Erster Eindruck im Bewerbungsgespräch - Der passt nicht zu uns!

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Jedes Bewerbungsgespräch wird - ob man will oder nicht - durch den ersten Eindruck beeinflusst. In den meisten Fällen kommen weder der Interviewer noch der Bewerber über diese erste Schwelle der Erkenntnis hinaus. Konkret bedeutet das: bereits nach wenigen Minuten haben die meisten Menschen sich in ihrer Meinung festgelegt, obwohl das Interview vielleicht ein bis zwei Stunden dauert. Was läuft da falsch?

Sie wissen, wie schwer es ist, gute Verkäufer zu bekommen? Na, dann wird Ihnen folgende Szene nicht ganz unbekannt vorkommen:
Der Verkaufsdirektor einer Hotelgruppe hat Bewerbergespräche mit Sales Managern geführt und unterhält sich danach mit dem Personalchef über die Kandidaten. 

Originalton: „Der kommt nicht in Frage“, resümiert Verkaufshäuptling A über einen jungen Mann, den der Personaler von den schriftlichen Unterlagen her favorisiert hatte. B: „Wieso nicht, der hat doch für die Konkurrenz exzellente Ergebnisse erzielt.“ Darauf A: „Ja, aber - der kommt nicht an". B lässt nicht locker: „Sein Werdegang passt, seine Zeugnisse sind okay, fachlich passt er auch, also ...“ „Mag sein,“ unterbricht A, „aber bei unseren Kunden und Gästen kommt der nicht an.“ „Aber wir haben doch die gleiche Klientel wie die Hotels vom Wettbewerb,“ insistiert B weiter. „Trotzdem, der passt nicht zu uns,“ beharrt A mit seiner Killerphrase.
 


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Kopfschüttelnd wendet sich B ab, murmelt noch „Versteh’ ich zwar nicht ...“ und will gehen. Da ruft ihm A noch nach: „Glauben Sie mir, ich bin lange genug im Geschäft...“ oder sowas ähnliches.

Natürlich ist Ihnen aufgefallen, der Interviewer konnte seine Abneigung gegen den Kandidaten nicht präzise begründen. Mehr noch - die beiden vernünftig klingenden Gründe zugunsten des Bewerbers ließ er nicht gelten. Stattdessen wird die Ablehnung diffus begründet - einmal „kommt der Kandidat bei Kunden nicht an“ und dann „passt er nicht zu uns“. Der Verdacht liegt nahe, dass der erste Eindruck des Interviewers die Entscheidung herbeiführte. Er reagiert emotional, kann nicht sagen, warum konkret er so oder so entscheidet. Bauchgefühl?

Seine Ablehnung mag berechtigt sein. Sie resultiert aber nur aus seiner ganz persönlichen Sichtweise, seiner Sympathie oder Antipathie. Der abschließende Hinweis „ich bin lange genug im Geschäft“ verrät Ignoranz und Abwehr gegen alles, was nicht ins eigene Weltbild oder eingespielte Muster passt. Die lebenswichtige Chance zur Innovation durch neue Leute wird von vornherein vertan. Und das Fatale daran ist: es merkt niemand.
 „Sobald wir einen Menschen sehen, entspricht es dem Gesetz unseres Denkens und Empfindens, dass uns die nächstähnliche Person in den Sinn kommt und unser Urteil sogleich bestimmt".

Was der bekannte Physiker und Psychologe Lichtenberg bereits vor gut 200 Jahren erkannt hat, gilt auch heute noch. Fachleute nennen es neuhochdeutsch „similarity matching“. Dieser Ähnlichkeitsvergleich spielt auch in der Beurteilung von Bewerbern sein teuflisches Spiel mit uns. Fazit: Wir lassen uns vom ersten Eindruck leiten.

Die große Verführung

Das Tückische am ersten Eindruck ist, dass wir an ihn glauben. Nachdem er sich einmal in uns gebildet hat, sind wir nicht mehr bereit, die damit erlangte vermeintliche Sicherheit wieder preiszugeben. Im Gegenteil. Wir versuchen, sie durch nachfolgende Eindrücke noch zu verstärken. Ja, wir werden sogar manchmal zum Spürhund, der nur noch auf die negativen Seiten des Bewerbers fixiert ist. Dabei wirkt der erste Eindruck jetzt wie ein Filter: etwa 80 % der Folgeeindrücke werden durch den ersten gefiltert, manipuliert, und zwar so, dass sie lediglich bestätigen, was „wir ja immer schon gewusst“ haben. Man spricht dann auch von selektiver Wahrnehmung. Für professionelle Interviewer ist sie die Mutter der Fehleinschätzung.
„Bei vielen Interviewern gilt der Bewerber so lange als schuldig, bis er seine Unschuld bewiesen hat“.

Entspricht ein Bewerber den eigenen Erwartungen (Kleidung, Gestik, Auftreten etc.), so kann der erste, positive Eindruck das folgende Gespräch überstrahlen und uns den kritischen Blick für ungünstige Qualifikationsmerkmale vernebeln. Oder andersherum: Die Antipathie beim ersten Eindruck führt zur pauschalen Negativ-Beurteilung - ohne dass der Bewerber seine Qualifikation im Gespräch unter Beweis stellen konnte. Pauschal- und Vorurteile führen ebenso zur Fehleinschätzung. Nicht alle Kleinwüchsigen sind ehrgeizig. Arme über der Brust verschränkt bedeutet nicht in jedem Falle Abwehr, Verschlossenheit. Naja, und Männer mit Bart ...  Sie kennen diese vorschnellen Urteile. Am schlimmsten sind die Interviewer, die all ihr Urteilsvermögen mit Menschenkenntnis begründen.

Gegen Fehler ist kein Kraut gewachsen

Trösten Sie sich, jede Prognose kann falsch sein. Und deshalb bleibt bei jeder Personalentscheidung ein Restrisiko. Was also können wir tun?  Wir sind zwar nicht in der Lage, die Regeln, nach denen unsere Wahrnehmung funktioniert, außer Kraft zu setzen. Aber wir können sie uns bewusst machen. Allein dadurch lässt sich die Häufigkeit der Fehlurteile reduzieren.

Wer offen bleibt für Informationen und neue Eindrücke, lernt im Laufe eines Interviews ständig hinzu. Offenheit, gesunde Distanz und die Bereitschaft eigene Vorurteile abzubauen, schützen den Interviewer davor, nur nach dem ersten Eindruck zu entscheiden und nur das selektiv wahrzunehmen, was seinem eigenen Weltbild entspricht. Wer dagegen schon nach kurzer Zeit abschaltet, erliegt zwangsläufig der Verführung durch den ersten Eindruck. Ich kenne nicht wenige Interviewer, die stolz behaupten, schon nach wenigen Augenblicken Bescheid zu wissen über einen Menschen. Vor so viel Eile und Anmaßung kann ich nur warnen. Kein Grund stolz zu sein, denn sie sind blind für Chancen und schaden ihrem Unternehmen mehr, als dass sie ihnen nützen. Und das scheint mir gerade in Zeiten, in denen alle Welt nach guten Leuten ruft, ein fataler Fehler zu sein.

Aber Hopfen und Malz sind noch nicht verloren. Durch gezieltes Training und damit Gewinn an Erfahrung kann jeder aus sich einen guten Interviewer machen, vorausgesetzt er möchte das Gesetz der Statistik für sich nicht zutreffen lassen: Jede dritte Personalentscheidung sei falsch, behaupten Leute, die es untersucht haben. 

Glauben Sie immer noch, das ist Zufall?


 

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