Spinner braucht das Land

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Die meisten und oft die besten Innovationen in einem Unternehmen entstehen dadurch, dass Mitarbeiter „out of the box“ denken, sich eigene Gedanken machen und zuerst einmal heimlich tüfteln. Wie kann man dieses Potential besser nutzen?

Kreative haben’s schwer. Insider schätzen, dass ca. 20 Prozent der Geld- und Zeit Etats von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen für heimliche Ideen verwendet werden. Man hat festgestellt, dass seit 1970 der Anteil neuer Produkte und Dienstleistungen am Gesamtumsatz der Unternehmen um rund ein Drittel zurückgegangen ist. Die Ursache liegt auf der Hand: Kreative haben im Vergleich zu analytisch orientierten Spezialisten und Führungskräften weniger Karrierechancen. Sie werden nicht oder zu wenig gefördert. Dann behalten sie eben ihre Ideen für sich.
Zugegeben - Kreative sind oft nicht gerade pflegeleichte Mitarbeiter. Sie fallen in der Top Etage unangenehm auf, weil ihre Lebensläufe zerrissen sind. Sie wechseln oft, sind auf der Suche nach mehr Freiraum und passen sich ungern an. Sie sehnen sich nicht nach Macht, sondern sind Ideen-besessen. Oft sind ihre Ideen erstmal unbequem.

Ich möchte behaupten, in jedem Unternehmen sitzen Kreative – nur werden sie meistens ignoriert. Oft fristen sie ein geradezu unwürdiges Dasein und sind als Spinner und Träumer verschrien. Dabei kommen über 80 Prozent aller großen Ideen von kreativen Spinnern. Nicht auszudenken, wieviel mehr Produktivität Sie in Ihrem Unternehmen erreichen könnten, wenn Sie den kreativen Köpfen größere Chancen und Entfaltungsmöglichkeiten einräumen und sie vor ungerechtfertigten Angriffen in Schutz nehmen. Denn sonst tauchen sie ab mit ihren Ideen – und landen vielleicht beim Wettbewerb.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Dort, wo InnovationsManagement von Unternehmenslenkern wirklich ernst genommen wird, hat es vorher meist eine Umorientierung in der Auswahl und Entwicklung ihrer Führungskräfte gegeben. Ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit guten Noten und kurzer Studiendauer – bis vor wenigen Jahren noch ein wichtiges Ticket für den erfolgreichen Einstieg ins Management – wird den veränderten Herausforderungen der Zukunft nicht mehr gerecht. Jemand, der in den Semesterferien gearbeitet hat, sich sozial eingesetzt oder politisch engagiert hat, nebenher intensive Erfahrungen in unterschiedlichen sozialen Umfeldern gesammelt hat, dafür aber länger studierte und evtl. kein Prädikatsexamen nachweisen kann, bringt vermutlich die besseren Voraussetzungen für ein erfolgreiches InnovationsManagement mit.

Und wie steht es um die Erwartungen der Kreativen an das Arbeitsumfeld? Bereits in Bewerbungsgesprächen sollte dieser Punkt deutlich angesprochen werden. Da ist z. B. der Wunsch nach bereichsübergreifender Teamarbeit, schlanken Strukturen, flachen Hierarchien, schnellen Entscheidungswegen, Karrierehoffnungen, Chancen und individuellen Entwicklungsmöglichkeiten. Wer das offen mit dem Bewerber diskutiert, kann verhindern, dass aus enttäuschten Hoffnungen Frustration entsteht. Statt den Nachwuchs mit falschen Karriereversprechen ins Unternehmen zu locken, wird die Zusammenarbeit neu definiert: Freiraum zur Gestaltung ja – aber gleichzeitig auch Verantwortung für Ergebnisse.

Unternehmen, die auch künftig in der „Oberliga“ der Wirtschaft mitspielen wollen, werden deshalb stärker als bisher gezielt in die Qualität und Qualifizierung ihrer Führung investieren müssen – ein scheinbar völlig neuer Gedanke, denn bisher ging man immer davon aus, dass Führungskräfte deshalb so hoch bezahlt würden, weil sie ohnehin alles besser können und wissen als ihre Mitarbeiter. Das wird in Zukunft anders sein. „People don’t care what you know until they know that you care!“ Die Qualität der Führung hat vor allem deshalb so große Bedeutung, weil der Boss – im Positiven wie im Negativen – immer noch am meisten durch sein Vorbild bewirkt. Neben Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz sind Vorgesetzte vor allem in der Führung der eigenen Person gefordert. Starke Führungspersönlichkeiten sind das Magnet, mit dem man in Zukunft kreative Spinner gewinnen kann.

Wie kommuniziert man mit Spinnern?

Wer die Kreativen mit ihren Ideen aus der Ecke locken will, kommt um eine wertschätzende, öffnende und ermutigende Kommunikation nicht herum. Doch auch hier gehören Regeln für beide Seiten zu einem zielführenden Austausch. Diskussionen, Konferenzen, Meetings, Gespräche sind zwar nötig, kosten aber meistens viel Zeit und Geld. Legen Sie also mit Ihren Spinnern Kommunikationsregeln fest, mit der beide Seiten die Meeting-Zeit möglichst effizient nutzen können. Ihr Argument: „Damit erhöhen wir die Geschwindigkeit, mit der wir neue Ideen umsetzen können“.

ZUHÖREN – ausreden lassen
Den eigenen Beitrag straffen
Beim Thema bleiben
Nur sachdienliche Beiträge bringen
Bei gegensätzlichen Standpunkten die Form wahren
„Verrückte“ Ideen nicht gleich ablehnen, sondern „aushalten“
Und nochmals: ZUHÖREN!

Übrigens: Diese Regeln stammen nicht von mir. Sie waren bereits in den 70er Jahren bei PHILIPS im Gebrauch und gehörten zum Kommunikationstraining von Führungskräften. Interessant: In den darauffolgenden Jahrzehnten gab es dort jede Menge Innovationen. Die Regeln gelten dort heute noch.

Erfolgreiches People Management ist zuerst einmal Selbstmanagement

Nur wenige Manager sehen ein, dass sie letztlich nur eine einzige Person führen müssen – sich selbst. Nur wer sich selbst führen kann, ist in der Lage, andere erfolgreich zu führen!
Machen Sie sich frei davon, dass Sie stets alles besser wissen und besser können müssen als Ihre Leute. Nicht Ihr Weg ist der Grundstein zu Eigeninitiative und Selbstverantwortung Ihrer Kreativen, sondern der Freiraum zur Entwicklung eigener Lösungen, Wege und Erfahrungen des Mitarbeiters.
Gestehen Sie Ihren Leuten zu, ihre eigene Identität zu entwickeln.

Früher wurde immer versucht, Menschen an Organisations- und Führungsstrukturen anzupassen. Das Ergebnis waren Menschen ohne Profil – chemisch gereinigte, windkanalgetestete „Ja-Sager“ ohne Ecken, Kanten und Eigenständigkeit. Klar – bequem zu führen, aber ohne Eigendynamik und Kreativitätspotential. Und genau das können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.
Was wir brauchen, um Betriebe zukunftsfähig zu gestalten, sind Menschen, die nach eigener Überzeugung handeln, auch den Mut haben, ihre Ideen vorzutragen, Chefs, die Kreativität nicht als lästige Provokation verstehen, sondern die wissen, dass ihre Leute nicht für Routine bezahlt werden, sondern für Ideen.

Das sind eben diese „kreativen Spinner“ – ich nenne sie auch „Zebras mit Querstreifen“. Durch Ihre Führungsarbeit bestimmen Sie, ob Sie diesen Typ zulassen und ob er in Ihrem Betrieb sein ganzes Produktivitätspotential entfalten kann. Nur Mut - gewähren Sie den kreativen Spinnern den Freiraum, als eigenständige Persönlichkeit zu wachsen, ihre eigenen Grenzen wirklich auszuloten und zu erkennen.

Dann stimmt’s am Ende des Tages auch mit dem Betriebsergebnis.


Autor

Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
www.avb-consulting.de
VON BONIN + PARTNER Personalberatung
www.von-bonin.de


 

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