Trauen Sie dem Frieden nicht!

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Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.

Für die Wirtschaft sind die Zeiten nicht gerade die besten. Umso mehr sind Führungskräfte gefragt, die die richtigen Entscheidungen treffen. Man sollte meinen, dass sich Manager intensiv mit dem Thema Entscheidungsfindung auseinandersetzen. Doch Fehlanzeige. In der Praxis ist das nur begrenzt der Fall. Kein Wunder, dass so viele Fehlentscheidungen fallen oder Entscheidungen erst gar nicht gefällt werden.

Der Chef der Unternehmensberatung Roland Berger wurde neulich gefragt, wie er die momentane wirtschaftliche Situation in Deutschland einschätze: „Die Lage ist wirklich ernst“, so das Statement von CEO Stefan Schaible – „Das haben nur noch nicht alle begriffen“.

In der Tat zeigt sich: Die deutsche Wirtschaft steht vor der größten Transformation ihrer Geschichte. Das alte Denken – nur Kosten reduzieren und Personal abbauen – reicht nicht mehr. Gleichzeitig muss auch investiert werden. In vielen Unternehmen gilt aber immer noch die alte Devise „Jetzt kürzen wir erstmal die Kosten. Und wenn wir dann wieder ordentlich Geld verdienen, investieren wir in neue Technologien, Forschung, Entwicklung und Maschinen“. Doch damit kommen die dringend notwenigen Innovationen immer zu spät. Der ausländische Wettbewerb ist schneller.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Wir müssen heute alles gleichzeitig tun

Und genau das erfordert von Unternehmenslenkern und Führungskräften ein neues Denken. Fragt man Führungskräfte nach ihrer Entscheidungskultur, erhält man sehr häufig die Antwort: schnell, intuitiv, aus dem Bauch. Nur wenige gehen dabei analytisch, strukturiert und systematisch vor. „Schnelllebige Zeiten erfordern nun mal schnelle Entscheidungen“, so die landläufige Rechtfertigung. Auch wenn mal eine daneben geht, müsse man den Mut haben, rasch zu entscheiden. „Management by Django“ – Ohne zu zielen aus der Hüfte schießen.


Mag sein, dass das bei alltäglichen Entscheidungen häufig gut geht, bei schwierigen, strategisch bedeutenden, folgenreichen wird der Schuss mehrheitlich ins Leere gehen. Können wir uns das noch leisten?
Ein Beispiel: Die Umsätze gehen plötzlich zurück. Liegt ein Marketingproblem vor, hängt es an der Qualität der Serviceleistung? Ist die Preispolitik falsch, die Werbung schlecht? Liegt es an der Konjunktur, an der Schlagkraft des Verkaufs? Fragen über Fragen. Hier eine schnelle Entscheidung zu treffen, mag zwar das Gefühl von Entscheidungsfreude dokumentieren („der tut wenigstens was“), überprüft man hinterher aber das Ergebnis, ist die Trefferquote selten hoch. Es wird deutlich, nicht natürliche Begabung, sechster Sinn oder der richtige Riecher machen den Erfolg aus, nicht Aktionismus, sondern harte Arbeit, gründliche Sachkenntnis und intensive Auseinandersetzung mit der sich stellenden Aufgabe.

Was immer Du entscheidest – bedenke das Ende!

Zugegeben, man kann zu langsam entscheiden und damit das Unternehmen lähmen. Man kann aber auch zu schnell entscheiden und damit ein Desaster anrichten. Kompromisse rächen sich ebenso schnell, wie die Entscheidung gefällt wurde. Das ständige Abwägen von Tempo und Gründlichkeit ist eine jener Herausforderungen für Manager, die von ihnen in Zukunft stärker gefordert wird, denn je. Dafür gibt es keine Erfolgsformel. In allen Fällen braucht es Urteilskraft (die man schärfen kann), Erfahrung (deren Erwerb Zeit braucht) und Sachkenntnis (die man nicht durch flotte Sprüche ersetzen kann).

Schmusekurs als Weg des geringsten Widerstands

Viele Manager glauben, für die erfolgreiche Führung einer Organisation, eines Teams, bzw. eines Betriebes sei Konsens wesentlich. Natürlich ist es für die erfolgreiche Umsetzung von Entscheidungen nützlich, wenn alle Beteiligten vorher dazu genickt haben. Die Realisierungs-Chancen sind einfach größer. Aber viele Manager versuchen aus Bequemlichkeit, Harmoniestreben oder Konfliktscheue, viel zu früh oder zu schnell einen Konsens herbeizuführen. Oft sprechen wir dann bewundernd von der „Konsens-Kultur“ eines Unternehmens. „Ist es nicht herrlich, wie lieb wir uns alle haben?“
Betrachten wir es aber genau, entsteht Entscheidungssicherheit nicht aus Harmoniestreben, schon gar nicht, wenn es um strategisch bedeutende Zukunftsfragen geht. Sondern sie entsteht aus Kontroverse und Dissens. Sie kennen das alte Sprichwort: Sind zwei Manager einer Meinung, ist einer zu viel

Ein von mir aufrichtig bewunderter Klient ist langjähriger Chef eines bedeutenden Unternehmens. Für ihn war Dissens seine Methode zur Entscheidungsfindung. Folglich ging es auf seinen Management Meetings immer recht hitzig zu. Doch eines Tages – eine wichtige Entscheidung über die anstehende Transformation des Unternehmens stand an – erntete er wider Erwarten allgemeine Zustimmung zu der von ihm vorgeschlagenen Entscheidung. Offenbar waren sich alle einig, was durch allgemeines Kopfnicken bestätigt wurde.

Darauf erhob sich mein Klient mit den Worten: „Wenn das so ist, dann unterbrechen wir dieses Meeting hier und jetzt. Wir sollten uns bei dieser wichtigen Entscheidung genug Zeit nehmen, zu unterschiedlichen Meinungen zu kommen.“ Alle waren total verblüfft. Aber der Boss wusste sehr genau, dass der schnelle Konsens nur deshalb zustande gekommen war, weil niemand seine Hausaufgaben wirklich gründlich genug gemacht hatte. „Ich bezahle meine Führungskräfte gerade dafür, dass sie in wichtigen Dingen unterschiedlicher Meinung sind,“ so sein Standpunkt. Ich muss zugeben, nach zahlreichen Diskussionen mit den sogenannten „Konsens-Kultur-Aposteln“ gefällt mir seine Einstellung immer besser.

Schlechtes Vorbild Caesar

Einer der es in seiner Selbstherrlichkeit lieber hatte, dass alle stets seiner Meinung zustimmten, war Julius Cäsar. „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein, die nachts gut schlafen“, war sein Grundsatz. Er wusste, diese Typen würden schon aus Bequemlichkeit seinen Entscheidungen nicht widersprechen. Aber was hat es ihm genützt? Wie wir wissen, war seine Karriere sehr abrupt zu Ende.
Was können wir von Cäsar lernen? Achten Sie mal in Ihrem Führungsalltag darauf: Ein allzu schneller Konsens Ihrer Leute in wirklich wichtigen Fragen sollte Ihnen geradezu unheimlich vorkommen. Trauen Sie diesem Frieden nicht. In den meisten Fällen lauern im Hintergrund in Wahrheit die unterschiedlichsten Auffassungen. Ich nenne sie die „U-Boot-Meinungen“. Spätestens in der Realisierungsphase tauchen sie auf („hab ich ja gleich gewusst“, „eigentlich war ich ja damals schon dagegen“).

Verlangen Sie also von Ihren Führungskräften, vorher klar und deutlich zu sagen, wofür oder wogegen sie sind, wie sie die Dinge sehen, welche Alternativlösungen sie anbieten – und warum. Das kostet Zeit und Arbeit, ist auch gelegentlich mit Emotionen verbunden. Vor allem kostet es aber Ihre Bereitschaft, Widerspruch zuzulassen. Und es erfordert einen Abschied von der „Ordre de Mufti“-Mentalität vieler Chefs.
Alles in allem also ein eher unbequemer Weg, um zu guten Entscheidungen zu kommen, werden Sie jetzt sagen. Mag sein, aber es ist der Weg zu besseren Ergebnissen.
Und das ist es, was letztlich zählt, oder?


Autor
Albrecht von Bonin

VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de


 

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