prizeotel-Chef Marco Nussbaum hat im letzten Jahr die Vergütungen seiner Azubis verdoppelt und damit die Hotellerie ordentlich aufgewirbelt. Jetzt hat der Unternehmer dem RBB ein Radio-Interview gegeben und unterstreicht seine Position. Durch den seit Gründung des Unternehmens auf den Direktvertrieb gelegten Fokus und die klare Markendarstellung im Internet, sei prizeotel eben nicht wie viele andere Hotelmarken derart abhängig von den Buchungsportalen und investiere die weniger zu zahlenden Kommissionen lieber in seine Mitarbeiter. Diese seien schließlich maßgeblich für die Atmosphäre im Hotel verantwortlich.
Der Radiosender RBB kritisierte die Hotellerie als Branche, in der Überstunden und Unterbezahlung oft die Regel seien und die daher keine Mitarbeiter finde. Nussbaum wies darauf hin, dass es viel zu oft um derlei Horrornachrichten gehe, aber die vielen guten Beispiele von Hotels, die großartiges für ihre Mitarbeiter leisteten, viel zu wenig genannt würden. Eine Marke wie Motel One würde nicht jedes Jahr Servicepreise gewinnen, wenn sie sich nicht um ihre Mitarbeiter kümmern würde. Gleiches gelte für die vielen Privathoteliers, die oftmals ein einzigartiges Zusammengehörigkeitsgefühl schafften und die ohne ihre engagierten Mitarbeiter schon längst vom Markt verschwunden wären. Hier nannte Nussbaum inbesondere die Gastgeber von Romantik. Bei den Lindner-Hotels wiederum würde regelmäßig fast alle Azubis übernommen, die ja sicherlich nicht im Unternehmen bleiben würden, wenn die Stimmung dort so mies wäre und sie nur ausgenutzt würden.
Die Beispiele ließen sich endlos fortführen und überträfen die der „schwarzen Schafe“ und „ewig gestrigen“ bei Weitem, sagte Nussbaum. „Leider hat die Branche es aber bisher nicht verstanden, sich zu solidarisieren, um dem ständigen Kritisieren von außen wirklich etwas entgegenzusetzen. Es wird Zeit Verbandsstrukturen einmal aufzubrechen, Aktivitäten zu konsolidieren, neu zu denken und sich Marketing- und Medientechnisch endlich zielgruppengerecht zu positionieren“, forderte der Unternehmer. Der Branche würde es erheblich besser gehen, wenn einige Leute ihr Ego besser im Griff hätten und ihre Arbeit in den Dienst der Sache stellen würden.
Nach Nussbaums Verständnis seien Menschen grundsätzlich aus sich heraus motiviert. Lasse diese Leistungsbereitschaft nach, sollte sich der Arbeitgeber die Frage stellen, was die Ursache sei. Und finanzielle Not hemme Motivation ganz sicher, so Nussbaum. prizeotel schaffe daher für motivierte Menschen ein Arbeitsumfeld, das sie nicht demotiviere. Denn wenn nach zwei Wochen im Monat bei den Auszubilden nicht mehr genug Geld zum Leben bleibe, dann könne das langfristig nicht funktionieren. „Wir dürfen Excel-Listen nicht mehr Wertschätzung geben als Menschen“, sagte Nussbaum in dem RBB-Interview. Aber da beginne schon der Denkfehler, so Nussbaun weiter. Das Mobiliar werde in der Bilanz unter „Anlagevermögen“ verbucht, Personal bei „Kosten“. Und wenn die Controller das Mitarbeiter und Qualitäts-Management übernähmen, sei das der Anfang vom Ende.
„Natürlich, mit angemessener Bezahlung ist es nicht getan – es braucht viel mehr, um Menschen eine gute Arbeitsstelle zu bieten. Beispielhaft dafür sind sinnhafte Aufgaben, gute Beziehungen zu Kollegen und Kolleginnen im Team, Anerkennung und das Gefühl, mit den eigenen Stärken gesehen zu werden“, erläutert Nussbaum. Gefördert zu werden durch Führungskräfte, die an einen glauben. Aber gerade in unserer Branche tun viele immer so, als sei eine angemessene Bezahlung fast unehrenwert, weil sie als Motivation von außen gelte und das bei unserem ‚attraktiven Beruf‘ eigentlich nicht notwendig sein sollte. Doch das sei mehr als heuchlerisch! Im Berufsalltag sei die Bezahlung nun eben auch einmal ein Ausdruck von Wertschätzung. „Nur wenn das nicht gemacht wird, helfen auch keine großartigen Employer-Branding-Strategien, lustige Videos oder Feelgood-Manager in den Hotelbetrieben. Es geht darum eine gute Kultur zu schaffen und die Leute ordentlich bezahlen“, sagt der prizeotel-Gründer.
Angesprochen darauf, dass sich laut NGG nur zehn Prozent der Betriebe in Berlin an die Tarifbindung hielten, spricht Nussbaum der Gewerkschaft, aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahlen, die Fähigkeit ab, für die Hotelbranche repräsentativ sprechen zu können. „Ja, es gibt diese schwarzen Schafe, aber in der heutigen Zeit der Netzwerkstrukturen graben sich diese Unternehmen ihr eigenes Grab. Die Stimmung in den Betrieben wird sich zwangsläufig auf die Gäste übertragen, diese werden schlechte Bewertungen abgeben und dadurch irgendwann weniger bezahlen oder ganz wegbleiben“, erklärt Nussbaum Hinzu kämen die negativen Bewertungen der Mitarbeiter auf Internetportalen und in Foren, so dass nicht nur weniger Gäste kämen, sondern eben auch niemand mehr für das Unternehmen arbeite wolle. Damit werde dieses Hotel oder diese Marke zwangsläufig früher oder später vom Markt verschwinden und das sei auch gut so. Eine Marktbereinigung solcher Betriebe täte der Branche gut, besonders für ihr Image. Hier sind aber auch die örtlichen Kammern gefragt, die schlechten Betrieben auch einmal den Status eines Ausbildungsbetriebs entziehen sollten.