Geschmacksarchiv - Kulinarisches Gedächtnis für die Zukunft ensteht in Dresden

| Gastronomie Gastronomie

Wie lässt sich Geschmack festhalten? Woher werden wir in 100 Jahren wissen, wie die „Gefüllte Kalbsbrust“, zubereitet vom Küchendirektor des Hotels Bareiss, geschmeckt hat, oder welch komplexe Gedanken sich Drei-Sterne-Koch Jan Hartwig rund um seine Kreationen macht? Um ein kulinarisches Gedächtnis der Zeit von 1970 bis zur Gegenwart aufzubauen, haben die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden und die Technische Universität Dresden gemeinsam mit dem Gastronomiekritiker Jürgen Dollase eine bisher einzigartige Reihe von Geschmacksdokumentationen ins Leben gerufen.

Im Oktober 2023 hat Jürgen Dollase dem Deutschen Archiv der Kulinarik in Dresden im Beisein der Spitzenköche Jan Hartwig***, Claus-Peter Lumpp***, Eric Menchon**, Oliver Steffensky und Michael Sauter die ersten fünf Dokumentationen übergeben. Dank der Förderung durch die Christian C.D. Ludwig – Foundation werden damit hochklassige kulinarische Kreationen und zeittypische Gerichte dieser Köche so präzise dokumentiert, dass ihre Zubereitung und gustatorische Wahrnehmung auch von späteren Generationen nachvollziehbar rekonstruiert werden kann.

„Der Genuss eines hervorragend zubereiteten Essens ist leider eine flüchtige Angelegenheit. Wir riechen, wir schmecken im Moment. Die Idee von Jürgen Dollase, das flüchtige Ereignis der Degustation und die genaue Zubereitung, die Auswahl der Produkte, den historischen, regionalen und persönlichen Kontext eines Gerichtes präzise zu dokumentieren und damit festzuhalten, hat uns sofort überzeugt“, so Katrin Stump, Generaldirektorin der SLUB Dresden. „Die Geschmacksdokumentationen sind eine Bereicherung für unser Deutsches Archiv der Kulinarik und bieten der Wissenschaft einmalige Quellen zur Erforschung der deutschen Kulinarik des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts.“

Dazu Prof. Dr. Ursula Staudinger, Rektorin der TU Dresden: „Mit dem Auftakt zu den einzigartigen Geschmacksdokumentationen von Jürgen Dollase gehen wir gemeinsam mit der SLUB den nächsten Schritt in der Entwicklung des Deutschen Archivs der Kulinarik. Die Geschmacksdokumentationen erlauben eine neue Art der „Archivierung“, die es zukünftigen Generationen ermöglichen wird, die jeweiligen Kreationen besser zu erforschen und nachzuerleben. Zukünftig hoffen wir diese Dokumentationen noch um weitere naturwissenschaftliche Formen der Aufzeichnung des Geschmackserlebens zu ergänzen.“

Christian C.D. Ludwig für die Christian C.D. Ludwig – Foundation: „Die Zusammenarbeit mit Jürgen Dollase soll über die nächsten Jahre ausgebaut und vertieft werden. Ich hoffe, dass meine Stiftung auch künftig fördernd tätig sein kann, um das kulinarische Wissen von Spitzenköchen gemeinsam mit einem kritischen Geist zu pflegen und zu bewahren.“

Initial hat Jürgen Dollase fünf Dokumentationen rund um herausragende und zeittypische Gerichte aus der Spitze ganz unterschiedlicher Zweige der Kochkunst für das Deutsche Archiv der Kulinarik erstellt:

Lamm von der Älbler Wacholderheide in drei Zubereitungen von Claus-Peter Lumpp***, Restaurant Bareiss im Hotel Bareiss, Baiersbronn

Details und Hintergründe zu 76 Rezepten des Buches „JAN“ von Jan Hartwig***, Restaurant JAN, München

Bretonische Rotbarbe auf Holzkohle gegrillt, dazu:
Champagner-Fenchel-Sauce und Zitronen-Gel nach Mojito-Art, Couscous-Hirse mit Orangenblütenwasser, Meerrettich-Crème und Bottarga von Meeräsche, Langustinen-Mousse, Sizilianische Caponata, Parmesan-Chip, Polenta und Ricotta, Cidre und Forellenkaviar von Eric Menchon**, Le Moissonnier, Köln

Seezunge Müllerin“-Art von Michael Sauter, Fischereihafen Restaurant, Hamburg

Gefüllte Kalbsbrust „Badische Art“, Wurzelgemüse, Kalbsrahmsauce, von Oliver Steffensky, Küchendirektor im Hotel Bareiss, Baiersbronn

Die Dokumentationen enthalten detailliert beschriebene Step-by-step-Anleitungen zur Zubereitung und zum Anrichten der kulinarischen Kreationen, Degustationsnotizen, Vergleiche und Diskussionen von Beispielen aus nationalen und internationalen Kochbüchern sowie zusammenfassende Bewertungen und Einordnungen. Darüber hinaus hat Jürgen Dollase mit allen Köchen ausführliche Interviews geführt, die ebenfalls Bestandteil der Dokumentationen sind.

Dazu Jürgen Dollase: „Ausgehend von der Einsicht, dass wir nie auch nur annähernd wissen, wie die meist kaum dokumentierten Gerichte früherer Zeiten geschmeckt haben und von der Erkenntnis, dass heute authentischer Geschmack durch industrielle Produkte wie Produkte von Teilen der Gastronomie zunehmend verändert, überlagert oder auch schon ersetzt wird, habe ich versucht, ein System zur Dokumentation kulinarischer Exzellenz in ganz verschiedenen Bereichen der Kochkunst zu entwickeln. Mit diesen Dokumentationen soll es möglich werden, jetzt, vor allem aber auch in der Zukunft den Geschmack hervorragender Kreationen unserer Zeit praktisch zu reproduzieren und gustatorisch nachzuvollziehen.“

Jürgen Dollase gilt als einer der wichtigsten Restaurantkritiker Deutschlands und veröffentlicht seit 1999 kulinarische Texte und Gastronomiekritiken. 1948 in Oberhausen geboren, studierte er zunächst an der Kunstakademie Düsseldorf und in Köln Kunst, Musik und Philosophie. Von 1971 bis 1983 war er Kopf und Keyboarder der Artrock-Band Wallenstein. Erst im Alter von 35 Jahren kam er mit Hilfe seiner Frau zum feineren Essen und zum Kochen, das er in den folgenden Jahren zunehmend intensiv erforschte. Seine Texte in der FAZ (seit 1999), im Feinschmecker, in der Kunstzeitung, in Port Culinaire, auf seinem Blog „Eat-Drink-Think“, sowie seine Aufsätze und Bücher – allen voran die „Geschmacksschule“ – sind inzwischen Standardwerke der Gastronomiekritik, der Theorie und Praxis des Kochens und Essens.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die 70. Ausgabe des Michelin-Restaurantführers Italien bringt eine große Überraschung: Giancarlo Perbellini und sein „Casa Perbellini – 12 Apostoli“ in Verona werden in die höchste Liga der italienischen Haute Cuisine aufgenommen. Zwei Südtiroler Restaurants haben einen Stern verloren.

Die dritte Verhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und dem Bundesverband der Systemgastronomie ist erneut ohne Ergebnis beendet worden. Die Gespräche sollen Anfang Dezember fortgesetzt werden.

Auf mehr als 3.000 Metern wird im größten Skigebiet der Welt aufgerüstet. Im Dezember erwartet Wintersportler auf dem Cime de Caron ein neues Gebäude mit Kulinarik und vor allem: ein Rundum-Panorama.

​​​​​​​Sich gesund zu ernähren und dabei den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren – das bietet Aramark mit seiner Menülinie „Planet Power“. Im Rahmen von Aktionswochen im September wurden neue Rezepte vorgestellt, die das Aramark-Kreativteam auf Grundlage der Planetary Health Diet, kurz PHD, die von einem internationalen Forscherteam entwickelt wurde, umgesetzt hat.

Trüffel gelten als der Inbegriff kulinarischen Luxus. Ihr einzigartiger Duft und Geschmack machen sie unverwechselbar. Doch was macht die Knollen so besonders und teuer. Eine kleine Trüffelkunde mit Ralf Bos.

IKEA hat die Türen zu seinem ersten eigenständigen Restaurant geöffnet. Kunden in London-Hammersmith können nun das Restaurant direkt in der King Street besuchen und die bekannten Fleischbällchen und andere Speisen genießen.

Seit März wird das Hotel auf dem Rittergut Nordsteimke bereits als mein.wolfsburg und damit Teil Marke mein.lieblingsort betrieben. Ab dem 6. November kommt nun das ebenfalls auf dem Rittergut liegende Restaurant „wildfrisch Gutsküche X fritz“ dazu.

Die EL&N-Café-Kette eröffnet ihren zweiten Standort in Deutschland. „Hipp und instagrammable“ will die Marke sein, die, nach Düsseldorf, jetzt auch in Hamburg zu finden ist.

Der Bundesverband deutscher Discotheken und Tanzbetriebe hat auf dem Branchenmeeting „Club Convention“ die höchste Auszeichnung der Branche vergeben: Den Discotheken-Unternehmerpreis. In diesem Jahr wurde der Unternehmer Martin Timmer mit dem Branchen-Award ausgezeichnet.

Oldenburg feiert den Beginn der Grünkohlsaison. Zum Auftakt der Saison wird traditionell am ersten Sonntag im November das Fest «Hallo Grünkohl» gefeiert. Die Veranstaltung ist aber nicht nur ein kulinarisches Erlebnis.