Die digitale Transformation der Gastro-Branche begleiten und vorantreiben – das hat sich der Foodservice Digital Hub auf die Fahnen geschrieben. Gastronomen, Unternehmen der Lebensmittelindustrie und Agenturen ebenso wie Tech-Start-ups entwickeln dazu in Think Tanks, bei verschiedenen Event-Formaten und in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft gemeinsam Lösungen und Innovationen für die aktuellen Herausforderungen der Branche. Bei einem Treffen zum einjährigen Bestehen hat das Netzwerk jetzt die Ergebnisse der ersten Monate resümiert und die Weichen in Richtung Zukunft gestellt.
Personalmangel, steigende Energie- und Lebensmittelkosten, Lieferkettenprobleme, verändertes Gästeverhalten – die Herausforderungen für die ohnehin durch die Corona-Pandemie schwer belastete Gastro-Branche sind vielfältig. „Der Foodservice Digital Hub beschäftigt sich mit der Frage, welchen Beitrag die Digitalisierung leisten kann, um Gastronomen in dieser schwierigen Situation zu unterstützen”, erklärt Katharina Blöcher, Doktorandin an der Universität Leipzig und eine der Initiator, die Idee und Aufgabenstellung des Netzwerks.
Trendwende zu mehr Digitalisierung
Denn die vor allem durch vielfältige kleine und mittelständische Unternehmen geprägte Gastronomiebranche passt sich vergleichsweise langsam an digitale Entwicklungen und Gästebedürfnisse an. Allerdings hat die Corona-Pandemie zu einer entscheidenden Trendwende geführt: Auf der Suche nach Wegen aus der Krise erkennen Gastronomen zunehmend die Möglichkeiten der Digitalisierung. „Der Einsatz verschiedenster Technologien sowie die Digitalisierung von Prozessen helfen dabei, effizienter zu arbeiten und die verbliebenen Mitarbeiter zu entlasten”, sagt Blöcher. Mehr noch: „Digitalisierung ist in der Branche zu einer Frage des Überlebens geworden.” Das Spektrum reicht von der digitalen Bestellung über neue Businessmodelle wie Online-Tastings bis hin zu administrativen Prozessen wie Buchhaltung, Personalplanung und Warenwirtschaft oder Payment-Lösungen.
Anders als die großen Systemgastronomen müssen die kleinen und mittelständischen Unternehmen die kritischen Fragen der Digitalisierung ohne die Hilfe eigener IT-Abteilungen bewältigen. „Auf dem Markt existieren zahlreiche Lösungen für die verschiedenen Aufgaben in der gastronomischen Wertschöpfungskette. Die Frage ist, wie sie das Digitalisierungswissen zur Stärkung ihrer Prozesse erlangen”, berichtet Professor Rainer Alt vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig. „Auch wenn Dienstleister hier unterstützen können, so ist Wissen für die Verhandlung auf Augenhöhe und die Funktionalität der Systeme wichtig.” Infolge des personellen Engpasses besteht das Risiko, dass technologische Entwicklungen und Chancen digitaler Dienste häufig ungenutzt bleiben. Auch Defizite in der angebotenen Gastronomie-Technologie-Landschaft wie etwa fehlende Systemschnittstellen und Interoperabilität zwischen Systemen behindern die erfolgreiche Digitalisierung in der Praxis.
Veranstaltungen und Forschung
Mit dem Anspruch, die digitale Transformation der Gastronomie aktiv mitzugestalten, starteten 16 Gründungspartner aus Forschung und Praxis im September 2021 das deutschlandweite Netzwerk Foodservice Digital Hub. Der von der Universität Leipzig und der TNC Production GmbH initiierte Zusammenschluss wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des ZIM Innovationsprogramms gefördert. Mit den beiden zentralen Säulen Veranstaltungen und Forschung hat der Foodservice Digital Hub das Ziel, Wissen zu Technologien und Best Practices für die Branche zu vermitteln sowie relevante Forschungsinitiativen anzustoßen. Im Netzwerk arbeiten führende Branchenvertreter Hand in Hand mit innovativen Start-ups und Partnern aus der Forschung, um neue digitale Lösungen und Zukunftsszenarien zu entwickeln.
Im Rahmen einer Netzwerkveranstaltung in Berlin blickten jetzt rund 40 Teilnehmer auf die Ergebnisse der letzten Monate zurück. Schwerpunkt der Aktivitäten waren bislang verschiedene Think Tanks, in denen branchenrelevante Themen mit dem Ziel diskutiert wurden, marktnahe und innovative Anwendungen zu entwickeln. So entstand beispielsweise für ein italienisches Pizza-Konzept der Prototyp eines digitalen Avatars, der Bestellungen entgegennimmt und die Gäste zukünftig während des Prozesses berät. Auf diese Weise können Service-Mitarbeiter entlastet und über gezielte Ansprache Zusatzverkäufe generiert werden.
Zentrale Themen des Austauschs während der Netzwerkveranstaltung waren auch Plattform-Ansätze sowie das umfassende Datenmanagement zwischen allen Beteiligten in der gastronomischen Wertschöpfungskette. So diskutierten die Vertreter von Unternehmen wie Sell&Pick, Peter Pane, Nordmann F&B sowie der Enchilada Gruppe die Relevanz von Business Intelligence-Lösungen für die Gastronomie und die Chancen von Assistenzsystemen, die Gastronomen unterstützen, indem sie die richtigen Erkenntnisse aus Daten ziehen oder – sofern gewünscht – auch autonom Entscheidungen treffen.
Vernetzung von Branchenleadern
Ziel des Netzwerktreffens war es außerdem, die zukünftige Ausrichtung des Netzwerkes vorzustellen. „Unsere Schwerpunkte werden auf der Vernetzung von Branchenleadern, dem frühzeitigen Erkennen von Trends, der Erarbeitung von Lösungen und der digitalen Wissensförderung liegen”, erklärt Michael Kuriat, Geschäftsführer der TNC Group. „Unsere Arbeit wird darin bestehen, einerseits mit vielfältigen Formaten wie Webinaren, Vorträgen, Hackathons und Panel-Diskussionen Plattformen für den Austausch von Wissen und Inspirationen zwischen Experten aus Technologie und Foodservice zu schaffen und parallel mit Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.” Die bisher an der Universität Leipzig verortete Organisation wird in Zukunft durch eine Ausgründung des Netzwerkes eigenständig durchgeführt, aber weiter in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Leipzig stattfinden.
Dabei setzt das Netzwerk auf Kooperationen, wie zum Beispiel mit dem Foodservice Innovation Lab by Dussmann sowie dem internationalen Beraternetzwerk FCSI, um Veranstaltungsformate wie den FCSI Stammtisch im Herbst gemeinsam durchzuführen. Auch national und international tätige Unternehmen wie die Enchilada Gruppe, Peter Pane, Foodnotify oder die Paulaner Brauerei Gruppe unterstützen die Netzwerkarbeit. Wichtiger Gründungspartner war außerdem der Leaders Club Deutschland. Beratungs- und Forschungsinstitute unterstützen das Netzwerk darüber hinaus mit ihrer Branchenexpertise und methodischem Wissen. So unterstützt das Fraunhofer IDMT in Oldenburg die Partner durch seine Kompetenz in der Integration von Spracherkennung, beispielsweise zur Erweiterung virtueller Bestellassistenten um Lösungen zur Sprachinteraktion. Dabei ist in der Gastronomie vor allem die Zuverlässigkeit in lauter Umgebung und Datenschutz besonders wichtig, damit keine persönlichen Gespräche von Gästen, sondern lediglich die gewünschten Bestellungen den Tisch verlassen.
Der Foodservice Digital Hub ist offen für weitere interessierte Gastronomen und Partnern aus Praxis und Forschung, die sich am Netzwerk beteiligen möchten.