Länder fordern bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für Corona-Regeln

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Die Ministerpräsidenten der Bundesländer wollen in den Wintermonaten einen Flickenteppich bei den Corona-Schutzmaßnahmen verhindern. Inmitten wieder anziehender Neuinfektionszahlen sendeten sie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom Petersberg bei Bonn ein einstimmiges Signal: Eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Maßnahmen muss bleiben.

Bei seiner ersten und letzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) als Gastgeber erklärte der scheidende nordrhein-westfälische Regierungschef Armin Laschet (CDU) am Freitag: Vorsicht und Schutzmaßnahmen seien weiter geboten. Nach einem «markanten Anstieg» der Neuinfektionszahlen in den vergangenen Tagen hätten die Ministerpräsidenten darauf reagiert, dass Spahn es infrage gestellt habe, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite über den 25. November hinaus zu verlängern.

«Egal, wie die Regelung ausfällt, wir brauchen jedenfalls eine Rechtsgrundlage», unterstrich Laschet - in großer Einigkeit auch mit seinem bayerischen Kollegen Markus Söder (CSU). Der mahnte: «Ohne Rechtsgrundlage des Bundes wären die Bürgerinnen und Bürger schutzlos.» Auch alle anderen Beschlüsse fielen nach Angaben der Düsseldorfer Staatskanzlei einstimmig - darunter der Auftrag an den Bund zu prüfen, wie die Fälschung von Impf-, Genesenen- und Testbescheinigungen lückenlos strafrechtlich geahndet werden könne.

Die MPK unter NRW-Vorsitz fiel in eine Zeit, in der viele wieder vor einer vierten Infektionswelle warnen. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland steigt derzeit rasch an. Das Robert Koch-Institut gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche am Freitag mit 95,1 an (Donnerstag: 85,6). Er hat damit erstmals seit Mitte Mai die 90 überschritten.

«Es ist damit zu rechnen, dass sich im weiteren Verlauf des Herbstes und Winters der Anstieg der Fallzahlen noch beschleunigen wird», schrieb das Institut in seinem jüngsten Wochenbericht zur Pandemie. Auch Intensivmediziner schlagen Alarm, weil mangels Pflegepersonals viele Intensivbetten nicht mehr betrieben werden könnten.

Spahn verteidigte derweil seinen Vorstoß für eine Beendigung der sogenannten epidemischen Lage nationaler Tragweite. Es gehe darum, nach 19 Monaten einen Ausnahmezustand zu beenden, sagte der CDU-Politiker im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks. Befugnisse der Bundesregierung sollten dadurch in einen Normalzustand zurückgeführt werden. Er betonte, dies bedeute keinen «Freedom Day» oder das Ende aller Maßnahmen.

3G-Regelungen oder etwa die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen könnten auch ohne den Ausnahmezustand geregelt werden, so Spahn weiter. Dafür müsse entweder die bundesgesetzliche Regelungskompetenz geändert werden, oder die Landtage müssten entsprechende Befugnisse auf Landesebene beschließen, sagte Spahn. 3G steht für Geimpfte, Genesene und Getestete.

Laschet sagte am Freitag, eine sichere Rechtsgrundlage sei für die bevorstehenden Monate unerlässlich, um notwendige Schutzmaßnahmen fortsetzen zu können. Dazu zählten etwa die 2- und 3G-Regeln, Masken, Abstand, Lüften sowie Kontaktdatenerhebungen. «Wenn jedes Land das selbst festlegen muss, führt das zu Verwerfungen», mahnte Laschet. «Deshalb ist eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich.» Die Länderchefs erwarteten, dass der Bundestag gemeinsam mit der scheidenden und der entstehenden Regierung sowie den Ländern bis zum 25. November Klarheit schafften. Die Länder hätten zwar noch eigene Regeln zur Umsetzung. «Aber die prinzipielle Option, die muss durch Bundesrecht hergestellt werden.»

Auch der Vizevorsitzende der MPK, der ebenfalls scheidende Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD), betonte, die Ministerpräsidenten seien sich «sehr einig, dass wir kein Risiko eingehen sollten». Man könne den Ländern nicht «auf einmal» die Rechtsgrundlage entziehen und sie in eine Situation steigender Inzidenzen «rutschen» lassen - gerade, nachdem man sich mit Augenmaß, aber auch mit schmerzhaften Maßnahmen Erfolge in der Pandemiebekämpfung erkauft habe.

Der von den Ländern benötigte Rechtsrahmen könne entweder durch eine verlängerte Erklärung der Corona-Notlage erreicht werden oder durch eine Übergangsregelung oder auch einen besonderen Beschluss mit Auflistung einzelner Maßnahmen, erläuterte Müller. Zwar hätten auch die Länder Möglichkeiten, über ihre Parlamente zu reagieren. Allerdings sei das nicht in jedem Landesparlament eine Selbstverständlichkeit, so dass manche Landesregierung ohne Grundlage für coronabedingte Eingriffe dastehen könnten, wenn eine bundesweite Regelung fehle. Zudem hätten Gerichte in ihren Urteilen schon länderübergreifende Grundlagen für bestimmte Maßnahmen eingefordert.

Spahn plant nach Angaben eines Ministeriumssprechers keinen Vorstoß für eine weitere bundesweite Regelung nach einem möglichen Auslaufen der nationalen Corona-Notlage. «Der Ball liegt jetzt nicht bei uns im Haus, sondern in den Fraktionen und im Parlament», sagte der Sprecher in Berlin. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, befürchtet bereits ein «Ping-Pong-Spiel».

Laschet sagte: «Das ist eine Sonderlage. Im Moment sind wir in dieser Zwischenphase.» Die scheidenden und die neuen politisch Verantwortlichen in Bundesregierung und Bundestag müssten dennoch zügig eine Rechtsgrundlage schaffen. Söder betonte: «Leider kommt Corona mit großer Wucht zurück. Die neue Ampel-Mehrheit darf sich nicht wegducken.»

Vor allem wegen der parallelen Verhandlungen zu einer Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen war die MPK-Runde nicht vollzählig. Die Regierungsspitzen von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Manuela Schwesig, Dietmar Woidke (beide SPD) und Reiner Haseloff (CDU) fehlten.

Spahn verteidigt Vorstoß zu Ende der «epidemischen Lage»

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat seinen Vorstoß für eine Beendigung der sogenannten epidemischen Lage nationaler Tragweite verteidigt. Es gehe darum, nach 19 Monaten einen Ausnahmezustand zu beenden, sagte der CDU-Politiker im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks. Befugnisse der Bundesregierung sollten dadurch in einen Normalzustand zurückgeführt werden. Spahn betonte, das Ende der epidemischen Lage bedeute keinen «Freedom Day» oder das Ende aller Maßnahmen. Man brauche weiterhin einen Zustand besonderer Vorsicht sowie 3G-Regelungen im Innenraum oder die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen. Dies könne aber auch ohne den Ausnahmezustand der sogenannten epidemischen Lage von nationaler Tragweite geregelt werden. Dafür müsse entweder die bundesgesetzliche Regelungskompetenz geändert werden, oder die Landtage müssten entsprechende Befugnisse auf Landesebene beschließen, sagte Spahn.

Die epidemische Lage wurde vom Bundestag im März 2020 festgestellt und mehrfach verlängert. Spahn hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, die bundesweite Corona-Notlage am 25. November auslaufen zu lassen. Bei ihrer Jahrestagung in Königswinter suchten die Ministerpräsidenten der Länder, einen Flickenteppich zu verhindern - auch angesichts steigender Infektionszahlen. (dpa)


 

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