühjahr 2025 übernimmt (Tageskarte berichtete). Aktuell hat er auch noch eine Sendung bei Sat.1 («The Taste»), und bald ist er auch auf Amazon mit «Star Kitchen» zu sehen - das Startdatum der Sendung ist aber noch unklar. Als einziger Deutscher schaffte er es in die Netflix-Serie «Chef's Table». Der Guide Michelin schreibt über den Küchen-Großmeister: «Der gebürtige Berliner hat einen ganz eigenen, in Deutschland sicher einmaligen Stil.»
Dieser Stil wird in den Münchner, Konstanzer und Berliner Brasserien Colette und auch im Berliner «Restaurant Tim Raue» ausgelebt, das er mit seiner damaligen Frau Marie-Anne Wild gründete und heute immer noch von ihr geführt wird. Heute ist Raue mit Katharina Wolschner verheiratet - der Chefredakteurin des «Rolling Pin Magazin».
Mitunter lässt er tief in sein Privatleben blicken. «Ich weiß sehr genau, was ich sage, und habe kein Interesse daran, dass man mir hinterher schnuppert. Durch meine bewusste Offenheit spare ich mir jegliche Neugier und Spekulationen über mein Leben.»
Das war vermutlich auch die Motivation für seine Biografie «Ich weiß, was Hunger ist», die 2022 im Callwey Verlag erschienen ist. «Meine Kindheit wünsche ich niemandem», schreibt er ganz am Anfang, erzählt auch in Interviews offen von der Gewalttätigkeit seines Vaters und seiner alleinerziehenden Mutter sowie seiner Jugend in einer Berliner Gang. Er bezeichnet sich als «Arschloch», als er noch ein junger Chef war, und seine Angestellten angeschrien habe. Heute ist es ihm neben all seinen Geschäften auch wichtig, etwas zurückzugeben, etwa mit seinem Verein, der sich für Kreuzberger Jugendliche einsetzt. (dpa)