Berlins Kneipen fünf Wochen dicht

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Das vorläufige Ende des bierseligen Samstagabends in Berlin kam überraschend und schnell. Eben dröhnte noch «Atemlos» und «Freiheit» aus der Musicbox in der 24-Stunden-Eckkneipe «Zum Magendoktor» in Berlin-Wedding. Doch kurz vor 23.00 Uhr geht die Kellnerin von Tisch zu Tisch. «Die Polizei war gerade hier, wir müssen zu machen, ihr müsst raus», sagt sie. «Wegen Corona.» Die älteren Stammgäste an der Theke verstehen kaum, worum es geht. Vier Studenten sind ebenfalls völlig überrascht. «Wo sollen wir denn jetzt hingehen?», sagt eine junge Frau. Als sie erfährt, dass die Berliner Kneipen nicht nur an diesem Abend, sondern fünf Wochen geschlossen werden, wirkt sie fassungslos. «Das kann nicht sein», meint sie. Kurz darauf sagt sie: «Jetzt müssen wir wohl kreativ sein.» Wenige Minuten später steht sie mit ihren drei Freunden auf der Straße und friert.

In vielen Innenstadtteilen der Hauptstadt beendete die Polizei die Kneipenabende am Samstag freundlich, doch bestimmt. Zunächst hatte der Senat am Freitag angekündigt, außer den Schulen und Kitas müssten auch Kneipen, Bars und Clubs ab Dienstag bis zum 19. April schließen. So wolle man die weitere Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wurde daraufhin kritisiert, warum er bis Dienstag warten wolle. Am Samstagnachmittag beschloss der Senat dann plötzlich die nötige Verordnung. Sie wurde veröffentlicht. Kurz darauf setzte sich die Polizei in Bewegung.

Getanzt wurde schon ab Freitag nicht mehr

Die meisten Clubs, darunter so bekannte Namen wie Kitkat, Tresor und natürlich das Berghain, hatten da schon reagiert. Getanzt wurde schon ab Freitag nicht mehr. Samstag war dann auch mit Trinken und Kinofilmen Schluss. Sogar private Feiern mit mehr als 50 Menschen wurden verboten. Bei kleineren Partys muss der Gastgeber künftig eine Teilnehmerliste aufstellen und aufbewahren.

Nur Restaurants dürfen weiter geöffnet bleiben. Am Abend marschieren allerdings Polizisten in Neukölln auf die Kellner zu und setzen durch, dass die Tische ab sofort nur noch im Abstand von mindestens 1,50 Meter zueinander stehen dürfen. Auf einem Zettel an der geschlossenen Kneipe «Ä» in der sonst so gut besuchten Weserstraße steht dagegen: «Auf dass wir uns alle gesund und munter wiedersehen. Hoch die internationale Solidarität.»

An den Eingangstüren eines Kinos in Prenzlauer Berg verkünden am Abend Plakate: «Wir haben leider geschlossen.» Ohnehin steuern auffallend wenige Menschen auf das Kino zu, das an Samstagabenden im März sonst immer gut gefüllt ist. Die Besucher schaffen es noch bis ins Foyer, wo sie von einer Kinomitarbeiterin freundlich abgefangen werden. «Es tut uns leid, wir haben auch erst vor zwei Stunden davon erfahren», erklärt sie die drastischen Maßnahmen einem Paar, das erst kurz zuvor Tickets reserviert hatte und sich nun das Geld dafür erstatten lassen kann. «Ist vielleicht besser so», kommentiert eine junge Frau. Dann setzt sie sich mit ihrer Freundin auf die Stufen am Vorplatz des Kinos und diskutiert, wie der angebrochene Abend fortgesetzt werden kann.

Auch Fitnessstudios müssen schließen

Auch für Fitnessstudios gilt die sofortige Schließungsanordnung. Doch bei John Reed - einem rund um die Uhr geöffneten Studio in der Prenzlauer Allee - stemmen an diesem Abend noch einige Mitglieder Gewichte. «Ich habe davon gehört, wir warten noch auf die Bestätigung», sagt ein Mitarbeiter der Fitness-Kette mit Blick auf die Anordnung und versichert, dass die Mitglieder umgehend informiert würden. «Jetzt geht's ab», sagt ein Sportler ungläubig, als er von dem wenige Stunden alten Beschluss erfährt.

Auch außerhalb der Partykieze hat zunächst noch niemand etwas von der Verordnung mitbekommen. In der Kneipe «Bierinsel» in der Hochhaussiedlung Gropiusstadt im Südosten Berlins sitzen rund 20 Gäste teilweise eng zusammen, trinken Bier oder spielen Darts. «Wir bleiben heute offen», sagt Geschäftsführer Sezgin Celik. Er interpretiert die Zahl von höchstens 50 erlaubten Menschen bei Veranstaltungen so, dass dies auch für die «kleine Kneipe mit der großen Gastlichkeit» gelten könne. Gleichzeitig ist er verunsichert: «Jeder erzählt etwas anderes. Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen.»

Müsste er die «Bierinsel» bis auf weiteres dichtmachen, drohe die Pleite, sagt Celik. Er habe monatlich 15 000 bis 20 000 Euro Unkosten - knapp 3000 Euro Miete, 1200 Euro für Strom, 750 Euro Fernsehgebühr für Sky, dazu die Gehälter für fünf bis sechs Mitarbeiter. Dazu komme die Abzahlung eines Kredits. Welche Folgen eine Pleite hätte? «Hier leben fast 20 Leute von dem Laden.»

Gegen Mitternacht liegen ganze Straßenzüge in beliebten Ausgeh-Stadtteilen wie Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain weitgehend im Dunkeln. Ein Anblick wie sonst nur an den Weihnachtsfeiertagen. Nur vor den sogenannten Spätis, den Spätkaufläden, sitzen dicht gedrängt junge Menschen mit Bierflaschen in der Hand. Am RAW-Gelände drängen sich einige junge Männer und Frauen vor der Späti-Theke. Der Verkäufer trägt Einweg-Handschuhe. Wenn ihm einer der Käufer das Geld geben will, deutet er nur stumm auf die Theke. Dort muss die Münze hingelegt werden. Und nicht von Hand zu Hand wandern.

(dpa)


 

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