Bier-Kartell? Giesinger will auf die Wiesn

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Steffen Marx hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als Oktoberfest-Revoluzzer. Eigentlich, so sagt er, müsse er mal wieder zur Wiesn gehen und die ganzen leeren Giesinger-Flaschen vor dem Festgelände fotografieren. Damit will er sagen: Weil es sein Bier auf der Wiesn nicht gibt, trinken die Besucher es auf dem Weg dahin. 

Marx stammt aus Thüringen, wuchs in Mecklenburg-Vorpommern auf und hat etwas geschafft, was viele für unmöglich hielten: Er hat eine siebte Münchner Brauerei etabliert in einer Stadt, in der der seit Ewigkeiten galt: Augustiner, Hacker, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten. Punkt.

Da aber die Giesinger Brauerei seit einigen Jahren in ihrem «Werk 2» im Norden einen eigenen Tiefbrunnen auf Münchner Stadtgebiet hat und darum mit original Münchner Wasser brauen kann, darf sich auch Giesinger seit einigen Jahren ganz offiziell Münchner Brauerei nennen. 

«Planen, dass wir in drei bis fünf Jahren auf der Wiesn sind»

Und weil das so ist, will Marx das, was die anderen Münchner Brauereien auch dürfen: Sein Festbier auf dem Oktoberfest verkaufen und so mit seiner Marke ein Millionenpublikum erreichen. Er will was abhaben vom großen Kuchen. «Wir planen, dass wir in drei bis fünf Jahren auf der Wiesn sind», sagt er. Doch da sind die bürokratischen und wohl auch politischen Hürden hoch. «Dafür braucht es unter anderem einen Stadtratsbeschluss», sagt Marx. «Wir haben - fast - alle Fraktionen eingeladen, um herauszufinden: Wie ist die Haltung zu unserer Forderung, zum Oktoberfest zugelassen zu werden.»

Münchner Reinheitsgebot von 1487

«Die Zulassung von Brauereien folgt einer über die Jahrzehnte geübten Praxis, die in den Betriebsvorschriften des Oktoberfests niedergelegt ist», teilt man aus dem zuständigen Referat für Arbeit und Wirtschaft mit.

In diesen Betriebsvorschriften heißt es unter Paragraf 51: «Das Oktoberfest ist das traditionelle Münchner Volksfest mit Münchner Gastlichkeit und Münchner Bier. Diese Tradition gilt es weiter zu wahren. An Wiesnbesucher darf deshalb nur Münchner Bier der leistungsfähigen und bewährten Münchner Traditionsbrauereien (das sind derzeit: Augustinerbrauerei, Hacker-Pschorr-Brauerei, Löwenbrauerei, Paulanerbrauerei, Spatenbrauerei und Staatliches Hofbräuhaus), das dem Münchner Reinheitsgebot von 1487 und dem Deutschen Reinheitsgebot von 1906 entspricht, ausgeschenkt werden.»

Diese Vorschriften werden jedes Jahr neu vom Stadtrat beschlossen und müssten geändert werden, um eine neue Brauerei aufzunehmen. «Für eine Zulassung von Giesinger auf der Wiesn muss die Stadt keine neue Regelung erlassen. Umgekehrt müsste jedoch die Brauerei die Bedingungen der Betriebsvorschriften erfüllen», teilt ein Sprecher des Referates mit. 

Welche Bedingungen derzeit aus Sicht der Stadt von der Giesinger Brauerei nicht erfüllt werden, sagt er nicht. Auch Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) äußern sich auf Anfrage nicht. Ebenso die Betreiber der Oktoberfest-Zelte, die Wiesn-Wirte. Auch auf die Frage, ob sie gern Giesinger ausschenken würden, heißt es: «Kein Kommentar.»

Marx: «Gewurschtel ohne wirkliche Grundlage»

«Wir haben da einfach nichts in der Hand. Es gibt nichts, was grundsätzlich, rechtlich gegen uns spricht, aber auch nichts, was für uns spricht, weil es eben jahrelang so ein Gewurschtel war ohne wirkliche Grundlage», sagt Brauereichef Marx. «Aber es ist kein alltägliches Thema und die Fraktionen wissen noch nicht so recht, wie damit umzugehen ist. Trotzdem hoffen wir, dass sich da in den nächsten Wochen oder Monaten etwas tut und dass dann alle Fraktionen einen Antrag stellen.»

Vorbereitet wäre seine Brauerei darauf, sagt Marx: «Eins der ganz großen Zelte könnten wir sicher derzeit noch nicht beliefern, aber ein kleineres ganz ohne Probleme.» 

Der Geschäftsführer der Augustiner-Brauerei, Martin Leibhard, ist auch Vorsitzender des Vereins Münchner Brauereien, zu dem sich die sechs Brauereien, die derzeit auf der Wiesn vertreten sind, zusammengeschlossen haben. Er betont, es gebe bei der Zulassung zum Oktoberfest «nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten». Es gehe um Leistungsfähigkeit, sagt er. Und die eingesessenen Brauereien hätten schon «viele Themen, die wir unterstützen, wie den Trachten- und Schützenverein und und und». Ob er es begrüßen würde, wenn eine siebte Brauerei auf der Wiesn wäre? «Was heißt begrüßen? Ich hab nichts dagegen.»

«Absprachen in bierdunstigen Wirtshäusern»

Gerade erst hat sich das Juristenmagazin «Legal Tribune Online» mit den Beschränkungen auf die bislang sechs Brauereien im Milliardengeschäft Wiesn befasst. Die Autoren sehen darin einen «Kartellrechtsverstoß» und beschreiben die Schwierigkeiten, mit denen Marx und auch andere schon bei der Forderung haben, auch auf dem größten Volksfest der Welt dabei zu sein, so: «Die Hintergründe ihres Scheiterns riechen nach Absprachen in bierdunstigen Wirtshäusern.»

Mitstreiter hat Marx auch schon in unmittelbarer Nachbarschaft gefunden: Ebenfalls im Stadtteil Giesing entsteht derzeit die Münchner Kindl-Brauerei. Auch sie will einen Brunnen bauen und dann mit Münchner Stadtwasser brauen. Wenn es soweit ist, gibt es dann wohl sogar ein achtes Münchner Bier. 

Marx und seine Brauerei nehmen die Sache mit dem Oktoberfest derweil mit viel Humor. In der Nähe der Wiesn haben sie einen Stehausschank aufgebaut mit Bier und Musik und auch auf Instagram verteilen sie kleine Spitzen gegen die großen Brauereien auf der Wiesn: «Was die wenigsten wissen: Auf der Wiesn wird seit einiger Zeit die siebte Brauerei Münchens, das Giesinger Festbier, ausgeschenkt. Allerdings nicht offiziell, sondern in der Pause saufen's die Bedienungen halt einfach.» (dpa)


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