Mit Tausenden Posts von kreativen Bildern und Videos leerer Restaurantstühle fluteten deutsche Gastronomen am Freitag, 1. Mai, die sozialen Netzwerke. Der Leaders Club hatte dazu aufgerufen, die im April mit 30.000 Stühlen in fast 80 deutschen Städten gestartete Aktion #LeereStühle am Tag der Arbeit ins Internet zu verlegen, um angesichts zahlreicher anderer Demonstrationen Polizei und Ordnungskräfte nicht weiter zu belasten.
Noch hat der Leaders Club keine abschließenden Zahlen, wie viele Gastronomen sich an dem Protest beteiligt haben. Michael Kuriat, Präsident des Branchennetzwerks, ist aber jetzt schon überzeugt: „Wir haben wieder ein starkes Zeichen für die Einigkeit der Branche gesetzt. Nur gemeinsam können wir den Kampf um unsere Zukunft gewinnen!“ Vor allem auf Facebook und Instagram wurden die Fotos der leeren Stühle in und vor den Restaurants zu Tausenden geteilt. Kuriat: „Auf Twitter, typischerweise nicht die Plattform der Gastronomie, war die Resonanz etwas schwächer.“
Allein die Enchilada-Gruppe beteiligte sich mit 40 Betrieben. Geschäftsführer Torsten Petersen sieht den digitalen Protest als vollen Erfolg: „Die Idee kam bei unseren Gästen und Partnern hervorragend an. Es geht in diesen Tagen darum, angemessen auf die Situation der Gastronomie aufmerksam zu machen.“ Petersen prophezeit: „Ohne weitere und sofortige Hilfe werden es viele Restaurants nicht schaffen. Neben den vielen Existenzen, die damit auf dem Spiel stehen, würde auch die gastronomische Vielfalt, die unsere Branche auszeichnet, massiv leiden.“
Überwältigende Reaktion der Gäste
Auch die Hamburger Gastronomin Yvonne Tschebull zeigte online Fotos der leeren Stühle ihres Restaurants „Tschebull“: „Die Gastronomie hat wenig Lobby, ist kleinteilig und leidensfähig. Daher mussten wir nach dieser so langen Zeit die Stimme erheben. Die Aktion #leerestuehle des Leaders Clubs hat dazu beigetragen, dass endlich, wenn auch nur wenig zufriedenstellend, Bewegung ins Spiel gekommen ist.“ Die Reaktion ihrer Gäste auf Facebook und Instagram war überwältigend: „Es gab wesentlich mehr Feedback als bei unseren sonstigen Posts. Die Anteilnahme via Mail ist ebenfalls sehr positiv!“
In Frankfurt unterstützte die Initiative Gastronomie Frankfurt (IGF) die Aktion. James Ardinast, der mit seinem Bruder David in der Mainmetropole unter anderem die Restaurants Bar Shuka und Stanley Diamond führt, begründet das Engagement: „Uns ist es wichtig, auf die dramatische Situation der Gastronomie hinzuweisen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was jetzt getan werden muss, um diese Branche langfristig zu retten. Die von der Politik angedachten Maßnahmen sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch viel zu kurzfristig und branchenfern gedacht. Die Gastronomie steht mit dem Rücken an der Wand und braucht Perspektiven, ansonsten ist ein Insolvenztsunami nicht mehr zu aufzuhalten.“
Die Branche kann Hygiene
Für Gastronom Marc Uebelherr aus München (Literaturhaus, KVR, OhJulia) war die Verlegung des Protests ins Internet eine wichtige Maßnahme, um die Gesundheit aller Beteiligten sicherzustellen: „Es ist für den Leaders Club ein großer Erfolg, dass die ganze Branche zusammenrückt und an einem Strang zieht. Wir benötigen eine verlässliche Perspektive mit einem zeitlichen Fahrplan für die Wiedereröffnung mit abgestimmten Hygiene-Konzepten. Dass wir diese einhalten können, haben wir mit den strengen HACCP-Regeln schon vor der Corona-Krise vorgelebt und bewiesen. Wenn nicht bald ein Hilfspaket kommt, Politik, Banken und Vermieter zusammenarbeiten, werden viele von uns den Mai nicht überstehen.“
Der Leaders Club wird sich in den kommenden Tagen vor allem bei der Ausarbeitung sinnvoller Zeitpläne und umsetzbarer Bedingungen für die Wiedereröffnung einbringen. „Es geht aus unserer Sicht jetzt nicht darum, die Restaurants einfach irgendwie und möglichst schnell wieder aufzumachen, sondern um eine realistische Strategie, die dem Infektionsschutz gerecht wird, aber gleichzeitig den wirtschaftlichen Betrieb unserer Gastronomien gewährleistet“, betont Kerstin Rapp-Schwan, Gastronomin in Düsseldorf und Vorstandsmitglied des Leaders Clubs. „Wenn wir nur 50 % des kalkulierten Umsatzes machen können, wird das für viele einfach nicht reichen.“
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