Mangel an Fach- und Führungskräften - Was draufsteht muss auch drin sein

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin

Deutschland leidet seit Jahren unter dem Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften (FKM). Doch einige ernstzunehmende Stimmen stellen den FKM grundsätzlich in Frage. Es gäbe genug Arbeitskräfte. Was ist dran an dieser Diskussion? Und wie hat sie die Qualifikation der Menschen beeinflusst?

Der Autor dieser Zeilen hat bereits 2013 in seinem Buch „MITARBEITER suchen, finden, fördern, binden“ auf die Entwicklungen des Fachkräftemangels (FKM) hingewiesen und praktikable Lösungen vorgeschlagen. Jetzt – 8 Jahre später, nicht zuletzt durch Corona verstärkt – klagen Industrie, Handel und Dienstleistung erneut über den Mangel an qualifizierten Leuten.

Was waren die Auswirkungen auf den Qualifizierungsmarkt? Auf der einen Seite sehen wir zwar mehr Studierende an den Hochschulen, kürzere Studiendauer, einfacheren Zugang, leichtere Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die generelle Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Hinzu kommen neu akkreditierte, häufig nicht öffentlich getragene Bildungseinrichtungen, die Senkung der Fachanforderungen für die Ausübung bestimmter Berufe sowie die Nachqualifizierung von Arbeitskräften ohne Abschluss.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


 

Allerdings haben diese Entwicklungen nur eines gemeinsam: möglichst vielen Menschen schnell und leicht Abschlüsse und Grade zuteilwerden zu lassen – egal zu welcher Qualität. Als würde das die Lösung für den FKM bringen. Das Gegenteil ist der Fall: Die so entstandene Durchlässigkeit des Bildungssystems wird dadurch gesteigert. Das Land wird mit Titeln, Graden, Bildungsabschlüssen überschüttet, die am Ende nicht die erforderlichen Fachkompetenzen bieten und kaum mehr zu differenzieren sind.

Nicht der Titel, sondern die Qualität der Ausbildung führt zur Fachkraft

Der FKM wird damit zu einem qualitativen Mangel. Inzwischen führt dies z. B. in Hotellerie, Gastronomie und Touristik zu Verzweiflungstaten der HR-Abteilungen. Sie engagieren nur noch „Hände“ und nicht „Köpfe“, weil die gewünschte Qualifikation und Motivation für die außergewöhnlichen Arbeitsbedingungen nicht verfügbar sind. "Wir nehmen inzwischen, was wir kriegen können". Ein anderes Beispiel: Bauunternehmen finden zwar genügend Absolventen des Bachelorstudiums als Bauingenieur – aber gleichzeitig vermissen sie die erforderliche grundlegende Fachkompetenz. „Die wollen nur einen Büro-Job“, schimpfte neulich ein Bauunternehmer. Nur wenige seien wirklich qualifiziert für den Einsatz in der Praxis. Mühsam müssen durch interne Trainings die gewünschten Qualifikationen über Baustellenmanagement, Statik, Kalkulation etc. vermittelt werden. Arbeitgeber bemängeln das ebenso wie Personalberater seit Jahren. Hinzu kommt jenseits der fehlenden fachlichen Basisfähigkeiten ein erheblicher Mangel an Erfolgswillen, Zielstrebigkeit, Eigeninitiative, Einsatzbereitschaft. Stattdessen strotzen viele Kandidaten vor Selbstüberschätzung, überzogenen Vorstellungen über eigenes Können und angebliche Leistungserfolge. Sie haben ja schließlich den XY Abschluss vorzuweisen, so ihre Begründung. Viele fragen in Vorstellungsgesprächen zuerst nach der Work-Life-Balance bevor über Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einer Position gesprochen werden konnte.

Statt das Niveau der Ausbildung zu steigern, der Komplexität der Gesellschaft und den wachsenden Anforderungen anzupassen, wird gleich jedwedes Bemühen um mehr Wissen sofort ambitioniert mit Titeln versehen und die Voraussetzung zur Berufsausbildung wie z.B. der Meisterabschluss fallen gelassen. Alles ist heute ein Studium. Eine präzise Differenzierung geht verloren. So wird zwar die Anzahl der sogenannten Fachkräfte statistisch erhöht, deren Qualität bzw. Qualifikation aber nicht gefördert. Es fehlt an ganzheitlichem Denken, analytischem Vermögen, was sich zunehmend in der von Unsicherheiten, Komplexität und raschem Wandel geprägten Wirtschaft rächt. Eine komplexe interdisziplinäre Welt verlangt eben mehr als nur Wissen und das Abarbeiten von Einzelkursen. Gefragt sind künftig analytische, planerische Denkweisen, Verstehen von Zusammenhängen, Methoden- und Problemlösungskompetenz.

Was können wir ändern?

Wir brauchen nicht mehr Abschlüsse, Grade und wohlklingende Titel. Gefragt ist vielmehr Klasse statt Masse! Es macht auch keinen Sinn, Zugangsbedingungen und Ausbildungsniveaus zu senken – nur um leichter und schneller Fachkräfte zu „produzieren“. Ausbildungen müssen vielmehr verbindlichen, verlässlichen und transparenten Qualitätskriterien und Zugangsvoraussetzungen unterliegen, damit sie eindeutiger differenzierbar und bewertbar sind. Wenn das auch noch auf internationaler Ebene gelingt, dann erfüllt es die Forderung: „Was draufsteht – muss auch drin sein“.


Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Azubis werden dringender denn je gesucht: In der aktuellen "Ausbildungsumfrage 2024" meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen Höchststand bei der Zahl der Betriebe, die nicht genügend Nachwuchs finden. Das Gastgewerbe gehört neben Industrie, Handel, Verkehrsbranche und Baugewerbe zu den am meisten betroffenen Branchen.

Der DEHOGA Bundesverband warnt aktuell vor zwei Betrugsmaschen. So habe der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität Hinweise auf Fake-Rechnungen erhalten. Bei einer zweiten aktuellen Betrugsmasche wird potentiellen Opfern Ware aus der angeblichen Insolvenzmasse eines Getränkemarkts angeboten.

Um das Gehalt aufzustocken, kann sich neben dem eigentlichen Hauptberuf noch ein Minijob eignen. Oder vielleicht sogar mehrere? Folgendes sollten Sie dazu wissen.

Viele der rund 1,2 Millionen Azubis machen einer Umfrage zufolge regelmäßig Überstunden. Angehende Köchinnen und Köche leisten demnach mit durchschnittlich 6,1 Überstunden pro Woche die meiste Mehrarbeit gefolgt von Hotel-Azubis.

Ist der Arbeitsplatz vom Wohnsitz weit entfernt, haben Arbeitnehmer manchmal eine zweite Wohnung in der Nähe vom Job. Welche Kosten für Heimfahrten sie bei der Steuererklärung geltend machen können.

Pizza und Pasta sind nicht nur in Italien in aller Munde: Auch in sechs anderen europäischen Ländern liegt die italienische Küche weit vorn. Am schlechtesten bewerten viele das Essen von der Insel. Das sehen auch die Briten so.

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Ent­spannung nach dem Urlaub hält bei vielen Beschäftigten nicht lange an. Jeder dritte Befragte ist bereits in der ersten Arbeitswoche nach dem Urlaub wieder urlaubsreif.

Frauen waren stets unzufriedener mit dem eigenen Einkommen als Männer. Diese Lücke ist einer Studie zufolge zuletzt zumindest kleiner geworden. Abgefragt wurde auch die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit.

Tatsächlich selbstständig oder doch abhängig beschäftigt? Eine Frage, vor der viele Freiberuflerinnen und Freiberufler stehen. Aber was ist eigentlich das Problem?

Wenn Mitarbeiter oder Führungskräfte in der Öffentlichkeit über ihren Arbeitgeber lästern oder gar Geheimnisse ausplaudern, kann sie das ihren Job kosten. Denn Verschwiegenheit ist nicht nur eine Stilfrage, sondern auch ein rechtlicher Anspruch. Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.