Corona-Krise bislang vergleichsweise geringe Auswirkungen auf Arbeitsmarkt

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Die Corona-Krise hat bislang vergleichsweise geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Deutschland gehabt. Zwar ging von April bis Juni die Zahl der Erwerbstätigen so stark zurück wie noch nie seit der Wiedervereinigung, sie blieb aber in der Dimension deutlich hinter dem Wirtschaftseinbruch zurück.

Nach am Dienstag vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen waren im zweiten Quartal dieses Jahres in Deutschland 44,7 Millionen Menschen erwerbstätig, 1,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das Bruttoinlandsprodukt ist zum Vorjahresquartal aber preisbereinigt um 11,7 Prozent eingebrochen.

Weit stärker als die Erwerbstätigenzahl sank das Arbeitsvolumen, also die von allen zusammen geleistete Arbeitszeit. Sie verringerte sich nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor allem wegen der intensiv genutzten Kurzarbeit im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,0 Prozent auf 13,3 Milliarden Stunden. Auf jeden Einzelnen entfielen noch 297,3 Arbeitsstunden. Das waren 8,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Nach IAB-Berechnungen ist in der Corona-Krise die Produktivität der verbliebenen Beschäftigten mit einem Minus von 1,7 Prozent weniger stark zurückgegangen als noch in der Finanzkrise 2008/2009.

«Die Arbeitszeitverkürzung mit dem dicken Brocken Kurzarbeit war der wesentliche Anpassungsweg an die veränderte Situation», sagt der IAB-Ökonom Enzo Weber. «Das Kurzarbeitergeld ist vor allem bei einem externen Schock, den man gemeinsam mit den eigenen Leuten überstehen will, ein probates Mittel. Das Geschäftsmodell ist bei den meisten Unternehmen intakt. Die Corona-Pandemie ist damit für große Teile der Wirtschaft als Paradefall für das Kurzarbeitergeld zu sehen.»

Die Lohnersatzleistung aus den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit war mit der Übernahme der vollständigen Sozialabgaben und erhöhten Sätzen deutlich attraktiver gemacht worden. Es habe zwar sicher auch Mitnahmeeffekte gegeben in Firmen, in denen die Arbeitsplätze auch auf andere Weise gehalten worden wären, meinte Weber. «Das muss aber in Kauf genommen werden, zumal es in den ersten Wochen auch darum ging, die Liquidität der Betriebe zu erhalten.»

Aktuell wird in der Politik eine Verlängerung der Höchstbezugsdauer von 12 auf 24 Monate diskutiert. Der IAB-Experte befürwortete die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate. «Weil das aber ein hohes Risiko birgt, den Wandel der Wirtschaft zu verschleppen, muss damit die Qualifizierung der Beschäftigten verbunden werden.»

Die IG Metall hat zur dauerhaften Rettung von Jobs in der Metall- und Elektroindustrie eine Vier-Tage-Woche ins Gespräch gebracht. «Die Vier-Tage-Woche wäre die Antwort auf den Strukturwandel in Branchen wie der Autoindustrie. Damit lassen sich Industriejobs halten, statt sie abzuschreiben», hatte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, gesagt. Er hatte einen «gewissen Lohnausgleich» für die entfallende Arbeitszeit verlangt, damit sich die Mitarbeiter dies leisten könnten.

Einen Lohnausgleich lehnt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ab. Dieser bedeute effektiv deutliche Lohnerhöhungen und damit steigende Kosten für die Unternehmen, sagte er der «Passauer Neuen Presse» (Dienstag). «Gegen eine Vier-Tage-Woche, gegen flexible Arbeitszeiten, ist erst einmal nichts einzuwenden, wenn das die Arbeitgeber und Arbeitnehmer so wollen. Entscheidend ist immer die Frage des Lohnausgleichs.» Er gehe davon aus, dass es in den kommenden Jahren in vielen Branchen keine Lohnerhöhungen geben werde.

Auch IAB-Ökonom Weber hält eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich für unrealistisch. Gleichwohl könnte die Arbeit besser verteilt werden. «Nach unserer Einschätzung wird es in Zukunft nicht weniger Arbeit geben als jetzt. Wir sollten also nicht die Obergrenze der Arbeitszeit für alle absenken, sondern dem Einzelnen mehr Wahlmöglichkeiten eröffnen. Es gibt viele, die etwas weniger arbeiten wollen. Aber auch viele, die umgekehrt mehr tun wollen als derzeit.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Auch im Frühjahr ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland weiter gestiegen. Im zweiten Quartal dieses Jahres gingen 46,1 Millionen Menschen einem Job nach oder waren selbstständig. Neue Jobs entstanden allerdings fast ausschließlich in einem Bereich.

Bei vielen galt Alkohol in Maßen lange als gesundheitsfördernd. Doch das stimmt wohl nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihre Position dazu jetzt verändert.

Was weiß der Arbeitgeber schon über den Bewerber, bevor er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird? Eine Suchmaschinenabfrage kann vieles preisgeben. Aber ist das auch erlaubt?

Die Distributionsstrategie eines Unternehmens bildet einen essenziellen Bestandteil seiner langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität. In einer globalisierten und digitalisierten Wirtschaftsumgebung ist die strategische Planung und Implementierung von Distributionskanälen von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Ein Gastbeitrag der HSMA.

Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Arbeit auf Abruf: Alles das Gleiche? Nein, denn das eine gilt als Arbeitszeit und das andere nicht. Wann wird es bezahlt - und wann nicht?

Der Lachs hat den Alaska-Seelachs wieder als Lieblingsfisch der Deutschen abgelöst. Insgesamt kauften die Bundesbürger im vergangenen Jahr weniger Fisch, bezahlten dafür aber mehr.

Einmal abgemahnt, dann gekündigt? Kann es wirklich so schnell gehen? Was genau eine Abmahnung bedeutet und wie viele man als Arbeitnehmer kassieren kann.

Viele Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden, zeigen aktuelle Daten. Oft passen Erwartungen und Angebot nicht zusammen. Was heißt das für Jugendliche auf Stellensuche? Ein Experte erklärt es.

Nach drei Jahren mit massivem Reallohnrückgang holen die Tarifbeschäftigten in Deutschland mächtig auf. Ihre Gehälter wachsen so schnell wie seit langem nicht. Das wird aber nicht so bleiben.

Die Betriebsferien ermöglichen es Arbeitgebern, einen Zeitraum festzulegen, in dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Urlaub nehmen müssen. Aber: Einfach so und spontan geht das nicht.