Mehr als jeder dritte Büroarbeiter im Urlaub für Job erreichbar

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Sonne, Strand, die Kinder spielen im Wasser, das in den Urlaub mitgebrachte Buch ist angemessen leicht und trotzdem spannend. Tief durchatmen, die dringend benötigte Erholung setzt endlich ein. Gerade jetzt klingelt das Handy: Der Chef. Wo denn eigentlich die Kostenprognose für das laufende Projekt sei?

Was nach unerfreulichem Klischee klingt, ist für mehr als ein Drittel der Büroarbeiter in Deutschland ein realistisches Szenario: 37 Prozent der Büroangestellten, die einen Sommerurlaub machen, sagten in einer Umfrage von Yougov im Auftrag des Technologieunternehmens Slack, dass sie auch in dieser Zeit für den Arbeitgeber erreichbar seien. Das sind 6 Prozentpunkte mehr als bei einer vergleichbaren Umfrage vor einem Jahr.

Der am häufigsten genannte Grund für die Erreichbarkeit ist allerdings nicht die Erwartungshaltung des Chefs oder der Chefin, sondern eigener Antrieb. Ihn nannten 80 Prozent der Erreichbaren in der Befragung als einen Grund für ihr Verhalten. Dahinter folgten wichtige Aufgaben und Projekte mit 76 Prozent und erst dann die Erwartungshaltung des Arbeitgebers.

Dabei sind 28 Prozent der Erreichbaren an jedem Tag des Urlaubs für die Chefetage und Kollegen zu sprechen. Weitere 12 Prozent an mehr als sieben Tagen. Die eigenen Mails checken die Erreichbaren sogar noch öfter: 73 Prozent tun dies mindestens täglich. Und selbst von jenen, die sagen, dass sie nicht erreichbar seien, schalten nicht alle komplett ab: Hier checken 16 Prozent noch mindestens täglich die dienstlichen Mails.

Dabei müssen die Arbeitnehmer dies nicht, wie der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck, sagt: «Eigentlich ist die Sache von der rechtlichen Seite her sehr einfach und klar: Urlaub ist arbeitsfrei», sagt er. «Ich bin nicht verpflichtet, im Urlaub irgendwelche Tätigkeiten zu verrichten, eine Telefonnummer zu hinterlassen, unter der ich erreichbar bin, oder meine Mails zu checken.» Dies gelte auch für Führungskräfte.

Selbst wenn man freiwillig seine Telefonnummer hinterlasse und dann angerufen werde, sei man rechtlich eigentlich nicht verpflichtet, im Urlaub zu arbeiten, erklärt der Anwalt. Wenn es allerdings um etwas gehe, das sich leicht machen lasse - beispielsweise die Weitergabe eines Passwortes - rät er dies zu tun, schon um Ärger zu vermeiden.

Einen Ausgleich für die Erreichbarkeit im Urlaub – sei es finanziell oder als Überstunden – sehe das Gesetz bei alldem nicht vor, sagt Bredereck. «Dann wäre es nämlich rein rechtlich kein Urlaub mehr.»

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) steht man der dauernden Erreichbarkeit ebenfalls kritisch gegenüber. «Menschen sind keine Maschinen, alle brauchen Ruhezeiten», betont Vorstandsmitglied Anja Piel. Beschäftigte, die ihre Auszeiten zur Erholung nutzten, seien gesünder und leistungsfähiger. Ständige Erreichbarkeit mache dagegen krank: Die Folgen könnten Erschöpfung, Schlafstörungen und im schlimmsten Fall sogar Herz-Kreislauferkrankungen sein, sagt sie.

Dennoch gebe es in vielen Betrieben ungeschriebene Regeln für die Erreichbarkeit während Auszeiten. «Manche Beschäftigte geben dem Druck nach, im Urlaub und in der Freizeit zu arbeiten», beklagt Piel und betont: «Besser als ungeregelter Druck sind Betriebsvereinbarungen, die Erreichbarkeit in der Freizeit klar und unmissverständlich für alle regeln.»

Auch Nina Koch von Slack, dem Auftraggeber der Umfrage, betont: «Das flexible Arbeiten darf nicht dazu führen, dass Angestellte permanent erreichbar sind und gar nicht mehr abschalten können.» Hier brauche es Hilfestellung und klare Rahmenbedingungen von den Arbeitgebern. Dabei könne auch Technik helfen - mit Nachrichten, die nur zu bestimmten Zeiten weitergeleitet werden oder indem die Nachrichten während des Urlaubs bereits für die Rückkehr vorsortiert werden.

Dann könnte die Erholung auch länger halten: In der aktuellen Umfrage sagten nämlich nur 28 Prozent der Befragten, dass sie dies für mehr als sieben Tage tun. Und 9 Prozent fühlen sich nach eigenem Bekunden sogar sofort wieder gestresst, wenn sie zurück im Büro sind. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Ist der Arbeitsplatz vom Wohnsitz weit entfernt, haben Arbeitnehmer manchmal eine zweite Wohnung in der Nähe vom Job. Welche Kosten für Heimfahrten sie bei der Steuererklärung geltend machen können.

Pizza und Pasta sind nicht nur in Italien in aller Munde: Auch in sechs anderen europäischen Ländern liegt die italienische Küche weit vorn. Am schlechtesten bewerten viele das Essen von der Insel. Das sehen auch die Briten so.

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Ent­spannung nach dem Urlaub hält bei vielen Beschäftigten nicht lange an. Jeder dritte Befragte ist bereits in der ersten Arbeitswoche nach dem Urlaub wieder urlaubsreif.

Frauen waren stets unzufriedener mit dem eigenen Einkommen als Männer. Diese Lücke ist einer Studie zufolge zuletzt zumindest kleiner geworden. Abgefragt wurde auch die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit.

Tatsächlich selbstständig oder doch abhängig beschäftigt? Eine Frage, vor der viele Freiberuflerinnen und Freiberufler stehen. Aber was ist eigentlich das Problem?

Wenn Mitarbeiter oder Führungskräfte in der Öffentlichkeit über ihren Arbeitgeber lästern oder gar Geheimnisse ausplaudern, kann sie das ihren Job kosten. Denn Verschwiegenheit ist nicht nur eine Stilfrage, sondern auch ein rechtlicher Anspruch. Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Taylor Swift hat ihre Fans in Deutschland begeistert. Frohlocken konnten aber auch die Gastgeber an den Auftrittsorten. Eine Mastercard-Auswertungen verdeutlicht den „Swift-Effekt”.

Eine Studie zeigt: Die Vorschläge der KI-Chatbots ChatGPT und Gemin sind meist gesünder als das, was Menschen im Durchschnitt täglich zu sich nehmen. Eine professionelle Ernährungsberatung können die KI-Chatbots jedoch nicht ersetzen.

Kinder und Jugendliche nehmen trotz eines Rückgangs ihres Zuckerkonsums im Vergleich zu früher immer noch zu viel Zucker zu sich. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Bonn, die die Aufnahme von freiem Zucker im Alter von 3 bis 18 Jahren ausgewertet hat.

Das Smartphone nicht sofort griffbereit zu haben - für die meisten von uns fast unvorstellbar. Manche Arbeitgeber aber verbieten die private Handynutzung am Arbeitsplatz. Ist das erlaubt?