Zwei Wissenschaftler betrachten ein Jahrhunderte altes Gemälde, auf dem eine Frucht abgebildet ist. Sie sind sich nicht sicher, welche es ist. Sie muss aber früher so ausgesehen haben, da der Künstler damals als einer der besten des 17. Jahrhunderts galt. So schildert der Biologe Ive De Smet, wie er und der mit ihm befreundete Kunsthistoriker David Vergauwen darauf kamen, Kunst mit der Evolutionsforschung von Gemüse und Früchten zu verbinden.
Zusammen mit Kunstliebhabern weltweit wollen die Wissenschaftler die Evolutionsgeschichte von Früchten und Gemüse mit Hilfe teils Jahrhunderte alter Gemälde analysieren. «Wir besitzen vielleicht einen Teil des genetischen Codes für bestimmte antike Pflanzen, haben aber oft keine gut erhaltenen Exemplare», erklärte De Smet, der am Flämischen Institut für Biotechnologie im belgischen Gent arbeitet. Kunst zu betrachten könne deshalb helfen, die Evolution dieser Arten zurückzuverfolgen.
Beispielsweise hatten Wissenschaftler auf Abbildungen aus dem alten Ägypten dieselben Streifen auf Wassermelonen festgestellt, die die Früchte heutzutage haben, wie De Smet und Vergauwen im Fachblatt «Trends in Plant Science» schreiben. Zusammen mit der DNA eines Melonenblatts aus einem Pharaonengrab lag der Verdacht schließlich nahe, dass die Frucht bereits vor mehr als 4000 Jahren kultiviert wurde.
De Smet und Vergauwen wollen nun Abbildungen von Früchten und Gemüse etwa in Stillleben oder Darstellungen der Jungfrau Maria untersuchen. Allerdings können sich die beiden nicht auf die Darstellungen jedes Künstlers verlassen. Die Abbildungen etwa in Pablo Picassos «Krug und Obstschale» (1931) würden zu falschen Rückschlüssen führen, wie Früchte im frühen 20. Jahrhundert ausgesehen haben, schreiben sie. Zudem seien viele Werke nicht ausreichend genau katalogisiert. Beispielsweise seien Früchte, Gemüse oder Pflanzen, die in Gemälden abgebildet sind, nicht unbedingt in den Informationen über das Werk in Katalogen und Datenbanken eingetragen.
Um ihre Datenbank an Gemüse-Gemälden zu erweitern, hoffen die Forscher auch auf die Hilfe von Museen auf der ganzen Welt. «Für uns ist es leicht, in die europäischen Sammlungen wie den Louvre in Paris zu gehen, aber es gibt auch Museen in Asien oder Mittel- und Südamerika, die uns einiges beibringen könnten», erklärte De Smet. Daher bitten die beiden Wissenschaftlicher Kunstfans darum, ihnen Bilder von Gemälden weltweit zu schicken, auf denen pflanzliche Nahrung abgebildet ist.