Essen aus der Luft - Warum Chinas Drohnen Deutschland abhängen

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Echte Helden müssen nach Badaling. Durch den Ort im Nordwesten von Chinas Hauptstadt Peking schlängelt sich die Große Mauer durch die steilen Hügel - eine Pilgerstätte für Chinesen. Denn dort stieg einst Chinas wohl berühmtester Staatsmann Mao Zedong hinauf und soll etwas freier übersetzt gesagt haben: Wer nicht auf der Mauer war, ist kein echter Held.

Jahrzehnte später quälen sich immer noch täglich Massen an Touristen auf den einstigen Schutzwall. Wer im Hightech-Land China den schweißtreibenden Aufstieg hinter sich gebracht hat, kann sich oben seit August mit Fast Food oder Getränken belohnen - geliefert von einer Drohne. 

Vier bis fünf Fluggeräte sind dort im Einsatz, sagt Pu Siwu, Mitarbeiter des Dienstleisters Meituan, der die Lieferdrohnen betreibt. Je Stunde schaffen die Drohnen 20 Lieferungen aus dem Tal. Auf dem Rückweg nehmen sie Müll mit. Bestellt wird - na klar - per Handy-App. Aber das ist nicht alles: «Diese Flugroute wird auch zum Transport von Notfallmedizin genutzt», sagt Pu. In drei bis fünf Minuten könnten so Hilfsmittel kommen, wenn ein Mauer-Tourist etwa Blutzucker-Probleme habe, sagt Pu.

Peking sorgt für Hype 

«Drohnen sind mittlerweile sehr verbreitet», sagt Luftfahrtexpertin Shen Yingchun von der Pekinger Universität für Luft- und Raumfahrt. Bei Lieferdiensten gehe es jetzt erst los. Aber in der Landwirtschaft oder zur Überwachung von Stromnetzen würden sie schon viel genutzt, sagt sie.

Peking fördert die sogenannte Low Altitude Economy, also die Wirtschaft im Luftraum bis zu 1000 Metern, massiv. Drohnen zählen zu den «neuen qualitativen Produktivkräften», mit denen die kommunistische Partei sich in Zukunft Fortschritt und Wachstum sichern will. China befeuere den Hype um den Wirtschaftszweig, sagt Shen. Dieser berge hohe Kosten und Risiken, weshalb er sich ohne Staatshilfe nicht entwickeln könne, begründet sie. 

2023 betrug der Wert des Sektors nach offiziellen Angaben geschätzt 500 Milliarden Yuan (aktuell rund 66,3 Milliarden Euro). Bis 2030 könnte der Bereich demnach etwa zwei Billionen Yuan Wert sein. Die Behörde für zivile Luftfahrt zählte Stand Juli fast 608.000 registrierte Drohnen in China und damit 48 Prozent mehr als zum Jahresende 2023. Laut Behördenchef Song Zhiyong gab es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zudem mehr als 14.000 lizenzierte Firmen im Bereich unbemannte Fluggeräte.

Kaffee aus der Luft per Klick 

Was in Badaling Touristen begeistert, ist in Südchinas Metropole Shenzhen schon Alltag. Dort liefert Meituan mit Drohnen Kaffee und andere Snacks. Bereits über ein Dutzend Test-Stationen wurden eingerichtet, die sich in öffentlichen Bereichen wie Parks befinden.

Uns so funktioniert es: Ein Mitarbeiter holt die per App aufgegebene Bestellung im Restaurant oder Café ab und bringt sie zu einer Drohnen-Startplattform, die sich meist auf den Dächern von Einkaufszentren befindet. Dort wird die Lieferung in einen Karton verpackt und an einer Drohne befestigt, die damit einer festen Route entlang zu einer Abholstation fliegt. Auf deren Dach setzt die Drohne die Lieferung ab. Aus einem sicher verschlossenen Fach kann der Kunde seine Bestellung dann durch das Scannen eines QR-Codes abholen. 

Doch selbst in Shenzhen aber auch in Badaling ist der Dienst längst nicht immer verfügbar. Derzeit fliegen die Drohnen nur am Tage. Wenn es windig ist oder regnet, bleiben sie am Boden.

Flugtaxis auf dem Vormarsch

«Shenzhen ist definitiv ein Vorreiter, nicht nur hinsichtlich der Industriekette dort, sondern auch wegen seiner politischen Richtlinien», sagt Shen. In Shenzhens Provinz Guangdong, wo auch die Megacity Guangzhou liegt und Hongkong angrenzt, sollen Drohnen und autonome Luftfahrttaxis die Städte noch weiter vernetzen. Unbemannte Flug-Taxis sollen Fahrgäste in wenigen Minuten an ihr Ziel bringen und die verstopften Straßen so umgehen. Mit umgerechnet über 1.000 Euro pro Flug, ist das aber kaum massentauglich.

Staat und Hersteller stehen ohnehin noch vor Problemen: Die Lufträume öffnen sich nur langsam für die Drohnen-Wirtschaft, wie Expertin Shen sagt. Aus technischer Sicht hielten Batterien bisher nicht lange genug. Wichtige Sensoren oder leichtgewichtige Teile müssen außerdem noch importiert werden. 

Deutschland muss warten

In Deutschland ist vieles, was in China schon läuft, noch Zukunftsmusik. Ende Februar ging im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid ein voll automatisierter Drohnen-Linienflugbetrieb als Lieferservice für Firmen an den Start. Laut den Projektpartnern war dies bundesweit der erste kommerzielle Linienflugbetrieb mit einer eigens entwickelten Transportdrohne. 

Nach Kenntnis des Luftfahrt-Bundesamtes gibt es in Deutschland vier Inhaber von Genehmigung für Transportdrohnen. Diese seien im nordrhein-westfälischen Wipperfürth sowie Lüdenscheid, im baden-württembergischen Albstadt beziehungsweise Balingen und in Berlin. «Ob die Betreiber die Genehmigung dann tatsächlich auch im Regelbetrieb nutzen, darüber können wir keine Angaben machen», erklärt die Behörde in Braunschweig.

Laborproben per Drohne

In der Bundeshauptstadt fliegt jedenfalls noch nichts. Das zur Charité gehörende Labor Berlin will zusammen mit dem US-Entwickler Matternet Drohnen Proben aus Berliner Krankenhäusern in sein Zentrallabor fliegen lassen. Laut Matternet sollte das Projekt Anfang 2024 an den Start gehen. Die Betriebsgenehmigung liegt seit November 2023 vor. Doch Labor Berlin erklärt, dass «gesetzliche vorgegebene Zustimmungen» noch ausstünden.

Anderen aus der Branche mangelt es an Geld. Der Flugtaxi-Pionier Lilium aus dem bayerischen Gauting bei München musste wegen Finanzierungsproblemen einen Insolvenzantrag einreichen, kann aber nach einer Gerichtsentscheidung vorerst weiterarbeiten. Ein Problem war auch, dass die Grünen eine Bürgschaft des Bundes für die Hälfte eines 100-Millionen-Euro-Kredits für Lilium im Oktober abgelehnt hatten. Den ersten bemannten Flug hatte das Start-up für Anfang 2025 geplant. (dpa)


 

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