Sommertourismus in Österreich boomt - es gibt jedoch Verlierer

| Tourismus Tourismus

Österreichs Tourismussektor erlebt derzeit eine bemerkenswerte Erholung. Doch hinter den Schlagzeilen über Übernachtungsrekorde und steigende Besucherzahlen verbirgt sich eine komplexe Realität. Eine Analyse von Kohl > Partner, basierend auf einer repräsentativen Umfrage und aktuellen Bilanzdaten von über 300 Tourismusbetrieben im Alpenraum, zeigt ein differenziertes Bild des aktuellen Tourismusgeschehens auf.

In der Vergangenheit wurden häufig die Übernachtungszahlen als alleiniger Erfolgsindikator herangezogen. In einer Zeit überproportional steigender Kosten in der Branche sind sie allein jedoch keine ausreichende Messlatte mehr für den wirtschaftlichen Erfolg. Der Tourismus ist zu komplex, um ausschließlich anhand einer Kennzahl bewertet zu werden und es erfordert eine differenziertere Betrachtung, um die wirtschaftliche Realität zu beurteilen.

Positive Stimmung – trotzdem Anzeichen für Anspannung

Obwohl die Stimmung in der Tourismusbranche im Allgemeinen positiv ist, gibt es Anzeichen dafür, dass die Lage in vielen Bereichen anspruchsvoller ist als es den Anschein hat. Helmut List, Managing Partner bei der Tourismusberatung Kohl > Partner, betont die Notwendigkeit einer realistischen Einschätzung der Situation und weist auf Kostensteigerungen hin, insbesondere bei Energie, Mitarbeiterkosten und Zinsen. Diese führen trotz teilweiser massiver Preiserhöhungen zu stagnierenden oder rückläufigen Ergebnissen: „Die fetten Jahre sind vorbei, die Branche ist im Umbruch“, erklärt Helmut List.

Die Sommersaison 2023, aus der Perspektive der Ferienhotellerie, war geprägt von gemischten Gefühlen. Während 55 Prozent der Betriebe die Saison neutral bewerten, berichten 25 Prozent von positiven Ergebnissen und etwa 20 Prozent von negativen Erfahrungen. Die klaren Gewinner dieser Saison waren die Stadthotels, die starken Zulauf verzeichneten und vielerorts die Werte von 2019 erreichten oder übertrafen.

Ein signifikanter Unterschied zu 2023 war die anfängliche Unsicherheit zu Saisonbeginn, bedingt durch ein verregnetes Frühjahr. Buchungen erfolgten später als üblich, und viele Gäste buchten erst im gleichen Monat ihres geplanten Aufenthalts. Die Auswirkungen dieses unvorhersehbaren Buchungsverhaltens waren spürbar.

Branche ist im Umbruch

Das Sparverhalten der Gäste beeinflusste die durchschnittlichen Erlöse, die in etwa zwei Drittel der Betriebe niedriger als im Vorjahr ausfielen. Hauptursache hierfür war die Inflation und die damit einhergehenden gestiegenen Preise, insbesondere in der Gastronomie. Die Branche steht vor der Herausforderung, trotz gestiegener Preise wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig den hohen Erwartungen der Gäste gerecht zu werden.

Massive Kostensteigerungen, insbesondere durch die Inflation, haben die wirtschaftliche Lage der Betriebe beeinträchtigt. Die Gewinnmargen sind geschrumpft, während die Herausforderungen bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung zugenommen haben.

 

Blick in den kommenden Winter ist verhalten positiv

Der Ausblick auf den kommenden Winter zeigt bei den befragten Unternehmen eine verhalten positive Buchungslage, jedoch mit einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr in einigen Fällen. Die Branche ist gezwungen, ein angemessenes Preisniveau aufrechtzuerhalten, um die gestiegenen Kosten zu decken. Trotz Preiserhöhungen kämpfen viele Betriebe damit, die tatsächlichen Kostensteigerungen auszugleichen, was zu einer insgesamt verschlechterten Ertragslage führt.

List betont die Notwendigkeit von Verständnis und Wertschätzung für die Leistungen der Branche. Er ermutigt die Gäste dazu, die veränderten Rahmenbedingungen zu akzeptieren und anzuerkennen, dass Qualität und das zwischenmenschliche Erlebnis in Hotellerie und Gastronomie ihren Preis haben: „Gastronomie und Hotellerie passen sich den Rahmenbedingungen an und erfinden sich gerade neu. Es ist erforderlich die erhöhten Kosten und Preise zu akzeptieren. Es braucht wieder ein Bewusstsein, das Qualität, Verwöhnprogramme, eine moderne Infrastruktur und gute Mitarbeiter:innen eben ihren Preis haben.“

So stehen die Zeichen zwar auf Erholung, doch steht die österreichische Tourismusbranche trotzdem vor einer Vielzahl wirtschaftlicher Herausforderungen, die eine Anpassung und Sensibilisierung erfordern.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Antarktis, das Great Barrier Reef - und das Ahrtal: Die Reisezeitschrift «Condé Nast Traveller» empfiehlt die Region als Top-Reiseziel für das kommende Jahr. Was steckt dahinter?

Kaum Wohnungen für Einheimische, viele Unterkünfte für Gäste - viele Ferienorte an der Nordsee haben mit illegal vermieteten Ferienunterkünften zu kämpfen. Der Kampf gegen die verbotenen Unterkünfte stellt die Kommunen vor Herausforderungen.

Zahlreiche Städte und Attraktionen in Italien verzeichnen immer neue Besucherrekorde. Der immense Urlauberandrang soll gedrosselt werden - durch Verbote, Kontrollen und Gebühren.

Die Zahl der Berlin-Touristen ist in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Von Januar bis September kamen 9,5 Millionen Gäste mit knapp 23 Millionen Übernachtungen in die Hauptstadt.

Die Ausgaben für Geschäftsreisen in Europa werden im Jahr 2024 voraussichtlich 360,4 Milliarden Euro erreichen, was einem Anstieg von 10,4 Prozent gegenüber 2023 entspricht. Damit liegen die Ausgaben immer noch unter Vor-Corona-Niveau. Die größte Kategorie bei den Ausgaben für Geschäftsreisen bleiben Übernachtungen.

Kreative Konzepte und innovative Ideen: Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH zeichnet drei Unternehmen mit dem Tourismuspreis Rheinland-Pfalz 2024 aus. Als Innovation des Jahres wird das Jugendstilhotel Trifels mit seinen Baumwipfelhäusern und Bergchalets auf Stelzen ausgezeichnet.

Die Jury hat die Qual der Wahl: Aus 56 Vorschlägen muss sie die Preisträger auswählen. Dazu gehören das Weimar-Haus genauso wie die Thüringer Wald Service GmbH und die Ferienhaussiedlung Hainichhöfe.

Die niederländische Stadt Den Haag hat sogenannte fossile Reklame im öffentlichen Raum verboten. Ab 1. Januar ist Werbung an Bushaltestellen oder Bahnhöfen für Flugreisen, Kreuzfahrten, fossile Energie oder Autos mit Verbrennungsmotor untersagt. Gegen das Reklameverbot klagt nun die Reisebranche.

Reisen im eigenen Land ist für die Deutschen weiterhin eine beliebte Art des Reisens. Neue Recherchen des Ferienhaus-Portals Holidu stellen die fünf besten Roadtrips in Deutschland und den umliegenden Regionen vor.

Berlin soll nach den Plänen des Senats künftig noch mehr vom Wassertourismus profitieren. Schiffstouren auf der Spree oder Segeln auf dem Müggelsee - die Stadt bietet schon jetzt einige Möglichkeiten. Der Senat sieht dennoch Chancen für die Zukunft.