Betriebsschließung: Gerichtsurteil nimmt Versicherer in die Pflicht

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Gute Nachricht für alle Hoteliers und Gastronomen mit einer Betriebsschließungsversicherung. Mit dem Landgericht Mannheim hat sich erstmalig ein Gericht mit der Frage beschäftigt, ob ein Versicherer einem Hotelier mit angeschlossener Gastronomie Versicherungsschutz gewähren muss, wenn dessen Betrieb aufgrund einer Allgemeinverfügung geschlossen wurde.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren verlangte die Klägerin, die drei Hotels betreibt, Zahlung aus der bestehenden Betriebsschließungsversicherung. Aufgrund der epidemischen Ausbreitung des Corona-Virus waren behördliche Regelungen getroffen worden, welche unter anderem den Betrieb von Hotels und Gaststätten betrafen. Per Allgemeinverfügung wurde für alle drei Hotels untersagt, touristische Übernachtungen anzubieten.  Nichttouristische Übernachtungen konnten zwar weiter angeboten werden. Die Hotels wurden dennoch geschlossen, da nichttouristische Übernachtungen regelmäßig nur in einem verschwindend geringen Umfang stattfanden. Ebenso wenig stand der vollständigen Schließung die theoretische Möglichkeit entgegen, dass Außer-Haus-Lieferungen durch die Hotelrestaurants hätten angeboten werden könnte. Dies wäre vor dem Hintergrund der Personalstruktur und der Ausrichtung einer Hotelgastronomie wirtschaftlich unsinnig gewesen.

Klare Worte zu typischen Ablehnungsgründen

Das Gericht entschied zwar im Ergebnis vorläufig gegen die Klägerin, da die Anspruchshöhe nicht hinreichend dargelegt werden konnte und es auch an einem sogenannten Verfügungsgrund mangelte. Unabhängig davon fand das Gericht zu typischen Ablehnungsgründen vieler Versicherer klare Worte.

Das Gericht begründete ausführlich seine zustimmende Ansicht dazu, dass der Klägerin grundsätzlich aus den bestehenden Betriebsunterbrechungsversicherungen jeweils ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung zusteht.

Individuelle Schließungsverfügung nicht erforderlich

Das Gericht stellte klar, dass eine individuelle Schließungsverfügung für die einzelnen Hotels nicht erforderlich war. Der theoretisch mögliche Minimalbetrieb mit Geschäftsreisenden und Gastronomie-Take-Away- oder Lieferservice stehe dem nicht im Wege. Ein Teilschließung reichte aus. Letztlich handelte es sich klar um einen faktische Schließung. Eine solche sei von der betreffenden Versicherungsbedingung umfasst, auch wenn das nicht eindeutig so darin zu finden sei. 

„Es liegt eine bedingungsgemäß versicherte faktische Betriebsschließung vor.“, heißt es in den Urteilsgründen. Maßstab der Auslegung der Versicherungsbedingungen sei, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss. „Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Versicherer, so das Gericht in aller Deutlichkeit. Etwas, was wir seit Beginn der Debatte auch regelmäßig herausstellen und was sich auch auf reine Gastronomiebetriebe zwanglos übertragen lässt.“, erklärte Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing von Wirth-Rechtsanwälte.

Auch Covid-19 umfasst

Auch mit dem häufig von Versicherern bei den Ablehnungen vorgetragenen Argument, dass unter Bezug auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Vertragsschluss unbekannte Erreger, wie aktuell Covid-19, nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien, setzte sich das Gericht auseinander. Da der Versicherer es selbst in der Hand hatte, einen eindeutig abschließenden Katalog der Erreger aufzunehmen, sei auch Covid-19 von der – regelmäßig - dynamischen Bezugnahme auf die Paragrafen 6 und 7 des IfSG umfasst, wie dies in den streitigen Bedingungen auch der Fall war.

„Damit liegt eine erste Entscheidung klar zugunsten des betroffenen Hotel- und Gastronomiegewerbes vor. Die eindeutigen Worte des Gerichts zu den Argumenten vieler Versicherer zeigen, was wir schon von Beginn dieser ganzen Diskussion gesagt haben: In den allermeisten Fällen besteht bedingungsgemäß Versicherungsschutz und die peinlichen Zahlungsangebote von 10, 15 Prozent, fußend auf dem bayerischen Kompromiss, sind ein schlechter Versuch.“ so Strübing, der eine Vielzahl von Betroffenen vertritt.

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hat seinen Mitgliedern bereits empfohlen, ihre Ansprüche zu wahren. Es wird geschädigten Unternehmen dringend geraten, die Ablehnungen oder auch vermeintliche Kulanzangebote der Versicherer fachkundig prüfen zu lassen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Jeden Tag besuchen zahlreiche Touristen Hamburg und übernachten auch an der Elbe. Das Statistikamt erhebt dazu Zahlen. Und die haben sich im Vergleich zum Vorjahr verändert.

Für die Urlaubsplanung informiert sich die Mehrheit der Deutschen im Netz: 64 Prozent derjenigen, die generell Urlaubsreisen machen, holen sich auf Online-Reise- und Vergleichsportalen Inspiration für ihre Reiseziele, 47 Prozent online direkt bei den Dienstleistern wie zum Beispiel Websites der Hotels, Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften.

Hack ohne Tier gibt es inzwischen in vielen Variationen. Eine wichtige Entscheidung müssen Nutzer allerdings treffen: Soll es gekühltes oder granuliertes sein? Beides hat Vor- und Nachteile.

Probleme stören weltweit Computersysteme. Betroffen sind Fluggesellschaften, Medien- und Telekommunikationsunternehmen. In Deutschland mussten unter anderem die Flughäfen Berlin und Hamburg zu Ferienbeginn zeitweise den Betrieb einstellen.

Eltern können für 15 Arbeitstage Kinderkrankengeld bekommen, wenn ihr Kind krank ist. Aller Bekenntnisse zur Gleichstellung von Mann und Frau zum Trotz, zeigen langjährige Trends klar, wer in der Familie zuständig ist.

Eine Umfrage von Kassenanbieter Lightspeed in diversen Ländern zeigt, wie unterschiedlich das Verhalten beim Trinkgeld ist. Mehr als die Hälfte der Deutschen spricht sich gegen die Abschaffung des Trinkgelds aus. Deutsche sind die großzügigste Trinkgeldgeber in Europa. Sechs Prozent der Befragten geben Trinkgeld für Technik.

Ein belastbares und aussagekräftiges Zahlenwerk ist für die Führung der Betriebe im Gastgewerbe elementar. ETL ADHOGA, das Netzwerk von Branchenspezialisten bei Deutschlands führender Steuerberatungsgesellschaft, hat für eben jenen besonderen Bedarf das modulare Konzept ETL ADHOGA Consulting entwickelt.

Die Einführung des Elterngeldes mit längeren Abwesenheiten vor allem von Müttern hat dauerhaft keine negativen Auswirkungen auf die Betriebe. Das hat eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben.

Wenn Kollegen gegeneinander arbeiten, hat das weitreichende Folgen: Die Produktivität sinkt und die Qualität der Arbeit leidet. Mehr noch: Kunden verlieren das Vertrauen, weil sie merken, dass die Mitarbeiter untereinander verstritten sind. Hier ist FÜHRUNG gefragt! Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Teurere Energie, Materialien und höhere Löhne: Der Mittelstand muss steigende Kosten bewältigen. Viele Unternehmen finden einen Ausweg, den letztlich auch Verbraucher spüren dürften.