Bundesregierung beschließt Eckpunkte für erleichterten Zuzug von Fachkräften

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Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland deutlich erleichtern. Dazu verabschiedet das Bundeskabinett an diesem Mittwoch ein Eckpunktepapier «zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten». Darin vorgesehen ist unter anderem, dass Menschen künftig über ein Punktesystem nach Deutschland einwandern können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können.

Drittstaatsangehörigen «mit gutem Potenzial» soll demnach der Aufenthalt zur Suche eines Arbeitsplatzes ermöglicht werden. «Wir werden auf Grundlage eines transparenten, unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen», heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt. Nach den Eckpunkten soll das Kabinett im ersten Quartal 2023 auch die entsprechenden Gesetzentwürfe absegnen.

Mit den Neuerungen will die Bundesregierung gegen den teils sehr tiefgreifenden Fachkräftemangel in Deutschland vorgehen. Auch internationale Studierende und Auszubildende sollen es den Plänen zufolge künftig leichter haben, in Deutschland dauerhaft beruflich Fuß zu fassen.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz stellen die zuständigen vier Fachminister, darunter Innenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD), die Eckpunkte am Mittag in Berlin vor.

Chancenkarte und Punktesystem - Fragen und Antworten

Deutschland braucht dringend gut ausgebildete Arbeitskräfte, da sind sich Politik, Wirtschaft und Fachleute einig. Doch woher nehmen? Ohne Zuwanderung funktioniert es nicht, sagen Experten. Deshalb will die Ampel-Koalition Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland abbauen. Sie sollen einfacher als bisher nach Deutschland kommen können.

Warum ist eine Reform notwendig?

Die Babyboomer der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er gehen bald in Rente und der demografische Wandel verstärkt sich: Ohne die Fachkräfte-Einwanderung und steigende Erwerbsquoten stehen dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2035 über sieben Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung, berechnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit jüngst. Als eine Gegenmaßnahme nannte IAB-Forscher Enzo Weber, «Zuwanderer anzuziehen und zu integrieren».

Welche Regeln gelten aktuell?

Lange hatten Menschen aus Nicht-EU-Ländern nur mit einer akademischen Ausbildung unbeschränkt Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Seit März 2020 können jedoch auch Fachkräfte mit einer ausländischen Berufsausbildung für sechs Monate einen Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche erhalten (Fachkräfteeinwanderungsgesetz). Dafür benötigen Menschen eine anerkannte berufliche Qualifikation und Deutschkenntnisse. Zudem müssen sie ihren Lebensunterhalt während der Suche selbst bestreiten können.

Die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher Abschlüsse sei die wohl größte Hürde, so das IAB in einer Stellungnahme von Oktober. «Wenn Deutschland die Erwerbsmigration spürbar erhöhen will, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Gleichwertigkeitsprüfung in der gegenwärtigen Form verzichten oder sie stark reformieren müssen.» Das im Fachkräfteeinwanderungsgesetz verankerte System der Steuerung der Erwerbsmigration orientiere sich an Mindestkriterien, die restriktiv wirken könnten, weil sie alle gleichzeitig erfüllt werden müssten.

Wie sehen die Pläne der Ampel-Koalition aus?

Die Koalition will für mehr Einwanderung in den Arbeitsmarkt sorgen. Dafür sollen bürokratische Hürden ab- und das Marketing im Ausland ausgebaut werden. Anerkannte Fachkräfte sollen mit einem gültigen Arbeitsvertrag einfacher als bisher nach Deutschland kommen können. Das geht aus einem Eckpunkte-Papier hervor, das vom Kabinett am Mittwoch beschlossen werden soll. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen zudem Menschen auch ohne vorherige formale Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland arbeiten können. «Mit dem Regelungspaket stärken wir den deutschen Arbeitsmarkt als Ganzes. Dies umfasst auch die vorübergehende oder dauerhafte Zuwanderung für Tätigkeiten, die keine akademische oder berufliche Qualifikation erfordern», heißt es.

Was soll sich bei den vorzuweisenden Qualifikationen genau ändern?

Wer im Ausland eine zweijährige Berufsausbildung absolviert hat und darüber hinaus mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nachweist, soll auch dann in Deutschland arbeiten dürfen, wenn es keine formale Anerkennung für den im Heimatland erworbenen Abschluss gibt. Voraussetzung ist allerdings ein Arbeitsvertrag. Interessenten ohne Arbeitsvertrag können stattdessen eine «Chancenkarte» erhalten, mit der sie einreisen und sich vor Ort einen Job suchen dürfen. Diese Möglichkeit soll es aber nur für Ausländer mit «gutem Potenzial» geben, das mit Hilfe eines Punktesystems nachgewiesen werden muss.

Was hat es mit dem Punktesystem auf sich?

Vorbild für ein solches Punktesystem ist Kanada. Einwanderungswillige erhalten dort per «Express Entry»-Onlinesystem Punkte für Kriterien wie Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Sprachkompetenz. Menschen aus diesem Bewerber-Pool werden in regelmäßigen Abständen aufgefordert, sich formal für eines von drei Einwanderungsprogramme zu bewerben. In dieser zweiten Stufe werden dann erneut Punkte vergeben.

Das im Eckpunkte-Papier grob skizzierte Punktesystem für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten basiert auf ähnlichen Parametern. «Zu den Auswahlkriterien können Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören», heißt es im Eckpunkte-Papier.

Welche Reaktionen gibt es auf die Regierungspläne?

Die Wirtschaft reagiert wohlwollend. Für den Zentralverband Deutsches Baugewerbe wären die «Chancenkarte» und ein erleichterter Zuzug für Berufserfahrene «wichtige Bausteine für die Fachkräftegewinnung am Bau». Beim IT-Branchenverband Bitkom heißt es: «Wenn künftig formelle Abschlüsse und nachgewiesene Deutschkenntnisse keine Voraussetzung für Einwanderung mehr sein sollen, könnten davon insbesondere IT-Berufe profitieren, in denen Qualifikationen häufig berufsbegleitend erworben werden und Arbeitssprache ohnehin Englisch ist.» Skeptischer ist die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Sie möchte, dass Zuwanderung wie bisher an das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes geknüpft bleibt.


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