Analyse: E-Scooter kaum als günstiges Verkehrsmittel geeignet

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Sie heißen Circ, Hive, Lime, Tier oder Voi und sorgen aktuell für Gesprächsstoff in deutschen Großstädten: Vermieter von E-Rollern versprechen eine neue Art der Mobilität und polarisieren: Die einen fürchten um ihre Sicherheit auf Straßen und Gehwegen. Die anderen schätzen die Freiheit und den Spaß, die ihnen E-Scooter bieten. Aber sind Miet-Scooter wirklich eine ernsthafte Alternative zu Miet-Autos, -Rollern oder -Fahrrädern? „Nein“, meint die Plattform mydealz, das für sechs deutsche Großstädte untersucht hat, wie Bewohner und Touristen möglichst günstig von A nach B kommen. Nutzern von E-Scootern rät mydealz die Kosten genau unter die Lupe zu nehmen.

Wer in Berlin am Hackeschen Markt steht und möglichst schnell zum Checkpoint Charlie kommen möchte, hat viele Möglichkeiten: Neben den eigenen Füßen, der BVG, Taxen und Fahrdiensten wie Berlkönig, Clever Shuttle und Uber bieten sich auch jeweils fünf Carsharing-Anbieter und Leih-Fahrrad-Anbieter, vier verschiedene Dienste für E-Scooter und zwei Dienste für Elektro-Roller an, die 2,8 Kilometer lange Strecke durch Berlin-Mitte zurückzulegen. Dauer, je nach Tageszeit und Verkehrsmittel: zwischen sechs und dreißig Minuten. Kosten, je nach Fortbewegungsmittel: zwischen null und 7,48 Euro. Wer zu Fuß geht, spart naturgemäß am meisten, braucht mit dreißig Minuten aber auch am längsten. Wer mit einem BMW i3, X1, X2 oder Mini Countryman des Carsharing-Anbieters Drivenow fährt, benötigt nur sechs Minuten, zahlt für den Komfort aber mit 7,48 Euro am meisten.

Anbieter von E-Scootern sind vergleichsweise teuer. Zum Marktstatt Mitte Juni verlangten die Anbieter zusätzlich zu einem Euro Startgebühr noch unisono 15 Cent pro Minute. Keine sechs Wochen später haben Circ, Lime und Tier Mobility ihre Preise jedoch jeweils in einigen Städten erhöht. Vergleichsweise humane 19 statt 15 Cent berechnet Tier Mobility nun in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München. Zwanzig Cent kassiert Circ in Frankfurt, Hamburg und München. Und Lime geht sogar noch einen Schritt weiter: Wer einen „Lime-Roller“ mietet, zahlt in Berlin, Köln und Frankfurt nun 20 Cent pro Minute, in Hamburg und München sogar 25 Cent.

Für die neun Minuten lange Fahrt vom Hackeschen Markt zum Checkpoint Charlie müssen E-Scooter-Fahrer mit Circ, Tier Mobility und Voi Scooter so 2,35 Euro und mit Lime sogar 2,80 Euro zahlen – Preise, die angesichts des Spaßfaktors vielleicht vertretbar sind, verglichen aber mit anderen Verkehrsmitteln wie den Leihfahrrädern von Next Bike recht hoch ausfallen, mit denen die Fahrt nur einen Euro kostet.

Leih-Fahrräder deutlich preiswerter
Dass die Strecke Checkpoint Charlie-Hackescher Markt kein Einzelfall ist, zeigt ein Blick auf die übrigen dreißig Strecken in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München, für die mydealz jeweils die Fahrpreise morgens um acht Uhr, mittags um 14 Uhr und abends um sieben Uhr ermittelt hat: In keinem dieser insgesamt neunzig Fälle wären E-Scooter das günstigste Verkehrsmittel gewesen. Mit den E-Scootern von Hive und Voi Scooter hätten Fahrer im Mittel einen Aufpreis von 150,4 Prozent gegenüber dem günstigsten Verkehrsmittel gezahlt, mit denen von Circ einen Aufpreis von 166,3 Prozent. Und bei Tier sowie Lime beliefen sich die durchschnittlichen Mehrkosten sogar auf 167,1 Prozent beziehungsweise 227,3 Prozent.

Beim günstigsten Verkehrsmittel handelte es sich ganz mehrheitlich um Leih-Fahrräder. In Berlin punktete der Bikesharing-Anbieter Nextbike in allen 15 Fällen mit den besten Preisen: Für jeweils einen Euro hätten die Tester von mydealz die 2,3 bis 6,8 Kilometer langen Strecken zurücklegen können. Insgesamt hob sich Call a Bike beim Test von der Konkurrenz ab, das in Berlin Lidl Bike heißt. Die Leihfahrräder von Call a Bike beziehungsweise Lidl Bike waren in 63 von neunzig Fällen das preiswerteste Verkehrsmittel.
 

Startgebühren machen Fahrt mit E-Scootern teuer
Dass die Top-5 der preiswertesten Anbieter von den Fahrrad-Verleihern, Nextbike (15 Bestpreise), Mobike (12 Bestpreise) sowie Donkey Republic (9 Bestpreise) und dem Carsharing-Unternehmen Sixt Share (9 Bestpreise) komplettiert wurden, ist bezeichnend: Sie alle zeichneten sich bei der Analyse durch transparente Konditionen ohne Zusatzgebühren aus. Sixt Share und Donkey Republic berechneten ihren Kunden keine pauschale Gebühr pro Miete. Und Nextbike sowie Mobike berechneten ihren Kunden bei Mietbeginn zwar pauschal jeweils einen Euro. Mit ihm waren bei Nextbike aber die ersten dreißig und bei Mobike immerhin noch die ersten zwanzig Fahrminuten bereits abgegolten.

 

Deutlich anders sah die Situation bei allen Anbietern von E-Scootern aus. Sie knöpften ihren Kunden bei jeder Miete erst einmal eine pauschale Bereitstellungsgebühr in Höhe von jeweils einem Euro ab. Zusätzlich baten Hive und Voi Scooter ihre Kunden mit 15 Cent, Tier Moblity – je nach Stadt – mit 15 bis 19 Cent, Circ mit 15 bis zwanzig Cent und Lime sogar mit zwanzig bis 25 Cent pro Minute zur Kasse. Den direkten Preisvergleich konnten Anbieter von E-Scootern so nicht für sich entscheiden. Und preisbewussten Fahrern dürfte beim Blick auf die Uhr auch ziemlich schnell der Fahrspaß vergehen.

Touristen als Zielgruppe?
Ob preisbewusste Einheimische wirklich die Zielgruppe der E-Scooter-Anbieter sind, darf aber ohnehin bezweifelt werden. Ihr Angebot ist jedenfalls so „niedrigschwellig“, dass sich auch ausgabefreudigere Touristen einen der E-Scooter leihen und mit ihnen auf Sightseeing-Tour „gehen“ können. Anders als bei Carsharing-Anbietern oder Verleihern von Elektromotorrollern reicht es bei Anbietern von Elektrotretrollern schon, die App herunterzuladen, ein paar persönliche Daten wie den Namen und die E-Mailadresse anzugeben und die Kreditkarte zu hinterlegen. Ein Führerschein ist für E-Scooter noch keine Pflicht. Und die bei der Anmeldung abgefragten Daten müssen Nutzer auch nicht verifizieren lassen. Hinzu kommt, dass E-Scooter-Anbieter auf die Anmeldegebühr verzichten, die einige Anbieter wie Car2Go und DriveNow (beide: 9,98 Euro), die Motorroller-Verleiher Eddy und Emmy (beide: zehn Euro) und voraussichtlich ab September auch der in Berlin aktive Carsharing-Anbieter We Share (19,90 Euro) berechnen.

E-Scooter eignen sich so für alle, die in der Stadt zu Besuch sind oder einfach nur so einmal Spaß haben möchten. Als Fortbewegungsmittel mit wirklichem Alltagsnutzen disqualifizieren sie sich indes durch ihre vergleichsweisen hohen Kosten. 

Call a bike in vier von sechs Städten der günstigste Anbieter
In allen sechs Städten – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München – sind Einheimische und Touristen gut beraten, sich per Fahrrad durch die Stadt zu bewegen. Next Bike entpuppte sich jedenfalls in Berlin (15 Bestpreise), Call a Bike in Düsseldorf (15 Bestpreise), Frankfurt (12), Hamburg (9), Köln (15) und München (12 Bestpreise) als günstigstes Verkehrsmittel.

Anbieter von Elektro-Scootern schnitten in allen sechs Städten schlecht ab. In Berlin, Hamburg, Köln und München erwies sich Lime jeweils als teuerster Anbieter. In Köln war Lime im Schnitt „nur“ 132,0 Prozent teurer als der günstigste Anbieter. In Berlin betrug der Aufpreis hingegen satte 340,0 Prozent. Circ und Lime erwiesen sich in Frankfurt als teuerste Anbieter, Tier Mobility in Düsseldorf. Für die Fahrt mit Rollern von Circ oder Lime hätten Nutzer in Frankfurt 160,1 Prozent mehr, für die Fahrt mit Tier Mobility in Düsseldorf 199,7 Prozent mehr gezahlt.

Dass E-Scooter-Anbieter im direkten Preisvergleich nicht nur Anbietern von Autos und Elektro-Rollern, sondern auch von Fahrrädern unterlegen, weist auf ein strukturelles Problem hin. Wegen ihrer wenig vorteilhaften Gebührenstruktur profitieren sparsame Nutzer auch in verkehrsreichen Zeiten kaum davon, dass sie mit E-Scootern schneller als mit Autos am Ziel sind. Je nach Verkehr und gewähltem Fahrzeug ziehen bei den Carsharing-Anbietern Car2Go, DriveNow, Miles und Sixt Share und bei den E-Roller-Anbietern Coup, Eddy und Emmy die Preise zwar merklich an (siehe Tabelle unten), sodass E-Scooter im Preisranking dann eher im Mittelfeld als auf den hinteren Plätzen liegen. Wer Fahrrad fährt, gelangt auch in der Rush Hour aber wenigstens genauso schnell ans Ziel wie mit E-Scootern – und das zu unverändert günstigeren Preisen.

Fabian Spielberger, Gründer und Geschäftsführer von mydealz, fasst die aktuelle Entwicklung auf dem E-Scooter-Markt wie folgt zusammen: „Scooter von Anbietern wie Circ, Hive, Lime, Tier und Voi sind neu und sicherlich cooler als Elektro-Roller oder Fahrräder. Ob sie sich dauerhaft durchsetzen, darf aber bezweifelt werden. Um sich zu etablieren, müssen sie einen konkreten Nutzen für den Alltag haben und bezahlbar sein – und vor allem mit ihrer Preispolitik entwickeln sich Player wie Lime gerade in die falsche Richtung. Nutzt sich ihr Neuigkeitseffekt ab, werden sie es schwer haben, ihren Kunden zu vermitteln, wieso die Miete eines Tretrollers so viel kosten soll wie die eines Autos.“


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