Was über den Impfstoff von Biontech bekannt ist

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Wird der Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer auch in der EU zugelassen? In Großbritannien, den USA und Kanada ist der Impfstoff bereits im Rahmen von Notfallzulassungen auf dem Markt, in der Schweiz erteilten die zuständigen Behörden die erste ordentliche Zulassung. Am Montag (21. Dezember) gibt die Europäische Arzneimittelagentur EMA nun ihre Beurteilung zu dem Impfstoff ab. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erwartet die Zulassung durch die EU-Kommission am Dienstag. Die vorliegenden Daten versprechen eine gute Wirksamkeit des Impfstoffs - daran dürfte nach Expertenansicht auch die derzeit in Großbritannien zirkulierende neue Variante des Virus nichts ändern.

Wie wirkt der Impfstoff?

Bei dem Mittel von Biontech und Pfizer handelt es sich um einen sogenannten mRNA-Impfstoff. Bislang wurde noch kein Impfstoff dieser Art für den Menschen zugelassen. Der Unterschied zu herkömmlichen Impfstoffen: Er enthält keine abgeschwächten oder abgetöteten Viren, sondern lediglich die Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers, genauer gesagt für ein Eiweiß der Virusoberfläche.

Die Bauanleitung besteht aus dem Molekül mRNA. Auf ihrer Grundlage stellen die Körperzellen das Virusprotein her. Gegen dieses entwickelt der Körper dann seine Immunantwort. Bei späterem Kontakt mit dem Erreger erkennt das Immunsystem das Protein wieder und kann das Virus schnell gezielt bekämpfen. Weil der Impfstoff eben nur die Information für einen einzelnen Bestandteil des Virus enthält, besteht keine Gefahr, dass sich nach der Impfung Viren im Körper ausbreiten.

Wovor schützt der Impfstoff nachweislich?

«Die Impfstoffversuche zeigen, dass Menschen nicht mehr symptomatisch erkranken», sagt Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Universität Rostock. Ob die Impfung auch eine Ansteckung verhindert, ist derzeit unklar. «Wir hoffen natürlich alle, dass die Impfung auch die Infektion verhindert, aber wir wissen es momentan nicht», sagte Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut vor Kurzem der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Denkbar ist, dass Geimpfte sich anstecken und das Virus weitergeben, obwohl sie selbst nicht erkranken.

Wie gut schützt der Impfstoff?

Nach den klinischen Studien gibt Biontech die Wirksamkeit des Impfstoffs mit 95 Prozent an. Das bedeutet: Unter den Probanden der geimpften Gruppe traten 95 Prozent weniger Erkrankungen auf als unter den Probanden der Kontrollgruppe.

Ob die genannte - für viele Experten überraschend hohe - Wirksamkeit auch bei einem massenhaften Einsatz des Impfstoffes erreicht wird, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Die Zahlen beziehen sich auf die bisher durchgeführten Phase-3-Studien, wie Virologe Podbielski erklärt. «Jetzt ist unter idealisierten Bedingungen geimpft worden», sagt er. Im Alltagseinsatz sind die Bedingungen nicht immer optimal. Der Impfstoff von Biontech müsse extrem gekühlt werden, nennt Podbielski als Beispiel. Ob eine lückenlose Kühlkette bei den Impfungen weltweit möglich sei, bezweifelt er.

Ein weiteres Problem, das für alle Covid-Impfstoffe gelte: Die Tests würden vor allem bei gesunden Menschen durchgeführt. Das Immunsystem bei älteren Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes reagiere aber nicht so gut auf Impfungen wie das Immunsystem Gesunder. Insofern kann es Podbielski zufolge passieren, dass die Daten zur Wirksamkeit der Impfstoffe nach Impfung großer Teile der Weltbevölkerung weniger gut ausfallen. Biontech berichtete bei der Vorstellung der ersten Ergebnisse der Phase-3-Studie, keinen Unterschied zwischen verschiedenen Altersgruppen hinsichtlich der Wirksamkeit gefunden zu haben.

Welchen Einfluss haben Virus-Mutationen auf die Wirksamkeit?

Das Erbgut der Coronaviren verändert sich laufend, das ist an sich nicht ungewöhnlich. Die genetischen Veränderungen können auch die Eigenschaften des Virus verändern, etwa dafür sorgen, dass es leichter menschliche Zellen befallen oder den Angriffen der Immunabwehr besser entkommen kann. In Großbritannien kursiert zum Beispiel seit einiger Zeit eine neue Virusvariante, die sich anscheinend deutlich schneller ausbreitet als die bisherigen Varianten. Experten schätzen die Gefahr als gering ein, dass der auch in Großbritannien eingesetzte Impfstoff gegen diese Variante nicht mehr oder schlechter wirkt. Die Immunreaktionen, die der Impfstoff hervorruft, richten sich gegen mehrere Merkmale des Virus, einzelne Mutationen dürften sich deshalb nicht dramatisch auswirken.

Wie lange schützt der Impfstoff?

Auch diese Frage lässt sich noch nicht abschließend beantworten, weil die Studien noch nicht lange genug laufen. Eine kürzlich veröffentlichte US-Untersuchung gibt erste Hinweise. Demnach sind bei Menschen nach einer natürlichen Infektion sowohl Antikörper als auch T-Zellen - zwei der zentralen Waffen unseres Immunsystems - zumindest fünf Monate nach dem Einsetzen der Symptome noch nachweisbar. Das ist selbst bei Verläufen mit milden Symptomen der Fall. Die Studie wurde als sogenanntes Preprint veröffentlicht, ist also bislang nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden.

Weitere Studien zeigen, dass man bei anderen Coronaviren als dem Sars-CoV-2, die normale Erkältungen auslösen, ein bis anderthalb Jahre vor einer erneuten Infektion geschützt ist. Bei einer Impfung falle die Immunantwort gemeinhin effizienter aus, sagt Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund. «Die Hoffnung ist also, dass die Immunität durch die Impfstoffkandidaten deutlich länger anhält.»

Welche Nebenwirkungen gibt es beim Impfstoff von Biontech und Pfizer?

Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen der Impfung. Solche Begleiterscheinungen sind Impfexperten zufolge üblich. Einer Studie mit 44 820 Teilnehmern zufolge - von denen etwa die Hälfte den Biontech-Impfstoff bekommen hatte - klagten manche außerdem über Fieber, Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen. Im Allgemeinen waren die Nebenwirkungen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit ab. Im Vergleich zu vielen etablierten Impfstoffen wie etwa dem gegen Grippe traten die Nebenwirkungen aber vergleichsweise häufiger auf. Impfexperten verglichen die Reaktionen mit denen nach Gabe eines Gürtelrose-Impfstoffs.

Vereinzelt gab es bei den Tests «unerwünschte Ereignisse» wie geschwollene Lymphknoten. Je eine Person meldete eine Schulterverletzung, Herzrhythmusstörungen sowie Parästhesie im Bein, also Taubheitsgefühl. Grundsätzlich traten Begleiterscheinungen öfter bei der zweiten Impfdosis auf. Mögliche selten auftretende Nebenwirkungen konnten aufgrund der kurzen Beobachtungszeit noch nicht erfasst werden. Deshalb wird die Verträglichkeit des Impfstoffes auch nach Zulassung weiter geprüft.

Bei den Impfungen in Großbritannien hatten einige Menschen stärkere allergische Reaktionen gezeigt. Aus diesem Grund haben die Behörden veranlasst, Menschen mit stärkeren Allergieproblemen vorerst nicht zu impfen. Dass das Problem in den klinischen Studien nicht aufkam, liegt ganz einfach daran, dass Menschen mit schweren Allergien gegen Impfstoffe oder Bestandteile davon von der Teilnahme ausgeschlossen waren, erläuterte kürzlich Biontech-Geschäftsvorstand Sean Marett.

Mit Blick auf die voraussichtlich auch in Deutschland beginnenden Impfungen betonten die deutschen allergologischen Gesellschaften in einer Stellungnahme, dass Patienten über die möglichen allergischen Reaktionen vor dem Impfen aufgeklärt werden müssen. Zudem müsse abgefragt werden, ob ein Patient entsprechende Probleme schon einmal gehabt habe.

Wie wird geimpft?

Jeder Patient bekommt zwei Impfdosen im Abstand von drei Wochen, die jeweils in den Oberarm gespritzt werden - genauer gesagt in den Deltamuskel (Musculus deltoideus). «Er könnte im Prinzip in jeden Muskel gespritzt werden, aber die Stelle am Arm ist eben gut zugänglich», sagt Virologe Podbielski. Der Vorteil einer solchen intramuskulären Impfung: Der Wirkstoff bleibt für einige Stunden im Muskel und der Körper hat so Zeit, ihn zu erkennen und darauf zu reagieren. (dpa)


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